Einleitung
Einleitung
Glukokortikoide (GK) finden in der Medizin weitgefächerte
Anwendung. Allergische Reaktionen auf GK sind zwar selten, finden jedoch in den
letzten Jahren zunehmend Erwähnung in der internationalen Fachliteratur.
Es werden verschiedenste klinische Manifestationen beschrieben, insbesondere
urtikarielle, ekzematoide, exanthematische Reaktionen sowie Kontaktekzeme
[1]
[3]
[6]
[7]
[10]
[13]
[19]
[20]
[24]
[25]. Die Häufigkeit
für Kontaktallergien gegenüber GK wird in Deutschland zwischen
1,1 % und 3,1 % angegeben [18]. Eine amerikanische, retrospektive Studie konnte anhand
von 1188 untersuchten Patientendaten ermitteln, dass sich bei
10,69 % eine GK-Allergie mittels positiver Reaktion im
Epikutantest bestätigen ließ [7]. Eine weitere
amerikanische Arbeitsgruppe stellte anhand ihrer Daten fest, dass allergische
Reaktionen gegen GK häufiger bei Asthmatikern und nierentransplantierten
Patienten zu beobachten waren [17]. In unserem Beitrag
berichten wir über eine Spättypallergie gegenüber
Prednisolonacetat, die sich klinisch als generalisiertes, urtikarielles,
stammbetontes Exanthem darstellte.
Anamnese
Anamnese
Wegen degenerativer HWS-Symptomatik erfolgte bei der
66-jährigen Patientin erstmalig eine paravertebrale Infiltrationstherapie
mit Carbostesin® 0,5 % (Bupivacainhydrochlorid, Fa.
AstraZeneca) und Predni 25 mg Lichtenstein N® (Prednisolonacetat, Zusatzstoffe: Benzylalkohol, Polysorbat
80), Zellulosederivate waren nicht enthalten. Am Abend nahm die Patientin
zusätzlich Tetrazepam AbZ® (Tetrazepam, Myotonolyticum) ein. Ca. 24
Stunden später kam es zur Ausbildung eines generalisierten, urtikariellen
Exanthems, dabei handelte es sich um eine Erstmanifestation derartiger
Hautveränderungen. Die Patientin stellte sich noch am gleichen Tag
ambulant hautärztlich vor. Es wurde ein systemisches Antihistaminikum
(Levocetirizin, 1× täglich per os) verordnet. Nach dreitägiger
Therapie war die Patientin frei von Hauterscheinungen. Die erstmalige
Vorstellung in unserer Hautklinik fand Wochen danach statt.
Anamnestisch waren laut vorgelegtem Allergiepass aus dem Jahr 2001
Spättypsensibilisierungen gegenüber Cetylstearylalkohol, Benzocain,
Duftstoffmix, Perubalsam und Parabenmix bekannt. Bisherige
Steroid-Applikationen waren nicht erinnerlich.
Lokalanästhetika-Applikationen erfolgten zuvor im Rahmen
zahnärztlicher Behandlungen mit Septanest® mit Adrenalin
1/200 000
(Articainhydrochlorid + Epinephrinhydrogentartrat) sowie mit
Xylonest® 2 % (Prilocainhydrochlorid) im Rahmen einer
Lipom-Exzision 2004. Diese wurden komplikationslos vertragen.
Wegen einer arteriellen Hypertonie wurde seit dem 24.11.2008 eine
antihypertensive Therapie mit Kinzalkomb® 80/12,5 mg (Telmisartan
+ Hydrochlorothiazid) und Amlodipin STADA® 10 mg
durchgeführt.
Allergologische Untersuchungsbefunde
Allergologische Untersuchungsbefunde
Im Pricktest mit den DKG Testreihen für Lokalanästhetika,
Konservierungsstoffe der Lokalanästhetika inklusive Tetrazepam,
Prednisolon, Polysorbat 80, zwei kommerziellen Latexextrakten und
Maisstärke fanden sich keine positiven Reaktionen. Im Epikutantest mit den
DKG Testreihen für Lokalanästhetika, Konservierungsstoffe der
Lokalanästhetika inklusive Tetrazepam, Prednisolon und Polysorbat 80 fand
sich eine einfach positive Reaktion gegenüber Prednisolon nach 48 h
mit einem Crescendo in der 72-h-Ablesung ([Abb. 1]).
Abb. 1 Epikutantest mit
positiver Reaktion gegenüber Prednisolon nach 48 h (links) sowie
ein Crescendo nach 72 h (rechts) mit vergrößertem Ausschnitt
und Darstellung der chemischen Strukturformel für Prednisolon (Mitte).
Aufgrund der positiven Reaktion gegenüber Prednisolon
führten wir eine Prick- und Epikutantestung mit der DKG Testreihe für
Kortikosteroide inklusive Difluocortolon und Fluocortolon, exklusive
Prednisolon durch, um Alternativen für die Provokationstestung zu finden.
Im Pricktest fand sich nach 20 Minuten jeweils ein diskretes erythematöses
Infiltrat in den Testreihen für Hydrocortison und Budesonid, welches wir
abschließend negativ bewerteten ([Abb. 2]).
Im Epiktantest war eine einfach positive Reaktion gegenüber Budesonid nach
48 h nachweisbar, die ein diskretes Crescendo nach 72 h aufwies
([Abb. 3] u. [4]).
Abb. 2 Pricktest der
Kortikosteroid-Reihe mit diskretem erythematösem Infiltrat in den
Testreihen für Hydrocortison und Budesonid.Testfeld 1:
Hydrocortison.Testfeld 10: Budesonid.
Abb. 3 Epikutantest der DKG
Kortikosteroid-Reihe inklusive Difluocortolon und Fluocortolon mit einfach
positiver Reaktion gegenüber Budesonid nach 48 h.
Abb. 4 Diskretes Crescendo
gegenüber Budesonid nach 72 h mit vergrößertem
Ausschnitt (links).
Provokationstestung
Provokationstestung
Wir führten Provokationstestungen mit Carbostesin®
0,5 % (Fa. AstraZeneca) bis zu einer Gesamtdosis von
19 mg = 3,8 ml subkutan und mit
Tetrazepam® AbZ bis zu einer Gesamtdosis von 50 mg per os mit einem
jeweiligen Überwachungszeitraum von 24 Stunden durch. Beide Präparate
wurden komplikationslos vertragen.
Ausweichtestung
Ausweichtestung
Wir entschlossen uns, Ausweichtestungen mit einem Lokal-, Oral-
sowie injizierbarem Steroid durchzuführen. Die Klassifikation von
Glukokortikoiden in Bezug auf Kreuzreaktionen nach Dooms-Goosens
berücksichtigend, wählten wir GK der Gruppen C (Methylsubstitution an
C16, keine Seitenkette an C17, möglicherweise eine Seitenkette an C21) und
D1 (Methylsubstitution an C16, Estergruppe an C17, oft an C21 ebenso) aus
[8]. Prednisolon gehört wie auch Hydrokortison der
Gruppe A (keine Methylsubstitution an C16, keine Seitenkette an C17,
möglicherweise kurze Seitenkette an C21), Budesonid der Gruppe B
(Cis-diol-oder ketal-Funktion an C16 und C17, möglicherweise eine
Seitenkette an C21) an.
Ein offener, wiederholter Anstrich (ROAT) mit Betamethasonvalerat
(Betagalen® Salbe, Fa. Galen, Gruppe D1) zeigte weder Sofort- noch
Spättypreaktionen.
Die orale Expositionsausweichtestung mit Fluocortolon
(Ultralan®-oral-5-Tbl., Fa. Schering, Gruppe C) bis zu einer
therapeutischen Gesamtdosis von 80 mg per os wurde komplikationslos
vertragen.
Ebenso wurde die subkutane Expositionsausweichtestung mit
Diprosone® Depot (Betamethason, Fa. pharma essex, Gruppe C) bis zu einer
therapeutischen Gesamtdosis von
3,5 mg = 0,5 ml ohne lokale oder systemische
Reaktionen toleriert.
Somit standen die exponierten Präparate für
zukünftige Bedarfsanwendungen zur Verfügung.
Diagnose
Diagnose
-
Urtikarielle Spättypreaktion auf Prednisolonacetat
(Kortikosteroidgruppe Gruppe A)
-
Nebenbefundlich Spättypsensibilisierung gegenüber
Budesonid (Kortikosteroidgruppe Gruppe B)
-
Vorbekannte Spättypsensibilisierung gegenüber
Cetylstearylalkohol, Benzocain, Parabenmix, Duftstoffmix, Perubalsam
Diskussion
Diskussion
Die Inzidenz von Kontaktallergien gegenüber Glukokortikoiden
belief sich als Resultat einer europäischen Multicenter-Studie (EECDRG)
aus den Jahren 1993 und 1994, an der 14 Zentren teilnahmen, auf
2,6 % [8]. Eine Multicenter-Studie der
deutschen Kontaktallergiegruppe aus dem Jahr 1997, an der 10 Zentren beteiligt
waren, ergab eine Inzidenz von 1,1 % [18].
Berücksichtigt man die Klassifikation der Glukokortikoidkontaktallergien
nach Dooms-Goosens aus dem Jahr 2000 [11] ([Tab. 1]), so werden 5 verschiedene Gruppen
hinsichtlich ihrer chemischen Struktur unterschieden, wobei insbesondere 3
Kohlenstoffatome (C16, C17, C21) und deren Konfiguration (kurze oder lange
Seitenkette, Methylgruppe, Veresterung) bedeutsam sind [10]. Die Unterteilung erfolgt in die Gruppe A –
Hydrocortison-Typ, Gruppe B – Acetonide, Gruppe C –
Betamethason-Typ, nicht verestert sowie in die Ester-Gruppen D1 (halogeniert
und Methylsubstitution an C16) und D2 (labile Ester ohne Methylsubstitution an
C16) [11]. Innerhalb der einzelnen Gruppen sind
Kreuzreaktionen sechs- bis siebenmal häufiger als zwischen den Gruppen
[19].
In Bezug auf Budesonid werden nicht nur gehäuft Kreuzreaktionen
auf Glukokortikoide der eigenen Gruppe B, wie Amcinonid, Desonid,
Fluocinolon-Acetonid und Triamcinolon-Acetonid, sondern auch gegenüber der
Ester-Gruppe D beobachtet [19]. Diese Beobachtung
ließe sich durch die einzigartige molekulare Struktur des Budesonid mit
Vorhandensein des R- und S-Diastereomers erklären [14].
Bei unserer Patientin traf das nicht zu und die
Expositionsausweichungstestung mit dem der Estergruppe D1 zugehörigen,
lokal applizierten Betamethasonvalerat, verlief komplikationslos. Weiterhin
wurden Fluocortolon per os und Bethametason per injectionem – der Gruppe
C zugeordnet – problemlos vertragen. Hingewiesen sei darauf, dass
Betagalen® Creme im Gegensatz zur Betagalen® Salbe
Cetylstearylalkohol-haltig ist und bei vorbekannter Sensibilisierung der
Patientin, die Creme unbedingt gemieden werden muss.
Das zur paravertebralen Infiltrationstherapie applizierte Predni
25 mg Lichtenstein N® enthielt den Konservierungsstoff Benzylalkohol
sowie den Emulgator Polysorbat 80 (E 433). Im Prick- und Epikutantest blieben
beide Substanzen negativ. Es muss bemerkt werden, dass sich unsere Patientin an
frühere Steroid-Applikationen nicht erinnern konnte und daher der
Zeitpunkt der Sensibilisierung unklar bleibt. Häufige Zusatzstoffe
steroidaler Zubereitungen sind Propylenglykol, Sorbitansesquioleate,
Formaldehyd-freisetzende Subsanzen, Parabene, Duftstoffe, Lanolin,
Methylchloroisothiazolinone/Methylisothiazolinone sowie Zellulosederivate
[5]. Diese sollten im Rahmen der allergologischen
Diagnostik entsprechende Berücksichtigung finden.
An der Haut hemmen GK die Proliferation von Epidermis-,
Entzündungs- und Fettgewebszellen, die Synthese von kollagenem Bindegewebe
durch Fibroblasten, die Freisetzung von spezifischen Mediatoren aus Mastzellen
sowie die Pigmentbildung durch Melanozyten [23]. Die
Anzahl der epidermalen Langerhans-Zellen wird reduziert und die Fähigkeit
zur Antigenpräsentation wird gehemmt. Die Sensibilisierungsfähigkeit
wird jedoch nicht vermindert [2]. Isaksson und seine
Arbeitsgruppe empfehlen, die Ablesung des Epikutantestes bis zum 7. Tag
durchzuführen, da sonst bis zu 30 % der
Spättypreaktionen gegenüber Glukokortikoiden versäumt werden
könnten [15].
Tab. 1 Klassifikation von Glukokortikoiden
hinsichtlich der Kreuzreaktivitäten nach Dooms-Goosens.
Klasse A Gruppe
D2 (labile Ester)
| Klasse B
| Klasse C
| Klasse D1
| Klasse
D2 Budesonid-S-Isomer, Gruppe-A-Glukokortikoide
|
Hydrocortison Methylprednisolon Methylprednisolonacetat
Prednisolon Prednisolonacetat
Tixocortolpivalat
| Amcinonid
Budesonid
Fluocinolonacetonid Fluocinonid Triamcinolon Triamcinolonacetonid
| Betamethason Desoxymethason Dexamethason Diflucortolon-21-Pentanoat Flumethason-21-Pivalat Fluocortolon Flupredniden-21-acetat
| Aclomethason-17,21-dipropionat Betamethason-17-Valerat 17,21-dipropionat Clobetasol-17-Propionat Clobetasonbutyrat Fluticason-17-Propionat Momethasonfuorat
| Hydrocortison-17-Butyrat Hycrocortison-Buteprat Methylprednisolon-Aceponat Prednicarbat
|
Fazit
Fazit
-
Schwere, therapieresistente oder unter einer
Glukokortikoid-Therapie progrediente Krankheits-Verläufe sollten immer
auch auf eine potenzielle Steroidallergie abgeklärt werden.
-
Ein urtikarielles Arzneimittelexanthem ist eine mögliche
Manifestationsform einer Spättypallergie gegenüber
Glukokortikoiden.
-
Die Ausweichtestung sollte immer ein lokales, ein orales und ein
injizierbares Glukokortikoid umfassen.
-
Unter den Glukokortikoiden haben Budesonid,
Betamethason-17-valerat, Clobetasol-17-propionat, Hydrocortison-17-butyrat und
Tixocortol-21- pivalat ein höheres allergenes Potenzial [1].