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DOI: 10.1055/s-0029-1214735
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Atypische Mykobakteriosen der Haut[*]
Neue Aspekte
Atypical Mycobacterial Infections. New
Aspects
Dr. med. Lutz-Uwe Wölfer
Chefarzt der Hautklinik am Städtischen Klinikum
Görlitz
Girbigsdorfer Straße
1 – 3
02828 Görlitz
Email: woelfer.lutz-uwe@klinikum-goerlitz.de
Publication History
Publication Date:
13 May 2009 (online)
Zusammenfassung
Bis heute sind weit über 100 Arten von atypischen Mykobakterien bekannt. Sie kommen weltweit vor, zumeist als harmlose Umweltsaprophyten. Einige sind jedoch für den Menschen fakultativ pathogen und können unter anderem an der Haut chronisch verlaufende progrediente Infektionen ohne spontane Heilungstendenz hervorrufen. Geschildert werden zwei typische Fälle einer Mykobakteriose der Haut, und der gegenwärtige Stand zur Diagnostik und Therapie wird erörtert. Darüber hinaus wird auf Fälle aus der Literatur verwiesen, bei denen atypische Mykobakteriosen der Haut sowohl infolge schönheitschirurgischer Eingriffe wie Fettabsaugungen und Gesichtsstraffungen als auch nach endoskopischen Operationen und im Zusammenhang mit Akupunkturbehandlungen zunehmend beobachtet wurden.
#Abstract
More than 100 species of nontuberculous atypical mycobacteria have been described. Most of them are harmless environmental saprophytes, however, some species may be the cause of chronic progressing skin infections, without any tendency to clear spontaneously. Two typical cases are described here, and the current diagnostic and therapeutic procedures to manage skin infections with atypical mycobacteria are discussed. In addition, numerous cases of skin infections with these agents described in the literature are referred, developed after plastic surgery, liposuction, endoscopy, insulin injections and acupuncture.
#Einleitung
Atypische Mykobakterien sind weltweit vorkommende, sehr umweltstabile Mikroorganismen. Sie sind sehr artenreich und leben als aerobe, unbewegliche, zumeist harmlose Umweltsaprophyten sowohl in Erdböden sowie in Gewässern und sind auch im Tierreich anzutreffen. Bis heute sind weit über 100 Spezies bekannt. Eine Auswahl von medizinisch relevanten atypischen Mykobakterien zeigt [Tab. 1] [1]. Bis heute wird die mittlerweile 60 Jahre bestehende Einteilung nach Runyon verwendet, bei der das Pigmentierungsverhalten (lichtabhängig oder lichtunabhängig) und die Wachstumsgeschwindigkeit als Charakteristika zugrunde liegen [2]. Jedoch gewinnen biochemische und molekularbiologische Einteilungsmerkmale zunehmend an Bedeutung.
I.
Photochromogene atypische Mykobakterien (Pigmentbildung unter
Licht)
M. marinum M. kansasii |
II.
Skotochromogene atypische Mykobakterien (Pigmentbildung ohne
Licht)
M. scrofulaceum M. szulgai |
III.
Nichtchromogene atypische Mykobakterien (keine
Pigmentbildung)
M. ulcerans M.-avium-intracellulare-Komplex M. malmoense M. xenopi |
IV.
Schnellwachsende atypische Mykobakterien (rapid growers)
M. chelonae M. fortuitum-chelonae-Komplex M. smegmatis |
Der für Mitteleuropa bedeutsamste Vertreter der atypischen Mykobakterien ist Mykobacterium marinum als Ursache des sogenannten Schwimmbadgranuloms. Der Keim ist als Besiedler von Süß- und Salzwasserfischen bekannt. Daher findet man bei M. marinum-Infektionen in bis zu 84 % der Fälle eine Assoziation mit einem Aquarium [3]. Zumeist handelt es sich um akral lokalisierte Infektionen. Der Grund hierfür liegt in der niedrigen optimalen Wachstumstemperatur für diesen Erreger, welche mit 30 – 32 °C deutlich unter der Körpertemperatur liegt. Die einzige bekannte obligat pathogene Bakterien-Spezies dieser Gruppe ist Mykobacterium ulcerans als Ursache des weit verbreiteten Buruli-Ulkus in Afrika. Weltweit besitzt diese Art die größte Bedeutung. Mykobacterium avium intracellulare ist ein weiterer Vertreter; es hat einen hohen Bekanntheitsgrad als Erreger von begrenzten inguinalen und abdominalen Lymphknotenabszessen bei schwer immunsupprimierten HIV-Patienten erlangt und kann in diesen Fällen auch zur disseminierten atypischen Mykobakteriose führen [4]. Mykobacterium chelonae scheint besonders häufig Hautinfektionen als Folge iatrogener Inokulation nach chirurgischen Prozeduren oder auch nach Insulin-Injektionen zu verursachen.
Das klinische Bild von Hautinfektionen mit den verschiedenen atypischen Mykobakterien ist vielgestaltig. Unabhängig von der Morphe der Einzelläsion handelt es sich in den allermeisten Fällen um sich langsam oft über viele Monate entwickelnde chronisch progrediente Entzündungen. Eine erfolgreiche Diagnostik erfordert den klinisch differenzialdiagnostischen Anfangsverdacht und die sich daraus ableitende gezielte Fragestellung sowohl an den Histologen als auch an das mikrobiologische Labor. Die besondere Problematik soll durch zwei eigene Fälle veranschaulicht werden.
#Kasuistiken
#Fall 1
Eine 68-jährige Patientin berichtete Ende 2005, dass seit März desselben Jahres nacheinander binnen mehrerer Monate asymptomatische entzündliche Knoten am linken Handgelenk aufgetreten waren. Die nach 2 Monaten zu beobachtende progrediente Ausbreitung auf den li. Unterarm führte zu einer ambulanten Therapie mit Doxycyclin 100 mg 1 × tgl. über 18 Tage. Ein zuvor entnommener Abstrich auf Erreger zeigte keinerlei Wachstum und blieb steril. Eine sich anschließende systemische Steroidtherapie mit initial 50 mg Prednisolon führte zu vorübergehender partieller Besserung. Während der Dosisreduktion auf 20 mg nach 2 Wochen folgte ein promptes Rezidiv, woraufhin die Patientin in unserer Sprechstunde vorstellig wurde. Der geschilderte Verlauf, die Morphe der Einzelläsionen und die asymmetrische Manifestation an nur einer Extremität führten zur differenzialdiagnostischen Berücksichtigung einer atypischen Mykobakteriose. Die Frage nach einem Aquarium wurde bejaht, woraufhin eine diagnostische Exzision eines Knotens vom linken Handgelenk erfolgte.
#Klinischer Befund
Es fanden sich mehrere entzündliche erythematöse bis livide etwa 1 cm große asymptomatische Knoten am dorsalen linken Handgelenk mit sporotrichoider Ausbreitung auf den linken Unterarm ([Abb. 1] u. [2]). Schmerzen oder Juckreiz wurden von der Patientin verneint. Allgemeine Krankheitszeichen, sonstige Symptome und Beschwerden fielen bei der Untersuchung nicht auf.


Abb. 1 Atypische Mykobakteriose mit multiplen typischen Papeln z. T. in sporotrichoider Anordnung (Fall 1).


Abb. 2 Typische entzündlich livide Papel bei atypischer Mykobakteriose, mit Schuppenkrusten belegt und angedeuteter randständiger Erosion (Vergrößerung aus [Abb. 1].
Histologie
In der HE-Färbung findet sich ein granulomatöses Infiltrat mit zahlreichen kleinherdigen Epitheloidzellgranulomen vom tuberkuloiden Typ mit mehrkernigen Riesenzellen vom Langerhans- als auch vom Fremdkörpertyp. In der Ziehl-Neelsen-Färbung konnten einzelne säurefeste Stäbchen nachgewiesen werden.
#Kultur
Kein Wachstum von Erregern.
#Therapie und Verlauf
In Zusammenschau von Anamnese, klinischem Befund, dem granulomatösen Infiltrat und dem erfolgten Nachweis säurefester Stäbchen in der histologischen Spezialfärbung bestand kein Zweifel an der Diagnose einer atypischen Mykobakteriose. Therapeutisch wurden alle entzündlichen Knoten in Lokalanästhesie chirurgisch exzidiert. Anschließend erfolgte eine systemische antibiotische Therapie mit Clarithromycin 2 × 500 mg tgl. per os über 6 Wochen. Im Rahmen einer zwei Jahre währenden Nachbeobachtung blieb die Patientin ohne klinische Hinweise auf ein Rezidiv.
#Fall 2
Im Mai 2007 stellte sich ein 54-jähriger Patient ambulant bei uns vor und klagte über einen sich seit 7 Monaten langsam entwickelnden entzündlichen Hautbezirk am rechten Handrücken, welcher sich stetig weiter ausbreitete und inzwischen auch leicht schmerzhaft geworden war. Diverse Externa und auch einzelne vom Hausarzt des Patienten verordnete systemische kurzzeitige Antibiotikagaben waren nach Patientenaussage ohne erkennbaren Effekt auf den progredienten Verlauf der beklagten Hauterkrankung. Bei Erstvorstellung in unserer Ermächtigungssprechstunde gab der Patient an, dass er zu Ostern 2006, 4 Monate vor Auftreten der ersten Hautveränderung, eine Verletzung am Stachel eines Igels erlitten hatte. Die Frage nach einem Aquarium in der häuslichen Wohnung wurde auch von diesem Patienten bejaht. Zur histologischen Diagnostik und für die Erregerkultur wurden mehrere 6 mm-Stanzbiopsien entnommen.
#Klinischer Befund
Im Bereich des rechten Handrückens über den Metacarpophalangeal-Gelenken IV und V fand sich ein über ca. 8 – 10 cm großes entzündliches schuppig-krustiges, z. T. keratotisches Hautareal, welches bei Berührung und bei Faustschluss leicht schmerzte. Darüber hinaus fiel auf, dass der Bezirk bei dem Versuch einzelne Schuppenkrusten zu entfernen als sehr vulnerabel imponierte ([Abb. 3]).


Abb. 3 Mykobacterium-marinum-Infektion (Fall 2) bei einem Aquariumbesitzer vor der Therapie.
Histologie
Akanthotische und stellenweise papillomatös verbreiterte Epidermis. Mäßig dichtes, gemischtes, vorwiegend mononukleäres entzündliches Infiltrat mit fokal auch ungeordneten Riesenzellen vom Fremdkörpertyp. In der Auramin- und Ziehl-Neelsen-Färbung kein Nachweis von säurefesten Stächen.
#Kultur
Nachweis von Mykobacterium marinum.
#Therapie und Verlauf
Nach Diagnosesicherung eines Schwimmbadgranuloms durch den kulturellen Nachweis von Mykobacterium marinum erfolgte eine kombinierte Therapie mit Minocyclin 2 × 50 mg tgl. über 3 Monate in Kombination mit einer Kryotherapie. Letztere erfolgte mit flüssigem Stickstoff 1 × monatlich im Sprühverfahren mittels CRY-AC, wobei zwei Gefrierzyklen pro Sitzung von jeweils 40 Sekunden mit zwischenzeitlichem Auftauen von 5 Minuten durchgeführt wurden. Nach 3 Monaten wurde die Therapie bei noch geringem Resterythem beendet. Nach weiteren 3 Monaten fand sich schließlich eine vollständige Abheilung ([Abb. 4]). Während weiterer 12 Monate Nachbeobachtung ergaben sich klinisch keinerlei Hinweise auf ein Rezidiv.


Abb. 4 Abheilung (Fall 2) nach 3-monatiger Therapie mit Minocyclin und dreimaliger Kryotherapie
Diskussion
Die zwei geschilderten Fälle zeigen auf, dass die Diagnostik und die Behandlung von atypischen Mykobakteriosen der Haut anspruchsvoll sind und qualifiziertes erfahrenes ärztliches Handeln erfordern. Zwischen der Erstmanifestation der oft unspezifischen Hautveränderungen ([Tab. 2]) und der Diagnosesicherung liegen nicht selten mehrere Monate oder mehr als ein Jahr, zumal diese Infektionskrankheit an der Haut keine oder nur geringe Beschwerden verursacht. Viele Patienten bagatellisieren die Erkrankung, hoffen auf Spontanheilung und werden nicht selten erst nach monatelangem progredienten Verlauf mit mehreren uneffektiven Behandlungsversuchen bei einem Dermatologen vorstellig.
Entzündliche kutane Knoten und Plaques |
Entzündlich schuppende Herde (z. T. keratotisch oder verruciform) |
Papulopusteln |
Abszesse (hautnahe Lympknoten) |
Fisteln |
Ulzerationen |
Sporotrichoide Ausbreitung entlang der Lymphbahnen |
Das klinische Bild und der langsame chronische fortschreitende Verlauf asymmetrischer entzündlicher Papeln und Plaques, welche sich asymptomatisch bevorzugt an den Akren der Extremitäten entwickeln, sollte an eine atypische Mykobakteriose denken lassen. Bei sporotrichoidem klinischem Bild ist die Verdachtsdiagnose einfach zu erheben.
Besteht der Verdacht auf eine atypische Mykobakteriose, ist die Diagnosesicherung unabdingbare Voraussetzung für eine wirksame und konsequente Behandlung, zumal die notwendige systemische Therapie über mehrere Monate durchzuführen ist und potenzielle Nebenwirkungen gegen den erwarteten Behandlungserfolg abzuwägen sind. Die Sicherung der Diagnose erfolgt einerseits durch die Histologie, wobei das granulomatöse typische Entzündungsinfiltrat hinweisend ist und der Erregernachweis säurefester Stäbchen mittels Spezialfärbung versucht werden sollte. Darüber hinaus muss die klinische Verdachtsdiagnose durch die mikrobiologische Anzüchtung und den nachfolgenden Erregernachweis bestätigt werden. Für beide Untersuchungen ist es empfehlenswert, mittels scharfer Exzision zwei ausreichend große Gewebsstücke unter Einbeziehung tieferer Hautschichten zu gewinnen. Fall 2 zeigt, dass eine Stanzbiopsie zur histologischen Untersuchung nicht unbedingt repräsentativ ist, und ohne den erfolgten Erregernachweis in der Kultur wäre die Diagnose ungesichert geblieben.
Die Histologie zeigt im Frühstadium ein gemischtzelliges Entzündungsinfiltrat mit neutrophilen Granulozyten. Bei älteren Läsionen findet man ein zunehmend diffuses granulomatöses Infiltrat mit Epitheloid- und Riesenzellen und ggf. auch zentralen Nekrosen. Die Epidermis ist akanthotisch verbreitert und papillomatös. Der Erregernachweis mittels Ziehl-Neelsen- bzw. Auramin-Färbung misslingt meistens wegen der geringen Zahl der atypischen Mykobakterien. Am ehesten gelingt dies noch bei frischen Läsionen [5] [6] [7]. Der Versuch, säurefeste Stäbchen histologisch nachzuweisen, sollte nicht unterlassen werden. Immerhin war dies im Fall 1 erfolgreich gelungen.
Für eine erfolgversprechende Erregerkultur benötigt auch das mikrobiologische Labor wichtige Hinweise zu Verlauf, Befund und die daraus folgende Verdachts- bzw. Differenzialdiagnose. Ohne entsprechende Angaben wird die Keimanzucht infolge inadäquater Kulturbedingungen häufig misslingen. Beispielsweise wird bei Verdacht auf eine M. marinum-Infektion neben der mehrmonatigen Wachtumskultur die Temperatur auf das Optimum von 30 bis 32 °C eingestellt. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass ohne klinische Verdachtsdiagnose weder vom Histopathologen noch vom mikrobiologischen Labor ein diagnostisch eindeutiges und rasch zur Diagnose führendes Resultat erwartet werden kann.
Die Therapie der atypischen Mykobakteriosen an der Haut richtet sich nach dem Stadium, dem Ausbreitungsgrad, der Lokalisation und der Immunkompetenz bzw. Immundefizienz des betroffenen Patienten. Prinzipiell stehen die in [Tab. 3] aufgelisteten Optionen zur Verfügung.
Chirurgische Exzision |
Kryotherapie |
Antibiotische
Monotherapie Clarithromycin 2 × 500 mg tgl. Minocyclin 2 × 50 mg tgl. Trimethoprim/Sulfamethoxazol 2 × 160/800 mg tgl. |
Antibiotische
(antituberkulöse) Kombinationstherpie INH, Rifampicin, Pyrazinamid (analog TBC) oder Kombinationen gemäß Resistenztestung |
Bei entsprechender Lokalisation bietet sich für einzelne oder wenige Hautveränderungen die vollständige chirurgische Exzision an, wie es im Fall 1 beschrieben wurde. Eine adjuvante antibiotische Therapie mit Minocyclin 2 × 50 mg oder Clarithromycin 2 × 500 mg p. o. über ca. 6 Wochen erscheint empfehlenswert. Kommt ein operatives Vorgehen wegen der problematischen Lokalisation einzelner Herde nicht in Betracht, wie dies im 2. Fall vorlag, so empfiehlt sich die antibiotische Monotherapie mit Minocyclin 2 × 50 mg über mindestens 3 Monate in Kombination mit einer Kryotherapie. Da ein Erreger-Resistogramm erst nach mehrmonatiger kultureller Anzucht erwartet werden kann, ist eine gezielte Antibiotikagabe als First-line-Therapie unmöglich. Bei Therapieversagen kann im zweiten Behandlungsversuch eine resistogrammgerechte Antibiotikagabe erfolgen. In jedem Fall sollte die antibiotische Medikation die vollständige Abeilung aller Herde um mindestens 4 Wochen überdauern. Die Kryotherapie kann im monatlichen Abstand öfter wiederholt werden. Kombinationstherapien, wie sie auch für die Behandlung der Tuberkulose vorgesehen sind, bleiben therapieresistenten Fällen, disseminierten systemischen Mykobakteriosen und Infektionen bei immunsupprimierten Patienten vorbehalten.
#Neuere Aspekte
Seit über 20 Jahren finden sich in der Literatur zunehmend Fälle, bei denen über atypische Mykobakteriosen nach medizinischen Behandlungen berichtet wird [8] [9]. Sowohl Insulin-Injektionen, Elektromyografien, Laparoskopien, plastisch chirurgische Eingriffe und auch Akupunktur-Prozeduren führen hierbei offensichtlich zur Inokulation von Erregern und zur manifesten Infektion mit atypischen Mykobakterien. M. chelonae scheint als Erreger hierbei eine herausragende Relevanz zu besitzen [10] [11] [12]. Die besondere Stabilität und Resistenz der atypischen Mykobakterien wird besonders bei einem Fall deutlich, wo kontaminierte Gentiana-Violett-Lösung als Infektionsquelle identifiziert werden konnte [13]. Verwendung fand diese als Markierung vor einem plastisch chirurgischem Eingriff. Ebenso sind einzelne Fälle wiederholt beschrieben, wo sich Mykobacterium chelonae-Infektionen an der Haut nach Insulin-Selbstinjektion bei einem Diabetiker manifestierten [14].
Eine Ursache hierfür dürfte die ausgesprochene Umweltresistenz der atypischen Mykobakterien sein. Durch ihren bakteriellen Bau und ihre besonders resistente Zellwand können sie selbst flüchtige oder unvollständige Sterilisiationsprozeuren überleben und bleiben im Falle einer Inokulation infektiös.
Die enorme Zunahme von Schönheitsoperationen wie face-lifts und Fettabsaugungen ebenso wie die Ausdehnung laparoskopischer diagnostischer und therapeutischer Eingriffe vor allem auch zunehmend im ambulanten Bereich unterstreichen vor dem Hintergrund der immer wieder berichteten Fälle die Bedeutung der typischen Mykobakteriosen an der Haut. Ob der immer umfassendere therapeutische Einsatz von „Biologicals” mit ihrer immunmodulierenden und zumindest auch partiell immunsupprimierenden Wirkung zu einer Häufung atypischer Mykobakteriosen an der Haut führt, bleibt abzuwarten. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist in der Literatur hierüber kein Fall bekannt geworden. Dennoch bleibt die atypische Mykobakteriose an der Haut mit ihrem variablen klinischen Bild eine wichtige Differenzialdiagnose.
#Literatur
- 1 Orfanos C, Garbe C. Therapie der Hautkrankheiten. 2. Aufl. Heidelberg; Springer 2002
- 2 Runyon E. Anonymous mycobacteria in pulmonary disease. Med Clin North Am. 1959; 43 273-290
- 3 Streit M, Bregenzer T, Heinzer I. Hautinfektionen durch atypische Mykobakterien. Hautarzt. 2008; 59 59-71
- 4 Horsburgh Jr C R. The pathophysiology of disseminated Mycobacterium avium complex disease in AIDS. J Infect Dis. 1999; Suppl 3 461-465
-
5 Tronnier M, Wolff H H.
Dermatosen mit granulomatöser Entzündung. In: Kerl H, Garbe C, Cerroni L, Wolff HH (Hrsg). Histopathologie der Haut. Heidelberg; Springer 2003 - 6 Santa Cruz D, Strayer D. The histologic spectrum of the cutaneous mycobacterioses. Hum Pathol. 1982; 13 485-495
- 7 Travis W, Travis L, Roberts G, Su D, Weiland L. The histopathologic spectrum of mycobacterium marinum infection. Arch Pathol Lab. 1985; 109 1109-1113
- 8 Kelly S. Multiple injection abscesses in a diabetic caused by Mycobacterium chelonae. Clin Exp Dermatol. 1987; 12 236-238
- 9 Nolan C, Hashisaki P, Dundas D. An outbrake of soft-tissue infection due to Mycrobacterium fortuitum associated with electromyography. J Infect Dis. 1991; 163 1150-1153
- 10 Meyers F. An outbrake of Mycobacterium chelonae infection following liposuction. Clin Infect Dis. 2002; 34 1500-1507
- 11 Woo H. Relatively alcohol-resistent Mycobacteria are emerging pathogens in patients receiving acupuncture treatment. J Clin Microbiol. 2002; 40 1219-1224
- 12 Rodrigues G. Nosocomial Mycobacterium chelonae infection in laparoscopic surgery. Infect Control Hosp Epidemiol. 2001; 22 474-475
- 13 Safranek T, Jarvis W, Carson L. Mycobacterium chelonae wound infections after plastic surgery employing contaminated gentian violet skin-marking solution. N Engl J Med. 1987; 317 197-201
- 14 Finucane M. Insulin Injection abscesses caused by mycobacterium chelonae. Diabetes care. 2003; 26 2483-2484
1 Dem 10-jährigen Jubiläum der Berliner Stiftung für Dermatologie, anlässlich des Symposiums im Mai 2009 gewidmet.
Dr. med. Lutz-Uwe Wölfer
Chefarzt der Hautklinik am Städtischen Klinikum
Görlitz
Girbigsdorfer Straße
1 – 3
02828 Görlitz
Email: woelfer.lutz-uwe@klinikum-goerlitz.de
Literatur
- 1 Orfanos C, Garbe C. Therapie der Hautkrankheiten. 2. Aufl. Heidelberg; Springer 2002
- 2 Runyon E. Anonymous mycobacteria in pulmonary disease. Med Clin North Am. 1959; 43 273-290
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5 Tronnier M, Wolff H H.
Dermatosen mit granulomatöser Entzündung. In: Kerl H, Garbe C, Cerroni L, Wolff HH (Hrsg). Histopathologie der Haut. Heidelberg; Springer 2003 - 6 Santa Cruz D, Strayer D. The histologic spectrum of the cutaneous mycobacterioses. Hum Pathol. 1982; 13 485-495
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- 11 Woo H. Relatively alcohol-resistent Mycobacteria are emerging pathogens in patients receiving acupuncture treatment. J Clin Microbiol. 2002; 40 1219-1224
- 12 Rodrigues G. Nosocomial Mycobacterium chelonae infection in laparoscopic surgery. Infect Control Hosp Epidemiol. 2001; 22 474-475
- 13 Safranek T, Jarvis W, Carson L. Mycobacterium chelonae wound infections after plastic surgery employing contaminated gentian violet skin-marking solution. N Engl J Med. 1987; 317 197-201
- 14 Finucane M. Insulin Injection abscesses caused by mycobacterium chelonae. Diabetes care. 2003; 26 2483-2484
1 Dem 10-jährigen Jubiläum der Berliner Stiftung für Dermatologie, anlässlich des Symposiums im Mai 2009 gewidmet.
Dr. med. Lutz-Uwe Wölfer
Chefarzt der Hautklinik am Städtischen Klinikum
Görlitz
Girbigsdorfer Straße
1 – 3
02828 Görlitz
Email: woelfer.lutz-uwe@klinikum-goerlitz.de


Abb. 1 Atypische Mykobakteriose mit multiplen typischen Papeln z. T. in sporotrichoider Anordnung (Fall 1).


Abb. 2 Typische entzündlich livide Papel bei atypischer Mykobakteriose, mit Schuppenkrusten belegt und angedeuteter randständiger Erosion (Vergrößerung aus [Abb. 1].


Abb. 3 Mykobacterium-marinum-Infektion (Fall 2) bei einem Aquariumbesitzer vor der Therapie.


Abb. 4 Abheilung (Fall 2) nach 3-monatiger Therapie mit Minocyclin und dreimaliger Kryotherapie