B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2009; 25(1): 26-32
DOI: 10.1055/s-0028-1098782
PRAXIS

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Qigong im Lungensport

K. Bastian
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Februar 2009 (online)

In China erzählt man sich eine Geschichte, die sich vor vielen tausend Jahren zutrug. Es gab eine Zeit, in der lange Regenfälle den Tag zur Nacht machten. Mit den dunklen Wolken veränderte sich auch die Stimmung bei den Menschen. Die Arbeit fiel ihnen schwerer und sie verrichteten sie immer lustloser. Ihre Gedanken wurden trübe wie der Himmel. Ihre Kraft verringerte sich und die Anstrengung wuchs. Die Menschen wurden schwächer und bekamen Krankheiten. Da erfand der legendäre Herrscher Yao einen Tanz, damit die Leute sich bewegten, um so ihre Betrübnis zu verlieren und ihre Vitalität zurück zu erlangen. 

Qigong hat sich aus einer Form des „Heiltanzes“ entwickelt. Intensive Beobachtungen der Natur und deren Transformation in Bewegungs-, Atem- und Mentaltechniken führten zu einer Besserung körperlicher und psychischer Beschwerden und einer Steigerung der Leistungsfähigkeit. Im Laufe der Zeit entstand damit eine unübersehbare Fülle an unterschiedlichen Qigong-Formen im Reich der Mitte, die zumeist im für die Öffentlichkeit kaum zugänglichen „Meister-Schüler-System“ weitergegeben wurden. 

Abb. 1

Das Alter des Qigong wird zwischen 3 000–5 000 Jahren angegeben. Die jüngere Geschichte des Qigong ist sehr wechselhaft. In den 50er-Jahren wurden größere medizinische Studien zur Heilbehandlung mit Qigong in der VR China durchgeführt. Während der Kulturrevolution in den 70er-Jahren wurde Qigong als Bestandteil der Traditionellen Chinesische Medizin (TCM) wie viele andere traditionell-kulturelle Werte massiv unterdrückt. Nun schwenkt das Pendel erneut in die andere Richtung und seitens der chinesischen Regierung hat die Reintegration der TCM und des Qigong in das bestehende Gesundheitssystem einen besonderen Stellenwert. Außerdem ist China bemüht, Qigong weltweit als „Exportartikel“ zu verbreiten. In neuerer Zeit werden die Wirkungen von Qigong-Übungen verstärkt mit westlich-wissenschaftlichen Methoden untersucht. 

Deutschland erlebte in den 80er-Jahren einen „Taiji-Boom“ (das Taijijuan, sprich: „Tai Dschi Dschüan“, ist eine komplexe Bewegungsabfolge, die in der Tradition der Selbstverteidigung wurzelt). Qigong ist danach, in den 90er-Jahren populär geworden. Die Übergänge zwischen dem Qigong und dem Taijijuan sind fließend. Taijijuan wird zumeist zur „Familie Qigong“ gezählt [2]. 

Qigong ist ein Sammelbegriff für alle Übungen, die das „Qi“ im Körper beeinflussen. Im Wesentlichen geschieht das mit bestimmten, gelenkspielförderlichen Körperhaltungen sowie langsamen, entspannten und spiralig-dehnenden Bewegungen, einem ruhigen und zumeist „bauchbezogenen“ Atem und durch achtsame Konzentration auf bestimmte Körperzonen oder Akupunkturpunkte und Vorstellungsbilder. Diese „drei Säulen des Qigong“ sorgen dafür, dass das Qi frei im Körper fließen kann. Die Fließbahnen werden als Meridiane bezeichnet. Das Qi wird im Körper in bestimmten „Energie-Reservoiren“ gesammelt, die als Dantian bezeichnet werden. Eines dieser Zentren ist das untere Dantian, welches unterhalb des Bauchnabels und in der Bauchmitte lokalisiert ist. Diesem Bereich wird auch in der Atemtherapie große Aufmerksamkeit geschenkt. Kommt es zu Stockungen oder Blockaden, stagniert das Qi oder fließt es nicht mehr ausreichend, entstehen aus Sicht der TCM zahlreiche Symptome und Krankheiten. Gesundheit besteht also nur, wenn das Qi frei fließen kann. 

Der Begriff „Qigong“ setzt sich aus „Qi“ und „Gong“ zusammen. Das chinesische Schriftzeichen für „Qi“ stellt einen dampfenden Topf voll warmen und nährenden Reis dar, eine essenzielle Lebensquelle. Qi wird daher auch gerne mit „Lebensenergie“ übersetzt. 

„Qi“ (ausgesprochen „Tschi“) ist einer der zentralsten Begriffe des traditionellen chinesischen Denkens überhaupt. In unserem Sprachverständnis existiert kein vergleichbarer Entwurf dafür. Qi ist die immaterielle Energie, die das gesamte Universum ausfüllt und allen Dingen Leben einhaucht. Das „vorgeburtliche Qi“, das von den Eltern „geerbt“ wird und welches die individuelle Konstitution und Widerstandskraft eines Menschen ausmacht, wird nach chinesischem Verständnis durch physische und psychische Prozesse „verbraucht“. Es kann über den Atem und die Nahrung ergänzt werden, sodass das vorgeburtliche Qi so wenig wie möglich angezapft werden muss. Daher erklärt sich auch der besonders hohe Stellenwert, den Atemübungen und Ernährung in der Traditionellen Chinesischen Medizin genießen. 

Der Begriff „Gong“ (ausgesprochen „Gung“) bedeutet „Übungssystem“ oder Pflege des „Qi“. 

Literatur

  • 1 Bölts J. Qigong – Heilen mit Energie. Freiburg: Herder; 2004
  • 2 Engelhardt U, Hildenbrand G, Zumfelde-Hüneburg C (Hrsg.). Leitfaden Qigong. Gesundheitsfördernde und therapeutische Übungen der chinesischen Medizin. München: Urban & Fischer; 2007
  • 3 Meindl D J. Gesundheit & Qigong. Die Formen des Internationalen Qigong-Standards des chinesischen Sport-Ministeriums. München: AllSense GmbH; 2005
  • 4 Schmidt-Neuhaus B, Schoefer-Happ L, Mayer-Allgaier D. Qigong, Akupressur und Selbstmassage. Stuttgart: Klett; 2001
  • 5 Schmincke C. Chinesische Medizin für die westliche Welt. Heidelberg: Springer; 2004
  • 6 Schwerdt P S. Mit Qigong durch das Jahr. Die Kraft des Lebens erfahren und verstehen. Berlin: Theseus; 2004

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Dr. Sportwiss. K. BastianDiplom-Sportlehrerin 

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