Pneumologie 2008; 62(9): 514
DOI: 10.1055/s-0028-1089961
Pneumo-Fokus

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Pneumonie - Medizinische Vorbehandlung ist ein zusätzlicher Risikofaktor

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16 September 2008 (online)

 
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Bisher wurde bei der Ätiologie einer Pneumonie nur unterschieden, ob sie ambulant oder stationär erworben wurde. Neuere Befunde lassen jetzt vermuten, dass auch eine regelmäßige, ambulante medizinische Betreuung das Pneumonierisiko beeinflusst. Dieser Aspekt ist wichtig, da bei diesen Patienten eventuell die initiale "blinde" Antibiotikatherapie angepasst werden muss. Arch Intern Med 2007; 167: 1393–1399

J. Carratalà et al. erfassten prospektiv im Zeitraum von 2001 bis 2004 alle Patienten, bei denen in einer spanischen Universitätsklinik eine ambulant erworbene Pneumonie diagnostiziert wurde. Die Wissenschaftler bezogen nur Patienten ohne wesentliche Immundefekte in die Studie ein. Bei der Auswertung prüften sie, ob diese Patienten vor ihrer stationären Aufnahme vermehrt medizinisch betreut wurden. Das heißt, ob sie Heimbewohner waren, eventuell dauerhaft dialysiert wurden, bereits ambulant Antibiotika erhalten hatten oder aber, ob sie in den letzten 90 Tagen stationär behandelt worden waren. Diese Patienten definierte man als eigene Risikogruppe ("Health Care Associated Pneumonia" – HCAP). Die Autoren erfassten dann bei allen Betroffenen die Erreger- und Resistenzlage. Die Forscher registrierten ebenfalls die Komorbidität der Patienten. Wichtig war ihnen zu prüfen, ob die sogenannten HCAP-Patienten ein anderes Erreger- oder Resistenzspektrum aufwiesen als die Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie.

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Ausgedehnte bakterielle Unterlappenpneumonie mit Pleuraerguss im hochauflösenden CT (Bild: U. Lörcher/H. Schmidt. HR-CT der Lunge. Thieme 1996).

Bei 17,3 % (n = 126) der insgesamt 727 Pneumonie-Patienten lag eine HCAP vor. Meist waren diese Patienten im Zeitraum vor dem Auftreten der Pneumonie stationär behandelt worden. Unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit konnte in etwa 30 % der Fälle Streptococcus pneumoniae als Erreger nachgewiesen werden (bei den HCAP-Patienten in 27,8 % der Fälle, bei den restlichen Patienten in 33,9 % der Fälle). Auffallend war der geringe Anteil von Legionellenpneumonien in der HCAP-Patientengruppe (2,4 vs. 8,8 %). Die Auswertung zeigte, dass bei 5,6 % der HCAP-Patienten die initiale Antibiose insuffizient war.

In der ambulanten Vergleichsgruppe lag die Rate dieser resistenzbedingten Fehltherapien nur bei 2 %. Die Mortalität in der HCAP-Gruppe lag mit 10,3 % mehr als doppelt so hoch als in der ambulanten Gruppe ohne medizinische Vorbetreuung (4,3 %). Bei der Bewertung dieser Befunde muss allerdings berücksichtigt werden, dass 95,2 % der Patienten der HCAP-Gruppe, aber nur 74,7 % der Patienten in der Nicht-HCAP-Gruppe eine relevante Komorbidität (z. B. COPD) aufwiesen.

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Fazit

Patienten, die regelmäßig ambulant medizinisch betreut werden, haben ein spezifisches Pneumonie-Risiko. Bei solchen Patienten ist vermehrt mit resistenten Erregern zu rechnen. Die Autoren raten deshalb, bei solchen Patienten die initiale "blinde" Antibiotikatherapie im Falle einer Pneumonie zu modifizieren. Die Differenzierung nach ambulant oder stationär erworbener Pneumonie muss wahrscheinlich in Zukunft um diesen Aspekt ergänzt werden.

Dr. Horst Gross, Berlin

 
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Ausgedehnte bakterielle Unterlappenpneumonie mit Pleuraerguss im hochauflösenden CT (Bild: U. Lörcher/H. Schmidt. HR-CT der Lunge. Thieme 1996).