Kernaussagen
Guillain-Barré-Syndrom
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine akut auftretende Entzündung der Nervenwurzeln und peripheren Nerven, die zwar meist einige Tage nach einem Infekt auftritt, selbst aber nicht infektiös bedingt ist. Die Vitalfunktionen bleiben relativ lange grenzwertig kompensiert, doch die Erschöpfung der Reserven kann sehr plötzlich eintreten. Daher ist eine engmaschige Überwachung auf der Intensivstation unbedingt ratsam.
Zur Bestätigung der Diagnose ist eine neurophysiologische Untersuchung der peripheren Nervenleitung erforderlich. Die Liquoruntersuchung dient dem Ausschluss anderer Ursachen der Nervenlähmungen.
Steroide sind beim GBS unwirksam. Die Therapie stützt sich auf die Plasmapherese oder die Gabe polyvalenter 7S-Immunglobuline (IVIG). Die Behandlung sollte nicht erst bei drohender Ateminsuffizienz eingeleitet werden, sondern bereits dann, wenn der Patient keine 5 m mehr alleine gehen kann. Die Prognose des GBS ist ernst. 15% der Patienten erlangen nach 1 Jahr die Gehfähigkeit nicht wieder.
Myasthene Krise
Der Myasthenia gravis liegt eine Störung der neuromuskulären Übertragung durch Azetylcholin (ACh) zugrunde, was zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche führt.
Grund für eine intensivmedizinische Behandlung ist die myasthene Krise, bei der die Grunderkrankung oft bereits bekannt ist. Bei Unklarheiten kann die Verdachtsdiagnose durch einen ACh-Esterasehemmer-Test oder elektrophysiologisch erhärtet werden. Die Labordiagnostik ist für die Akutsituation zu zeitaufwendig. Differenzialdiagnostisch am wichtigsten sind die Intoxikation mit einem ACh-Esterase-Hemmer und der Botulismus.
Bei der myasthenen Krise ist eine engmaschige Überwachung erforderlich, um Warnzeichen einer drohenden Ateminsuffizienz rechtzeitig zu erkennen. Die Therapiemaßnahmen neben der Beatmung sind die Gabe eines ACh-Esterasehemmers und Plasmapherese oder Immunadsorption, kombiniert mit der Einleitung einer immunsuppressiven Behandlung. Glukokortikoide können die Symptomatik aber vorübergehend verschlechtern – daher Vorsicht bei schwer betroffenen, aber noch nicht beatmungspflichtigen Patienten.
Maligne Hyperthermie und malignes neuroleptisches Syndrom
Maligne Hyperthermie. Auslöser der akut lebensbedrohlichen malignen Hyperthermie sind volatile Anästhetika oder depolarisierende Muskelrelaxanzien. Bereits im Verdachtsfall muss sofort die auslösende Substanz sofort abgesetzt werden. Nur die sofortige Gabe von Dantrolen kann den Krankheitsverlauf aufhalten. Ergänzt wird diese Erstmaßnahme durch eine weitere intensivmedizinische Behandlung zur Abwendung bzw. Behandlung eines Nierenversagens und hypoxischen Hirnödems. Außerdem muss ein Notfallausweis ausgestellt werden. Es empfiehlt es sich, die Diagnose im Intervall durch einen In-vitro-Kontrakturtest mit Koffein und Halothan an einem Muskelbiopsat zu sichern. Familienmitglieder sind über das potenzielle Narkoserisiko zu beraten.
Findet sich eine akute Rhabdomyolyse ohne die für maligne Hyperthermie charakteristische Tonuserhöhung, so handelt es sich in der Regel um eine Myopathie.
Malignes neuroleptisches Syndrom. Das meist leichter verlaufende maligne neuroleptische Syndrom kann nach der Gabe von Neuroleptika (Dopaminantagonisten) auftreten. In der Frühphase sind wegen der psychotischen Phänomene psychiatrische Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen. Die wichtigste Maßnahme ist das Absetzen des Auslösers. Dies und die weitere Überwachung reichen therapeutisch meist aus.
Tetanus
Der Tetanus manifestiert sich über 10 – 14 Tage als progredienter Trismus mit Nackenkrämpfen, hinzu treten ein axialer Rigor und Schlundkrämpfe, zuletzt generalisierte Muskelspasmen. Verursacht werden die Symptome durch Tetanospasmin, das Toxin von Clostridium tetani. Ausgangsherd sind meist verschmutzte Wunden, die auch sehr klein sein können.
Die Therapie besteht aus einer kombinierten aktiven und passiven Immunisierung und einem Wunddebridement, ergänzt durch symptomatische Maßnahmen (Abschirmung, Spasmolyse, ggf. Muskelrelaxierung und Beatmung). Einmal in das Nervensystem eingetretenes Toxin ist nicht mehr zu inaktivieren.
Eine alle 10 Jahre aufgefrischte Schutzimpfung verhindert die Erkrankung effektiv.
Critical-illness-Polyneuropathie und -Myopathie
Critical-illness-Polyneuropathie (CIP) und Critical-illness-Myopathie (CIM) sind die häufigsten neuromuskulären Erkrankungen bei intensivmedizinisch behandelten Schwerstkranken. Diese fallen in der Regel durch ein weder zentral noch pulmonal erklärbares Weaningversagen nach längerer Intensivtherapie auf. Die Pathophysiologie beider Erkrankungen ist noch nicht geklärt.
Die Verdachtsdiagnose einer CIP lässt sich elektrophysiologisch einfach sichern. Die Abgrenzung der CIP zur CIM ist klinisch unmöglich und elektrophysiologisch schwierig, aber ohnehin nicht relevant, da bei einer CIM meist auch eine CIP vorliegt.
Eine spezifische Therapie von CIP und CIM ist nicht möglich. Unter Ausschalten der Noxen tritt meist eine spontane Besserung ein. Bei leichterem Verlauf erholen sich die Patienten vollständig, bei schwerem Verlauf muss man dagegen mit Dauerfolgen rechnen wie Kontrakturen, Fallfüßen, schmerzhaften Parästhesien und Fatigue.