Via medici 2008; 13(4): 7
DOI: 10.1055/s-0029-1192082

Hätten Sie’s gewusst? – Wie funktionieren Plazebos?

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Publication Date:
22 January 2009 (online)

Der Plazeboeffekt ist eines der mächtigsten Wirkprinzipien in der Medizin: Trotzdem umweht ihn eine Aura aus Schwindel und Zauberei. Funktionieren Plazebos nur über „Einbildung”, oder kann man ihre Wirkung auch „biochemisch” erklären? Wir sprachen mit dem Anästhesisten und Schmerzforscher Prof. Dr. med. Michael Schäfer von der Charité in Berlin.

Wie kann man die Wirkung von Plazebos erklären?

Prof. Schäfer: Einfallstor für den Plazeboeffekt in den Körper ist die Erwartung des Patienten, dass ihm das Medikament hilft. Zudem spielt der „Konditionierungseffekt” eine Rolle. Nimmt der Patient ein Medikament öfters ein, tritt der Plazeboeffekt auch dann auf, wenn er nicht mit einer Wirkung rechnet. Neurophysiologisch werden beide Mechanismen – egal ob „erwartet” oder „konditioniert” – über Transmitter vermittelt. So vermutet man, dass „Schmerz-Plazebos” die Ausschüttung von Endorphinen bewirken. Diese Annahme gründet sich darauf, dass der Endorphin-Antagonist Naloxon den Plazeboeffekt aufheben kann. Im Prinzip wird also ein Medikament einfach durch eine Art „körpereigenes Medikament” ersetzt. Das funktioniert nicht nur mit Schmerzen: Der italienische Plazeboforscher Fabrizio Benedetti hat Parkinsonpatienten Plazebos gegeben, die vorgeblich den Dopaminspiegel erhöhen. Danach war im Gehirn der Patienten der Dopaminspiegel tatsächlich erhöht. Es ist also keineswegs so, dass die Wirkung eines Plazebos nur auf Einbildung basiert.

Darf man Patienten ohne deren Wissen Plazebos verabreichen?

Prof. Schäfer: Nein. Plazebos dürfen nur im Rahmen einer von der Ethikkommission bewilligten Studie gegeben werden. Hierbei wird der Patient vorher darüber informiert, dass er möglicherweise ein Medikament bekommt, das keinen Wirkstoff enthält. Wahr ist aber auch, dass bei vielen Behandlungen eine hohe Erwartungshaltung des Patienten zur erwünschten Wirkung beiträgt, auch wenn das nicht groß thematisiert wird. Wie groß dieser Plazeboanteil an der Gesamtwirkung einer Substanz ist, lässt sich allerdings schwer berechnen. Zudem gibt es einen sogenannten „Noceboeffekt”. Manche Patienten glauben bei der Einnahme eines Medikaments so intensiv an Nebenwirkungen, dass diese wirklich eintreten oder Symptome verstärkt werden.

Funktioniert der Plazeboeffekt auch im OP?

Prof. Schäfer: Amerikanische Forscher haben untersucht, ob eine Arthroskopie bei Gonarthrose Linderung verschafft. Bei einer Patientengruppe machten sie eine Arthroskopie, bei der anderen nur zwei Schnitte am Knie. Alle Patienten bekamen eine Spinalanästhesie und konnten den Eingriff am Bildschirm verfolgen, wobei der Plazebogruppe nur eine Aufzeichnung einer OP vorgespielt wurde. Ergebnis war, dass es den Patienten, bei denen der Operateur das Gelenk gespült und von degenerativem Gewebe gesäubert hatte, nach dem Eingriff nicht entscheidend besser ging als denen, die nur einen Videofilm sahen. Das kann man jetzt so interpretieren, dass hier tatsächlich ein chirurgischer Plazeboeffekt nachgewiesen wurde. Möglicherweise hat man aber auch nur nachgewiesen, dass die Arthroskopie bei Gonarthrose nichts bringt. Darüber streiten sich die Experten …

Grübeln Sie über einer Frage, die sich mit keinem Lehrbuch beantworten lässt? Schicken Sie uns Ihre Frage an: via.medici@thieme.de. Die interessantesten Fragen werden hier beantwortet.

Weitere Infos: M. Schaefer, J. Oeltjenbruns: „Klinische Bedeutung des Plazeboeffekts”. Der Anästhesist 2008; 57: 447–463.