Zusammenfassung
Hintergrund: Die medizinische Rehabilitation ist eine tragende Säule im deutschen Gesundheitssystem. Verschiedene Studien attestieren der Rehabilitation allerdings nur mittelmäßige Erfolge. Die Effektivität einer Reha-Maßnahme hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Unter anderem spielen Fragen der Bedarfserkennung, des Reha-Zugangs, der Reha-Vorbereitung, der Therapiedichte und der Nachsorge eine bedeutsame Rolle. In den letzten Jahren wurde des Öfteren die mangelnde Kooperation und Kommunikation zwischen Kostenträgern der Rehabilitation und den niedergelassenen Hausärzten problematisiert. Da Hausärzte eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung für eine Reha-Maßnahme einnehmen, sollte in einer Studie mit Kostenträgern und niedergelassenen Ärzten Strategien zur Optimierung der Bedarfserkennung und des Zugangs zur medizinischen Rehabilitation entwickelt und erprobt werden.
Methodik: In einer multidisziplinär zusammengesetzten Projektgruppe wurden eine Checkliste für Hausärzte sowie ein Patientenfragebogen entwickelt, die die Feststellung eines potentiellen Bedarfs bei Patienten in der Hausarztpraxis erleichtern sollten. Die einseitige Checkliste enthielt verschiedene Kriterien, die einen möglichen Reha-Bedarf der Patienten bestätigen. Der Patientenfragebogen beinhaltete Fragen zur subjektiven Gesundheit sowie Fragen zu Alltags- und Berufsbelastungen im Sinn von Teilhabestörungen und sollte damit auch den subjektiven Reha-Bedarf der Patienten berücksichtigen. An der Studie beteiligten sich neun von 40 Hausarztpraxen aus zwei Qualitätszirkeln in Schleswig-Holstein. Beide Instrumente wurden in diesen Hausarztpraxen bei 60 Patienten, bei denen die Hausärzte aufgrund ihrer klinischen Erfahrung einen Reha-Bedarf vermuteten, eingesetzt und erprobt.
Ergebnisse: Die einseitige Checkliste sowie der Patientenfragebogen erwiesen sich bei den teilnehmenden Arztpraxen als praktikabel und ökonomisch. Die Hausärzte identifizierten bei 85% der Patienten anhand der Checkliste einen Reha-Bedarf. Bei 10% der Patienten war das Ergebnis fraglich und bei drei Patienten fiel das Bedarfsurteil negativ aus. Das in einer Globalfrage zusammengefasste Urteil der Patienten hinsichtlich ihrer subjektiven Reha-Bedürftigkeit war bei 98% der befragten Patienten positiv, nur ein Patient verneinte die Frage. Die Übereinstimmung zwischen Arzt- und Patienteneinschätzung ist eher schwach ausgeprägt (Kappa: 0,11, p=0,08). Definiert man in der entsprechenden Kreuztabelle die Abweichung von der Hauptdiagonalen um eine Stufe noch als Übereinstimmung der beiden Einschätzungen, so wird eine absolute Übereinstimmung von 78% erreicht. Differenzen zwischen Arzt- und Patienteneinschätzung können zum Teil durch freitextliche Erläuterungen der Hausärzte erklärt werden.
Diskussion: Beide Instrumente haben sich für einen Einsatz in der Hausarztpraxis prinzipiell bewährt. Sie ermöglichen eine schnelle und einfache Aufdeckung eines möglichen Reha-Bedarfs in der alltäglichen Praxis. Trotz dieser positiven Resultate und einer vielversprechenden Erleichterung bei der Feststellung des Reha-Bedarfs konnte eine zufriedenstellende Einbindung niedergelassener Ärzte nicht erreicht werden. Als wesentliche Gründe für die mangelnde Teilnahme wurden zusätzlicher bürokratischer Aufwand, Negativ-Image der Reha und Synchronizität mit den DMPs angeführt.
Schlussfolgerungen: Die Distanz von Hausärzten zu Fragen der medizinischen Rehabilitation durch Renten- und Krankenversicherung ist aus verschiedenen Studien bekannt. Auch im vorliegenden Projekt konnten nur wenige der angesprochenen Hausärzte für eine Mitarbeit gewonnen werden. Weitere Untersuchungen sollten der Frage gelten, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln die gewünschte und dringend erforderliche Zusammenarbeit erzielt werden kann.
Abstract
Background: Medical rehabilitation is a basic component in the German health care system. However, several studies have shown only moderate effects by rehabilitation treatment. The effectiveness of medical rehabilitation depends on different factors, like rehabilitation need, access, preparation for rehabilitation treatment, therapy intensity and rehabilitation aftercare. During the past few years the lack of cooperation and communication between cost carriers and general practitioners has been emphasized. Since general practitioners play a central role in the patients’ decision for rehabilitation treatment, the aim of the present study was to facilitate the identification of rehabilitation need by general practitioners.
Methods: The project group integrated different professions. To facilitate assessment of rehabilitation need in patients attending a medical practice, two different approaches were applied: First, a self-administered patient questionnaire was developed, containing different subjective indicators of rehabilitation need (e. g., subjective health, problems in activities and participation as well as daily or occupational stress). Secondly, the project group worked out a short checklist for general practitioners, containing a number of criteria confirming patients’ potential need for rehabilitation. Both instruments were tested in nine medical practices with 60 patients presumably in need for medical rehabilitation.
Results: The short checklist as well as the patient questionnaire proved to be practicable and economical. Nine of 40 general practitioners participated. Based on the checklist a need for rehabilitation was identified in 85% of their patients. In another 10% of the patients the result was questionable, and in three patients the finding was negative. In the self-assessment of the patients, 98% stated a subjective need of rehabilitation (global rating), only one patient indicated no rehabilitation need. The agreement between physician and patient assessments was only weak (kappa: 0.11, p=0.08). Defining deviation by one category as still indicative of agreement of the two ratings, an agreement of 78% is reached.
Discussion: Both instruments in principle proved to be useful in medical practice. They allow quick and easy assessment of a potential rehabilitation need in everyday practice. Despite these positive results and the supportive function of the checklist, the participation rate among general practitioners was unexpectedly low, possibly mainly due to the additional bureaucracy, a negative image of the rehabilitation system, and the concurrence with DMPs.
Conclusion: Poor accessibility of general practitioners regarding questions of medical rehabilitation is well-known from numerous earlier research projects. Satisfying integration of physicians could not be reached, although the approach of needs assessment seems to be promising. Further research should focus on how the urgently required cooperation could be achieved.
Schlüsselwörter
Rehabilitationsbedarf - Rehabilitationszugang - Hausärzte - Checkliste
Key words
rehabilitation need - access to rehabilitation - general practitioners - checklist