Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(7): 355
DOI: 10.1055/s-0028-1085049
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Versorgung chronischer Wunden – welche, von wem und wie?

Kuno Weise
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Publication Date:
05 August 2008 (online)

Die Behandlung chronischer Wunden unterschiedlicher Genese, Größe und Beschaffenheit ist eine nicht zuletzt aus volkswirtschaftlichen Gründen wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Obgleich während der letzten Jahre gerade in Kliniken der Maximalversorgung spezielle Wundsprechstunden etabliert wurden, tragen der Hausarzt, der Dermatologe sowie der niedergelassene Chirurg die Hauptlast in der flächendeckenden Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden. In Deutschland erfolgt die Behandlung solcher Fälle in knapp der Hälfte durch einen Chirurgen, in 20 % durch den Allgemeinmediziner beziehungsweise einen Dermatologen und in circa 15 % durch einen Internisten. Eine Umfrage bei 1700 niedergelassenen Ärzten unterschiedlicher Fachdisziplinen konnte belegen, dass in etwa die Hälfte der Kollegen bei der Behandlung chronischer Wunden auf ungelöste Fragen und fortdauernde Probleme hinweisen. Der Schwerpunkt „Wundversorgung“ in dieser Ausgabe von Notfall & Hausarztmedizin soll dabei helfen, Wissenslücken zu schließen und zur Qualitätssteigerung in der Behandlung der chronischen Wunde beizutragen. Die hierfür erforderliche teilweise aufwendige und häufig nicht ausreichend honorierte Behandlung bedarf einerseits umfänglicher Fachkenntnisse, zum anderen entsprechender Möglichkeiten bezüglich instrumenteller und verbandstechnischer Ausstattung. Die für den individuellen Einzelfall jeweils geeigneten therapeutischen Maßnahmen müssen mit einer konsequenten Führung des Patienten einhergehen, denn ohne dessen Kooperation – man denke beispielsweise an die diätetische Disziplin des Diabetespatienten oder an die Einhaltung der kompressiven Maßnahmen bei chronisch-venöser Insuffizienz –, ist jede ärztliche Mühewaltung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Des Weiteren ist die grundsätzliche Entscheidung, inwieweit chirurgische Revisionsmaßnahmen einer Erfolg versprechenden Wundbehandlung und endgültigen Sanierung vorangestellt werden müssen, in einem frühen Stadium oder bei frustraner konservativer Therapie zeitnah zu stellen, um die Dauer des Heilverfahrens und damit dessen Kosten nicht unnötig auszuweiten.

Die Beiträge in dieser Ausgabe der Notfall & Hausarztmedizin zum Schwerpunktthema Wundversorgung sollen den aktuellen „State of the Art“ bezüglich spezieller Probleme bei der Versorgung chronischer Wunden widerspiegeln. Von anerkannten Experten werden Besonderheiten der Genese, der Diagnostik und einer geeigneten Therapie häufig auftretender chronischer Wunden aufgezeigt und Ratschläge zur Planung und Durchführung eines adäquaten Therapieplanes erteilt. Die unverändert häufigen, schwierig zu behandelnden, weil mit einer gewissen Therapieresistenz und Rezidivhäufigkeit behafteten Ulcera cruris werden von Herrn Prof. Jünger aus Greifswald abgehandelt, der sich seit vielen Jahren intensiv mit dieser Problematik befasst. Spezielle Techniken der Wundbehandlung wie Spülung und Desinfektion stehen im Fokus des Beitrags von Prof. Kramer aus Greifswald, der eine weithin anerkannte Expertise zu dieser Thematik besitzt. Die besondere therapeutische Herausforderung der chronisch infizierten Wunde, welche mit multiresistenten Keimen besiedelt ist, handelt Herr Dr. Marschal aus Tübingen ab, der sich mit diesem Problem intensiv befasst und diesbezüglich große Erfahrung gesammelt hat. Herr Prof. Rennekampff aus Hannover ist Spezialist für die Behandlung der Verbrennungswunde und gibt in seinem Beitrag sein umfängliches Fachwissen weiter.

Zusammen mit den jeweiligen Autoren bin ich der festen Überzeugung, mit dem Schwerpunktthema „Wundversorgung“ einen bedeutenden Beitrag zur Optimierung der Behandlung chronischer Wunden geleistet zu haben. Dabei geht es nicht nur um Empfehlungen zur Praxis in der Behandlung unterschiedlicher Wunden, sondern auch darum, deren Genese und Besonderheiten besser zu verstehen, um davon betroffene Patienten möglicherweise bereits in Sachen Prävention eines Rezidivs beraten zu können. Zudem soll nicht vergessen werden, dass die Sanierung chronischer Wunden, inklusive der ganzheitlichen Betreuung der Patienten, eine therapeutische Herausforderung mit einem bedeutenden wirtschaftlichen Hintergrund darstellt. Durch Inanspruchnahme des Netzwerkes, welches einzelne Fachgesellschaften unter Einbindung hochfrequentierter Kompetenzzentren zur Wundbehandlung gebildet haben, sollte es – um die Eingangsfrage zu beantworten – zunehmend möglich sein, den einzelnen Patienten zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort von hoch qualifizierten Spezialisten behandeln lassen zu können und den niedergelassenen Kollegen jene zeitlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zu bieten, die sie für eine Bewältigung der komplexen Probleme chronischer Wunden benötigen.

Prof. Dr. med. Kuno Weise

Tübingen

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