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DOI: 10.1055/s-0028-1119684
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Differenzialdiagnosen des Ulcus cruris
Differential Diagnosis of Leg Ulcers
Dr. med. Hortensia Schimpf
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrberger Straße
66424 Homburg
Email: hortensia.schimpf@uks.eu
Publication History
Publication Date:
16 March 2009 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract:
- Einleitung
- Differenzialdiagnosen
- Diagnostik
- Fazit für die Praxis
- Literatur
Zusammenfassung
Das Ulcus cruris stellt ein häufiges Krankheitsbild in der Bevölkerung der westlichen Welt dar. Bei den Betroffenen führen die chronischen, nicht heilenden Wunden zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. Zusätzlich verursachen sie beträchtliche Kosten im Gesundheitssystem. Als häufigste Ursache werden vaskuläre Grunderkrankungen mit ca. 80 – 90 % angegeben. In ca. 10 % der Fälle entsteht ein chronisches Ulcus cruris auf dem Boden seltener Erkrankungen wie beispielsweise im Rahmen von metabolischen Grunderkrankungen, Vaskulitiden, hämatologischen Erkrankungen, Gerinnungsstörungen und Infektionen aber auch als Folge verschiedenster Dermatosen, von Malignomen, exogenen Faktoren und genetischen Defekten. Die Kenntnis der vielfältigen Differenzialdiagnosen spielt bei der Diagnostik und Therapie eines chronischen Ulcus cruris eine entscheidende Rolle.
#Abstract:
Chronic ulceration of the lower leg is a frequent condition in western civilisation causing a substantial reduction of life quality in patients concerned and considerable costs for health care systems.
Although most leg ulcers (approximately 80 – 90 %) are caused by vascular disorders, rare underlying diseases may exist in approximately 10 %, e. g. metabolic diseases, vasculitis, haematological disorders, clotting disorders and infections as well as ulcerating skin diseases, malignancies, exogenous factors and genetic defects. Knowledge of these differential diagnoses is of crucial importance for applying specific diagnostic procedures and generating effective treatment strategies.
#Einleitung
Das chronische Ulkus der unteren Extremität ist ein häufiges Krankheitsbild in der Bevölkerung der westlichen Welt, das die Lebensqualität der Betroffenen in vielen Fällen deutlich einschränkt und erhebliche Kosten im Gesundheitssystem verursacht. Die Prävalenz des Ulcus cruris wird in Europa mit ca. 1 % in der erwachsenen Bevölkerung bzw. mit ca. 3 – 5 % in der Bevölkerung über 65 Jahre angenommen [1] [2] [3].
In der Ätiologie des Ulcus cruris nehmen die Gefäßerkrankungen einen wesentlichen Stellenwert ein. Als häufigste Genese wird die chronische Veneninsuffizienz mit 70 – 80 % der Fälle angegeben. In 10 % liegt eine arterielle Verschlusskrankheit zugrunde, 10 % haben einen gemischten arterio-venösen Ursprung. In 10 % der Fälle liegt allerdings eine andere Ursache vor [3] [4]. Angesichts der ätiologischen Vielfalt der Erkrankung kommt der Kenntnis und Diagnostik der relevanten Differenzialdiagnosen insbesondere bei therapierefraktären Fällen oder atypischen Verläufen eine entscheidende Rolle zu ([Tab. 1]).
#Differenzialdiagnosen
#Venöses Ulcus cruris
Das venöse Ulcus cruris entsteht auf dem Boden einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI), die wiederum hauptsächlich aus einem postthrombotischen Syndrom, einer primären Varikose oder seltener aus einer venösen Malformation resultiert. Zu den prädisponierenden Faktoren zählen u. a. ein höheres Lebensalter, genetische Faktoren, Schwangerschaft und überwiegend stehende oder sitzende Tätigkeiten. Pathogenetisch kommt es bei einer CVI durch Klappeninsuffizienz, Klappendestruktion oder -obstruktion (z. B. bei einer Thrombose) zu einer venösen Abflussstörung mit pathologischem Reflux, der eine durch das Gehen bedingte ambulatorische Hypertonie des Venensystems mit einhergehender venöser Hypervolämie der unteren Extremitäten verursacht. Es kommt zu einer morphologischen Veränderung der Hautkapillaren (Dilatation, Deformierung, Rarefizierung) mit vermehrter transendothelialer Eiweißpassage, die eine Mikrolymphangiopathie bedingt. Infolge des erhöhten Venendrucks vermindert sich der Perfusionsdruck und damit die Fließgeschwindigkeit in den Kapillaren. Leukozyten können mit dem Endothel in Kontakt treten, was zu deren Aktivierung und Induktion einer Entzündungsreaktion führt. Die chronische leukozytäre Entzündung führt zu einem protrahierten Bindegewebsumbau mit Sklerosierung der Dermis und Subkutis. Im Verlauf können auch Faszien und Ligamente von der Sklerosierung betroffen sein (funktionelles Kompartmentsyndrom, arthrogenes Stauungssyndrom). Es wird zudem angenommen, dass durch den vermehrten Austritt von Fibrinogen aus dem Kapillarraum eine perikapilläre Fibrinmanschette entsteht, die eine funktionelle Barriere für Permeabilität und Diffusion darstellt und eine lokale Hypoxie verursacht. Beide Mechanismen – Sklerose und Hypoxie – führen schließlich zur Entstehung eines venösen Ulcus cruris [3] [4] [5]. Klinisch ist das Ulcus cruris venosum durch einen Substanzdefekt in pathologisch verändertem Gewebe des Unterschenkels charakterisiert. Seine Ausprägung reicht von einer umschriebenen Ulzeration v. a. im Bereich des Innenknöchels bis zu ausgedehnten, zirkulären gamaschenartigen Ulzerationen mit Dermatolipofasziosklerose ([Abb. 1 a – c]).
#Arterielles Ulcus cruris
Das arterielle Ulcus cruris entsteht auf dem Boden einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), die in den meisten Fällen durch eine Arteriosklerose bedingt ist. Zu den häufigsten Risikofaktoren gehören Rauchen, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und Hypercholesterinämie. In Deutschland leiden etwa 20 % der über 65-Jährigen an einer pAVK, wovon aber nur ca. ein Drittel klinische Symptome ausbildet.
Kardinalsymptom vor Auftreten klinisch fassbarer Ulzerationen ist die Claudicatio intermittens. Das Ulcus cruris arteriosum entsteht vor allem an den Akren, am Unterschenkel ist meist die Region um den Außenknöchel und die Tibiakante betroffen. Die umgebende Haut fühlt sich kalt an und zeigt ein graues Kolorit. Patienten mit arteriellen Ulzera geben im Vergleich zu Patienten mit venösen Ulzerationen eine stärkere Schmerzsymptomatik an [1] [4] [6] [7].
#Hypertensives Ulcus cruris
Das Ulcus cruris hypertensivum Martorell ist eine seltene, extrem schmerzhafte Läsion mit typischer Lokalisation über der lateralen Knöchelregion. Es entsteht sekundär aufgrund einer Gewebsischämie bedingt durch einen erhöhten Gefäßwiderstand in der Folge chronisch erhöhter diastolischer Blutdruckwerte über 95 mm Hg. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer. Die meisten Patienten beschreiben das Auftreten von lividen Makulae umgeben von einem entzündlichen Randsaum, die bei Minimaltraumata spontan ulzerieren und im Zentrum eine schwärzliche Nekrose ausbilden. Die distalen Arterienpulse sind per definitionem erhalten, die Diagnose wird meist histologisch gestellt [1] [4].
#Ulcus cruris bei metabolischer Grunderkrankung
Eine Reihe von metabolischen Grunderkrankungen können zum Auftreten eines Ulcus cruris metabolicum führen, wobei der Diabetes mellitus die häufigste Ursache darstellt. Beim klassischen diabetischen Fußsyndrom kommt es zu einer peripheren senomotorischen und autonomen Neuropathie, die meist mit einer arteriellen Insuffizienz durch Arteriosklerose kombiniert ist. Hinzu kommen häufige und prolongierte Infektionen durch den chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel und eine prolongierte Wundheilung durch eine verminderte Kollagensynthese. Es resultieren trophische, kreisrunde, scharf abgegrenzte plantare Ulzera vor allem in der Mitte des Vorfußes, die durch eine neuropathisch bedingte Fehlhaltung bedingt sind (Malum perforans pedis). Nicht selten kommt es nach banalen Traumata zu einer akut auftretenden, lividroten Verfärbung und Schwellung v. a. der Akren, die in eine Nekrose und anschließend in eine feuchte oder trockene diabetische Gangrän übergehen kann [1] [4].
Die Necrobiosis lipoidica ist eine entzündliche granulomatöse Erkrankung unbekannter Ätiologie, die in Form von unregelmäßigen, gelblich-bräunlichen Hautveränderungen an den Unterschenkelstreckseiten auftritt. In ca. 60 % der Fälle ist sie mit einem Diabetes mellitus assoziiert und geht in bis zu 35 % der Fälle mit schmerzhaften, therapierefraktären Ulzerationen einher [8].
Die Calciphylaxie ist durch die Anwesenheit von Kalziumablagerungen innerhalb der Tunica media von kleinen und mittelgroßen Gefäßen mit konsekutiver Intimaproliferation definiert. Sie tritt mit einer Häufigkeit von 1 – 4 % bei Patienten mit dialysepflichtiger terminaler Niereninsuffizienz und Dysregulation des Kalzium-/Phosphatstoffwechsels auf, ist assoziiert mit einem erhöhten Parathormonspiegel im Serum und stellt eine lebensbedrohliche Erkrankung dar. Klinisch imponieren zunächst lividrote Erytheme v. a. an den unteren Extremitäten, die sich in extrem schmerzhafte chronische Ulzerationen umwandeln ([Abb. 2]) [1] [9].
Zu den selteneren Ursachen eines Ulcus cruris metabolicum gehören z. B. Hyperhomocysteinämie, Amyloidose, Morbus Gaucher, Porphyrien und Hyperurikämie.
#Ulcus cruris bei Vaskulitis
Eine Vaskulitis ist definiert als eine Entzündung von Gefäßen mit Alteration oder Zerstörung der Gefäßwand. Die Vaskulitis kann kleine, mittlere und große Gefäße des arteriellen und/ oder des venösen Systems eines jeden Organs des Körpers betreffen [10] [11]. Primäre systemische Vaskulitiden werden nach der sog. Chapel-Hill-Klassifikation eingeteilt (internationale Konsensuskonferenz von 1992) [12]. Sekundäre Vaskulitiden sind mit anderen Grunderkrankungen wie Kollagenosen, Arzneimittelreaktionen, Infektionen, rheumatischen Erkrankungen ([Abb. 3]) oder Neoplasien assoziiert [1] [4] [13] [14].
Die für den Dermatologen relevanten kutanen Vaskulitiden der kleinen und mittelgroßen Gefäße sind zwar in der Mehrzahl der Fälle auf die Gefäße der Haut begrenzt, können aber auch Vorbote oder Ausdruck einer lebensbedrohlichen Systembeteiligung sein. Ziel der Diagnostik muss daher sein, zwischen lokalisierten kutanen und systemischen Vaskulitiden mit kutaner Beteiligung zu unterscheiden. Ulcera cruris, die im Zusammenhang mit Vaskulitiden auftreten, sind oft multilokulär angeordnet und sehr schmerzhaft mit bizarren Konfigurationen und umgeben von einem lividen Erythem und Petechien [1] [4]. Persistierende oder progressive Ulzerationen auf dem Boden einer histologisch gesicherten Vaskulitis stellen neben der Therapie der ggf. zugrunde liegenden Erkrankung eine Indikation für eine immunsuppressive Therapie dar.
#Ulcus cruris bei hämatologischen Erkrankungen
Hämatologische Erkrankungen können bei der Entstehung eines Ulcus cruris eine wesentliche Rolle spielen. Sie bedingen eine Störung der Mikrozirkulation und können dadurch zu thromboembolischen Ereignissen führen, die wiederum die Entstehung von Ulzerationen meist auf dem Boden eines postthrombotischen Syndroms begünstigen. Dies ist beispielsweise der Fall bei der essentiellen Thrombozytämie, der thrombotisch thrombozytopenischen Purpura, der Polycytämia vera, Leukämien und Dyslipoproteinämien. Bei der Sichelzellenanämie hingegen, einer autosomal-rezessiven Erbkrankheit, wurde eine erhöhte Anzahl von aktivierten Endothelzellen gefunden. Es wird vermutet, dass es durch die Interaktion zwischen Sichelzellen und Endothelzellen zu einer vermehrten Expression von Adhäsionsmolekülen am Endothel kommt, was zu vermehrten thrombotischen Gefäßverschlüssen führt. Bei den hereditären Thalassämien handelt es sich um quantitative Störungen der Hämoglobinsynthese, die mit hämolytischer Anämie und Hepatosplenomegalie einhergehen. 27 % aller Patienten mit β-Thalassämie entwickeln meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr Ulzerationen insbesondere im Bereich des Malleolus medialis, deren Ursache vermutlich in einer schlechten Sauerstoffversorgung augrund der bestehenden hämolytischen Anämie liegt. Die autosomal dominant vererbte Sphärozytose führt ebenfalls zu einer hämolytischen Anämie. Ulzera der unteren Extremitäten sind seltene Komplikationen (2 %) der Sphärozytose und treten v. a. in der Innenknöchelregion bei älteren Patienten auf. Ursächlich scheint auch hier eine verminderte Sauerstoffversorgung zu sein [15] [16].
Bei der Kryoglobulinämie kommt es durch zirkulierende Kryoglobuline oder -agglutinine bei Temperaturabfall zu Präzipitation und Thrombusentwicklung. Eine Kryoglobulinämie kann nach Infektionen wie Hepatitis C oder im Rahmen von Neoplasien auftreten [4].
#Ulcus cruris bei Gerinnungsstörungen
Erkrankungen, die mit einer Hyperkoagulabilität einhergehen, können entweder indirekt in Folge einer venösen Thrombose oder direkt in Folge einer Thrombusentwicklung in kleineren Arterien, Arteriolen, Kapillaren und Venolen zur Entstehung eines Ulcus cruris führen. Zu den bisher bekannten hereditären und erworbenen Gerinnungsstörungen gehören beispielsweise das Antiphospholipid-Syndrom, Antithrombinmangel, Protein-C- oder Protein-S-Mangel, Prothrombinmutation, Mutationen von Faktor V (Leiden) oder Faktor II.
Differenzialdiagnostisch müssen Marcumar-induzierte Nekrosen oder Heparin-Nekrosen ausgeschlossen werden [1] [4] [6] [16].
#Ulcus cruris bei Pyoderma gangränosum
Das Pyoderma gangränosum ist eine nichtentzündliche, neutrophile Dermatose, die mit einer umschriebenen Gewebedestruktion einhergeht und deren Ätiologie letztlich noch ungeklärt ist. In vielen Fällen ist das Pyoderma gangränosum mit chronischen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa, Mobus Crohn, rheumatologischen Erkrankungen, myeloproliferativen Erkrankungen und Neoplasien assoziiert. Klinisch ist das Pyoderma gangränosum charakterisiert durch initiale erythematöse Papeln oder sterile Pusteln, die ulzerieren und sich rasch in große, polyzyklische, sehr schmerzhafte Ulzerationen mit unterminiertem, lividem Randsaum umwandeln. In einigen Fällen ist der Verlauf der Erkrankung selbstlimitierend und die Ulzerationen heilen nach Wochen spontan unter Narbenbildung ab. Meist aber kommt es zu einem chronisch-progredienten Verlauf, der den Einsatz von Immunsuppressiva und ggf. operativer Ulkusdeckung notwendig macht. Die Diagnose eines Pyoderma gangränosum wird klinisch gestellt, da eindeutige histologische und serologische Parameter noch nicht zur Verfügung stehen ([Abb. 4]) [1] [4] [17] [18].
#Ulcus cruris bei infektiösen Erkrankungen
Eine Reihe von Mikroorganismen haben die Fähigkeit zur nekrotischen Gewebezerstörung und können damit großflächige Ulzerationen hervorrufen. Infektionen mit dem β-hämolysierenden Streptokokkus pyogenes können unterschiedliche klinische Symptome vom Erysipel über ausgestanzte Ulzerationen (Ecthymata) bis hin zur tiefen nekrotisierenden Fasziitis mit nachfolgender Sepsis und Multiorganversagen hervorrufen.
Bei gleichzeitiger HIV-Infektion sollte differenzialdiagnostisch auch an seltene sekundär ulzerierende Infektionskrankheiten wie z. B. die ulzerierende Tuberkulose, syphillitische Gummata oder ulzerierende Herpes-simplex-Infektionen gedacht werden.
Bei kurz zurückliegenden Fernreisen sollten außerdem seltene Erreger wie z. B. die kutane Leishmaniasis, atypische Mykobakteriosen und tiefe Pilzinfektionen differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden [1] [4].
#Malignome
Die beiden häufigsten ulzerierenden Tumore der Haut sind das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom. Darüber hinaus ist die maligne Transformation auf langzeitig bestehenden Ulzerationen eine gravierende Komplikation der chronischen Wundheilungsstörung. Ulzeration und Blutung stellen oft die ersten klinischen Symptome von verschiedenen Tumoren und Metastasen dar, sodass die histologische Sicherung die wichtigste diagnostische Maßnahme darstellt [1].
#Genetische Defekte
Das Klinefelter-Syndrom (1 : 590 männliche Neugeborene) ist von den zahlreichen genetischen Erkrankungen, die mit einem Ulcus cruris einhergehen können, am besten beschrieben. Charakteristisch für das Klinefelter-Syndrom ist eine im Vergleich zur Normalbevölkerung 20-fach erhöhte Inzidenz von Phlebothrombosen. Ulzera der Unterschenkel auf dem Boden eines postthrombotischen Syndroms werden beim Klinefelter-Syndrom mit ca. 6 – 13 % angegeben. Pathogenetisch werden sowohl eine erhöhte Konzentration des Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 als auch vaskuläre Deformitäten, eine erhöhte Thrombozytenaggregation und eine erhöhte Faktor-VIII-Aktivität diskutiert.
Angeborene Defekte der Immunabwehr wie das Leukozytenadhäsionsdefizienz-Syndrom und das TAP (transporter associated with antigen presentation)-Mangel-Syndrom äußern sich an der Haut häufig durch rezidivierende abszedierende Infekte und nekrostisierende granulomatöse Läsionen mit chronisch gestörter Wundheilung [16] [19] [20].
#Exogene Faktoren
Multiple exogene Faktoren können direkt oder indirekt zur Entstehung von Ulzerationen führen. Zu den häufigsten zählt das chronische Druckulkus oder Dekubitus, dessen Prävalenz in Deutschland mit ca. 2 % der in Krankenhäusern stationär behandelten Patienten angegeben wird. Druckulzera entstehen bei dauerhaft erhöhtem Auflagedruck durch Gewebsschädigung v. a. bei hospitalisierten, dauerhaft bettlägerigen Patienten. Prädilektiosstellen sind die Ferse und die Malleolen, gefolgt von der Sakralregion und der Trochanterregion. Das Druckulkus wird in 4 Stadien eingeteilt: Stadium I: umschriebene Rötung, Haut intakt; Stadium II: Abschürfung, Blasenbildung, Epitheldefekt, Subkutis intakt; Stadium III: über Epidermis hinausreichender Defekt, Knochen intakt; Stadium IV: zusätzlich Osteomyelitis ([Abb. 5]). Durch eine konsequente Prophylaxe ist das Druckulkus fast immer vermeidbar [21] [22].
Eine seltene Nebenwirkung einer Therapie mit Hydroxyurea ist die Entwicklung von schmerzhaften Ulcera cruris vor allem im Bereich der Knöchelregion. Typischerweise entwickeln sich die Ulzerationen nicht sofort, sondern erst nach einem Intervall von 2 – 15 Jahren nach Beginn der Therapie. Die Ulzerationen gelten als sehr therapieresistent und machen häufig ein Pausieren der Therapie notwendig [1].
Weitere exogene Ursachen sind beispielsweise ionisierende Strahlung, Erfrierungen, Verbrennungen und Verätzungen.
#Diagnostik
Die vollständige und exakte körperliche Untersuchung stellt den ersten notwendigen diagnostischen Schritt in der Diagnostik von Patienten mit Ulcus cruris dar. Dabei kann die Lokalisation des Ulcus bereits erste Hinweise auf seine Genese geben. Neben einer ausreichenden Labordiagnostik (Differenzial-Blutbild, CRP, BSG, Gerinnungsstatus, HbA1c, Elektrolyte, Serumglukose, Cholesterin, Triglyceride) wird bei klinischem Verdacht auf ein Malignom oder eine Vaskulitis eine Probebiopsie empfohlen. Je nach Befund ist eine weiterführende apparative Diagnostik zu erwägen. Eine bidirektionale Doppleruntersuchung und die Bestimmung des Knöchel-Arm-Indexes gehören zur Basisdiagnostik. Zur weiterführenden Diagnostik schwerwiegender vaskulärer Erkrankungen können die Farbduplexsonografie, Angiografie und Phlebografie hinzugezogen werden.
vaskuläre Ursachen venös/arteriell lymphatisch Vaskulitis mikroangiopathisch | chronisch venöse Insuffizienz (postthrombotisches Syndrom, Varikosis, Dysplasie), periphere arterielle Verschlusskrankheit, arterielle Hypertonie, arteriovenöse Shunts, arterielle Thrombose, Thrombangitis obliterans, Gefäßmalformationen Lymphödem, Dysplasie rheumatoide Arthritis, leukozytoklastische Vaskulitis, Polyarterits nodosa, Wegener Granulomatose, Churg-Strauss-Syndrom, Erythema induratum Bazin, systemischer Lupus erythematodes, Sjögren Syndrom, Sklerodermie, Morbus Behçet Diabetes mellitus, Livedovaskulitis |
neuropathische Ursachen | Diabetes mellitus, Alkohol, Medikamente, Tabes dorsalis, Myelodysplasie, Syringomyelie, Spina bifida, Poliomyelitis, Multiple Sklerose |
metabolische Ursachen | Diabetes mellitus, Morbus Gaucher, Amyloidose, Calciphylaxie, Porphyrie, Hyperhomozysteinämie, Hyperurikämie |
hämatologische Ursachen | Sichelzellanämie, Thalassämie, Sphärozytose, Polyzythämia vera, Leukämie, Thrombozytämie, Kryoglobulinämie, Lymphome, Gerinnungsstörungen |
exogene Ursachen | Hitze, Kälte, Druck, ionisierende Strahlung, Artefakte, Chemikalien, Allergene |
Neoplasien | Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, malignes Melanom, Angiosarkom, kutanes Lymphom, Langerhanszellhistiozytose, Papillomatosis cutis carcinoides, Keratoakanthom, Metastasen |
Infektionen | Furunkel, Ecthymata, Mykobakteriosis, Syphilis, Erysipelas, Anthrax, Diphtherie, chronisch vegetierende Pyodermien, Herpesinfektionen, Varizellen, Cytomegalie, Sporotrichose, Histoplasmose, Blastomykose, Coccidiomykose, Leishmaniasis |
Medikamente | Hydroxyurea, Leflunomid, Methotrexat, Halogene, Coumarine, Vakzine, Ergotamine, Extravasate von zytostatischen Medikamenten |
genetische Defekte | Klinefelter-Syndrom, Felty-Syndrom, TAP-Mangelsyndrom, Leukozytenadhäsionsdefizienz-Syndrom, Faktor V-Mutation |
Hauterkrankungen | Pyoderma gangränosum, Necrobiosis lipoidica, Sarkoidose, perforierende Dermatose, Papulosis maligna atrophicans, bullöse Dermatosen |
Bei klinischen Zeichen einer Infektion ist eine entsprechende bakteriologische Diagnostik indiziert. Meist ist eine interdisziplinäre Kooperation für die Durchführung einer umfassenden Diagnostik erforderlich ([Tab. 2]) [1] [4].
Differenzialdiagnose | Labordiagnostik | apparative Diagnostik |
chronisch-venöse Insuffizienz | Basisdiagnostik* ggf. Thrombophilie-Screening (u. a. AT-III, Protein C, Protein S, APC-Resistenz, Mutationen von Faktor V (Leiden), Prothrombin, PAI-1-, MTHFR; Homocysteinspiegel, Antiphospholipid-AK) | DPPG, LRR, VVP Dopplersonografie (venös und arteriell) Duplexsonografie ggf. Phlebodynamometrie ggf. Phlebografie |
periphere arterielle Verschlusskrankheit | Basisdiagnostik* | Dopplersonografie einschließl. Messung der arteriellen Verschlussdrücke (TBQ) Duplexsonografie Angiografie (DSA, MR-Angio) ggf. in Interventionsbereitschaft |
Pyoderma gangränosum | Basisdiagnostik* Rheumafaktoren, Eiweiß- und Immunelektrophorese (Paraproteine), Bence-Jones-Proteine i. U. | Pathergie-Test Histologie ggf. Gastroskopie, Koloskopie ggf. Röntgen („Pariser Schema”) ggf. Knochenmarksbiopsie |
Vaskulitis | Basisdiagnostik* ANCA, ANA, ENA, dsDNA-Antikörper, zirkulierende Immunkomplexe, Komplementfaktoren, AT-III, Protein C, Protein S, Antiphospholipid-AK, Kryoglobuline, Kälteagglutinine, U-Status, Proteine i. U., Hämoccult | Histologie, direkte Immunfluoreszenz Röntgen-Thorax ggf. Nierenbiopsie bei renaler Beteiligung |
Calciphylaxie | Basisdiagnostik* Kalzium, Phosphat, Parathormon i. S. | Röntgen, Sonografie (Nachweis von Weichteilverkalkungen) |
neuropathische Ursachen | Basisdiagnostik* Transaminasen, Vitamine TPPA/TPHA | kranielles, spinales CT, MRT, ggf. Knochenmarksbiopsie |
metabolische Ursachen | Basisdiagnostik* Parathormon, Homozystein, Porphyrine, Enzymfunktionsdiagnostik | Histologie |
hämatologische Ursachen | Basisdiagnostik* Blutausstrich | ggf. Knochenmarksbiopsie |
Neoplasien | Basisdiagnostik* Tumormarker | Histologie Sonografie, Röntgen, CT, MRT |
Infektionen | Basisdiagnostik* TPPA/TPHA, ggf. weitere spez. Serologien | Erregernachweis ggf. Histologie Röntgen-Thorax, MRT |
genetische Defekte | Basisdiagnostik* PAI-1, genetische Diagnostik | |
*Differenzial-Blutbild, Serumchemie, insb. CRP, Eiweiß, Glukose, HbA1c, Blutfette, Gerinnungsstatus, bakteriologischer Abstrich. AK = Antikörper, ANA = Antinukleäre Antikörper, ANCA = Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper, APC-Resistenz = Aktiviertes Protein C-Resistenz, AT-III = Antithrombin III, BSG = Blutsenkungsgeschwindigkeit, CRP = C-reaktives Protein, DPPG = Digitale Photoplethysmografie, DSA = Digitale Subtraktionsangiografie, dsDNA = Doppelstrang DNA, ENA = Extrahierbare nukleäre Antikörper, LRR = Licht-Reflexions-Rheografie, MTHFR = Methyltetrahydrofolat-Reduktase, PAI-1 = Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1, TBQ = Tibio-brachialer Quotient, VVP = Venenverschlussplethysmografie. |
Fazit für die Praxis
Neben den häufigsten Auslösern chronischer Ulzera im Bereich der Unterschenkel wie chronisch venöse Insuffizienz, periphere Arteriosklerose und Diabetes mellitus können auch seltene Erkrankungen Ursachen für Wundheilungsstörungen darstellen. Für eine verlässliche Diagnostik v. a. therapierefraktärer und atypischer Ulcera cruris ist die Kenntnis der Differenzialdiagnosen von entscheidender Bedeutung, da eine falsche Diagnose zwangsläufig zu einer falschen Therapie führt, die ihrerseits dem Patienten schaden kann.
#Literatur
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Dr. med. Hortensia Schimpf
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Dr. med. Hortensia Schimpf
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrberger Straße
66424 Homburg
Email: hortensia.schimpf@uks.eu