Allgemeine Homöopathische Zeitung 2008; 253(4): 194-195
DOI: 10.1055/s-0028-1082572
Forum
Nachrufe
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Horst Barthel (1922–2008) Ein Bahnbrecher der Synthese der Repertorien – Ein gläubiger Freund der Homöopathie

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 July 2008 (online)

Horst Barthel ist tot. Am 6. April 2008 ist er nach einem langen, schweren Leiden kurz vor seinem 86. Geburtstag, den er am 13. April begangen hätte, gestorben. Sein Lebenswerk kann und wird nicht sterben. Die Lebendigkeit, mit der Horst Barthel in den Repertorien lebt, ist für alle Kenner der Geschichte der synthetischen Erweiterung des Repertoriums Kent’scher Prägung wahrnehmbar. Das Synthetische Repertorium, herausgegeben von Horst Barthel und Will Klunker, ist vor kurzem in der von Klaus Holzapfel kommentierten Neuauflage im Haug Verlag erschienen.

Diesem Hauptwerk des großen Vertreters der Homöopathie der Nachkriegsgeschichte Deutschlands, das internationaler Anerkennung sicher war und ist, gesellten sich noch einige wesentliche Werke jener Epoche der Homöopathie zu, die am Beginn der erneuten Einführung klassischer Homöopathie in den Behandlungsplan vieler Homöopathen Deutschlands, Europas und vor allem auch Indiens einen bedeutenden Stellenwert hat. Rajan Sankaran nahm die Mind Symptoms des 1. Bandes des Synthetischen Repertoriums als wichtigste Quelle seiner Inspiration. Im Schlaf hatte er von seinem Vater diese Rubriken gelehrt bekommen.

Keinem Geringeren als Jost Künzli von Fimmelsberg war dieser Umstand Anlass genug, in einen intensiven Austausch mit Rajan Sankaran zu treten. Jede für ihn neue Information, z. B. auf den Kursen Candegabes in Bad Brückenau, überprüfte Horst Barthel in ihrer Verlässlichkeit mit dem von ihm geschaffenen Werk. Die Verlässlichkeit der Quellen blieben unerschütterlicher Maßstab, die Kategorien der Repertoriumsrubriken wurden mit äußerster Sorgfalt geprüft und mit den entsprechenden Synonyma erweitert. Sein kategoriales System erfuhr eine weitere Differenzierung in seinem Versuch der Definition verschiedenster Arten des Charakteristischen der Arznei, so z. B. der Charakteristik durch Lokalisation, Erstreckung, Abfolge, Kombination konträrer Symptome, Periodizität oder durch andere Modalitäten. Wenn auch dadurch die Definition des Charakteristischen Bönninghausens unberücksichtigt blieb, folgte er auf diese Weise der Inspiration der Homöopathie seiner Zeit.

Seine Menses-Tabelle, ein weiteres Frühwerk, griff bereits zu einem frühen Zeitpunkt die in unseren Tagen aktuellste Form der Materia-medica-Arbeit mit Zeichenkombinationen auf. In ihr wurden einzelne Zeichen der Menstruationssymptomatik tabellarisch kombiniert, um Arzneimittel zu differenzieren, damals noch auf der Basis der Repertoriumsrubriken, lange bevor uns Computer und andere Verzeichnisse diese Arbeit zu erleichtern halfen.

Auch später verzichtete er bewusst auf die technischen Neuerungen des elektronischen Zeitalters. Sie blieben ihm begründeterweise suspekt. Für ihn waren dadurch der Spekulation und der mangelnden Überprüfbarkeit Tür und Tor geöffnet. Er befürchtete eine massive Qualitätseinbuße der Wirkung klassischer Homöopathie, die ihm in der Behandlung schwerster Fälle Bedürfnis seiner täglichen Erfahrung geworden war.

Der Lebenshauch, den Horst Barthel der Homöopathie verlieh, wurde Inspiration für Generationen von Homöopathen. Das schwere Leiden, dem die Lebenskraft am Ende eines schaffensreichen Lebens erlag, war in aller Stille in der Familie des „Geliebten der Homöopathie” getragen worden. Das Schicksal entschied, dass ihm ein bis ins hohe Alter gesundes Lebens leider nicht vergönnt war.

Die Stringenz, mit der Horst Barthel seine Publikationen erstellte, kennzeichnete sein ärztliches Handeln, wenn nicht sogar umgekehrt eben jene Erfahrungen, die er in der Praxis in der Behandlung schwerster Krankheiten entwickelte, ausschlaggebend für die Qualität seiner Publikationen waren. Seine über viele Jahre nachbeobachteten Fälle waren Arbeitsgrundlage für seine Fortbildungen. Diese Qualität, bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Homöopathiegeschichte der Nachkriegszeit in Deutschland angeboten zu bekommen, war für eine bedeutende Gruppe von Homöopathen maßgeblich für ihr späteres Handeln geworden. Jost Künzli von Fimmelsberg war der Wegweiser, dem Horst Barthel auch in diesem Punkt folgte. Neben ihm war Pierre Schmidt ein ebenso getreuer Wegbegleiter und Mentor zur Bereicherung der Quellenlage und Verlässlichkeit unserer Arbeitsweise. Die von ihm handschriftlich übernommenen Nachträge im Kent’schen Repertorium wurden einer der Ausgangspunkte für sein späteres Lebenswerk. Die Dokumentation seiner eigenen Kasuistiken war beispiellos. In Sütterlin-Schrift schaffte er es, auf kleinstem Raum in einem Karteikarten-System die zentralsten und wichtigsten Informationen seiner Fälle so zu dokumentieren, dass er sie auch auf jeder Reise dabei haben konnte, um in unermüdlicher Schaffensweise seine Patienten zu betreuen und die Dokumentation seiner Fälle zu erstellen. Auch hier verzichtete er auf Computer. Sein Kartei bestand aus einem Karteikasten mit DIN A 6, später bei fortgeschrittenen Fällen auf DIN A 5 Karteikarten, eng beschrieben. Viele Patienten aus dem Kollegenkreis und seine Kursteilnehmer waren Zeugen dieser Dokumentation. Seine Verlässlichkeit blieb unerschütterlich. Leider fand sein Aufruf zu einer Dokumentierten Kasuistik der Homöopathie nur wenig Gehör.

Mit ihm war seine gesamte Familie in das von ihm geschaffene Lebenswerk eingebunden und verwoben. Der Wohnwagen der Familie Barthel war und blieb Legende. Er war der Arbeitsraum, in dem Horst Barthel nicht nur wesentliche Teile seines Werkes im Familienurlaub erstellte („Der Vater, der aus vielen Büchern eines machte”), sondern die wesentlichen Nachträge Pierre Schmidts und Kents aus den handschriftlichen Nachträgen in sein Synthetisches Repertorium übernahm. Sein unerschöpflicher Tatendrang beeindruckte nicht nur alle seine Schüler, sondern ebenso seinen Nachfolger in der Familie, Michael Barthel, den Herausgeber des Repertorium Generale und des Deutschen Journals für Homöopathie. So erahnen wir ansatzweise das Werk der Familie Barthel in der Tiefe seiner Dimension. Während der Abendveranstaltungen seiner Kurse lud er uns zusammen mit seiner geliebten Gattin ein, gemeinsam mit ihm der Aufzeichnung für ihn beeindruckender Fernsehsendungen beizuwohnen, die seiner tiefen Religiosität auf die ihm eigene Art Ausdruck verliehen. Sein fester Glaube war ihm ebenso heilig wie die Festigkeit in der Anwendung klassischer Homöopathie. Seine Frau begleitete ihn nach Möglichkeit auf allen seinen Ausflügen und Reisen und half ihm nicht nur an der Schreibmaschine, die Größe seines Lebenswerkes zu schaffen, ebenso seine Kinder Michael, Christoph und Ilse (zusammen mit Michael die Herausgeberin der Arzneimittelbeziehungen). Zusammen mit ihnen wird uns Horst Barthel in ehrender Erinnerung bleiben.

Hans Baitinger

    >