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DOI: 10.1055/s-0029-1215212
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Biologica – infektiologische Nebenwirkungen?
Publication History
Publication Date:
06 October 2009 (online)
Gerloni V, Pontikaki I, Gattinara M, Fantini F. Le terapie biologiche con inibitori del TNF in reumatologia pediatrica. Revisione della letteratura ed esperienza personale. Reumatismo 2007; 59: 244 – 261
Unter dem Begriff Biologica werden TNF-Inhibitoren (tumor necrosis factor alpha-antagonists) eingeordnet, die in der antirheumatischen Therapie im Kindesalter eine immer bedeutsamere Rolle bei der Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten spielen. Valeria Gerloni und Kollegen vom orthopädischen Institut „Gaetano Pini” in Mailand haben eine ausführliche Übersichtsarbeit vorgelegt, die sich neben vielen anderen Aspekten auch den mit diesen neueren Therapieformen verbunden Infektionsrisiken widmet. Dabei wurden nicht nur die bisher publizierten Daten beurteilt, sondern auch die eigenen Erfahrungen beschrieben.
TNF-Inhibitoren führen im Gegensatz zu traditionellen zytotoxischen Substanzen nicht zu einer undifferenzierten Immunsuppression und sind insgesamt betrachtet recht gut verträglich. Dennoch sind durch den vermehrten Einsatz in den letzten Jahren seltene Nebenwirkungen aufgefallen, die in den initialen Zulassungsstudien nicht festgestellt wurden. Dies liegt auch daran, dass ein Teil dieser Komplikationen, wie z. B. Lymphome oder Infektionen, durchaus auch mit der rheumatologischen Grunderkrankung an sich oder auch mit anderen laufenden oder vorangegangen immunsupprimierenden Therapien zusammenhängen können.
Welche Infektionen werden begünstigt?
Körpereigenes TNF besitzt in vitro immunstimulierende Wirkung und tierexperimentelle Untersuchungen zeigten, dass TNF-Rezeptor-defiziente Mäuse zwar keinen Endotoxin-Schock bekommen, jedoch an Infektionen durch intrazelluläre Erreger wie Listeria monocytogenes sterben.
Nach klinischen Erfahrungen der Gruppe scheint Infliximab, möglicherweise bedingt durch dessen längere Halbwertszeit und die Fähigkeit, bei Monozyten eine Apoptose auszulösen, mit einem höheren Infektionsrisiko verbunden zu sein scheint als Etanercept. Bei juveniler rheumatoider Arthritis sind Septikämien und auch ein Todesfall im Zusammenhang mit tuberkulöser Arthritis beschrieben worden.
Die nordamerikanische FDA empfiehlt als klinische Grundregel, dass Therapien mit TNF-Antagonisten während Infektionsepisoden allgemein unterbrochen werden.
Andererseits weiß man aber auch, dass die unkontrollierte Krankheitsaktivität beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis im Erwachsenenalter zu einer übermäßigen chronischen Exposition gegenüber proinflammatorischen Zytokinen wie eben TNF-Alpha führt, die ihrerseits eine T-Lymphozyten-Immunantwort stören kann. Es gibt also auch Situationen, in denen die Immunantwort duch TNF-Antagonisten wieder verbessert werden kann.
Infektionen im Zusammenhang mit TNF-Antagonisten treten bei rheumatoider Arthritis im Erwachsenenalter mit ca. 2 – 5% selten auf. Bei Kindern fehlen die Daten. Im Vordergrund stehen im Kindesalter Infektionen der oberen Atemwege oder der Harnwege, die in der Regel gut behandelbar sind. Hier scheint Etanercept eine größere Rolle zu spielen, was auch daran liegen könnte, dass die mononukleären Antikörper bei Kindern seltener eingesetzt werden.
Ein bedeutsames Risiko durch Einsatz von Biologica im Kindesalter entsteht durch gleichzeitige Exposition gegenüber Varicella-zoster-Virus bzw. während der Inkubationsphase der Windpocken.
In einer Studie von Lovell haben 3 Kinder mit juveniler rheumatoider Arthritis unter Etanercept Windpocken entwickelt, 2 davon mit kompliziertem Verlauf (aseptische Meningitis und Sepsis). Daher sollten nicht gegen VZV immune Kinder nach Möglichkeit mindestens 3 Monate vor dem geplanten Therapiebeginn geimpft werden. Ungeimpfte Kinder, die unter Therapie mit TNF-Antagonisten gegenüber VZV exponiert werden oder Windpocken entwickeln, sollten umgehend prophylaktisch mit Immunglobulinen behandelt werden bzw. einer antiviralen Therapie unterzogen werden. Die Anwendung von Lebendimpfstoffen unter der Therapie mit Anti-TNF-Antikörpern ist kontraindiziert. Daher sollten die obligatorischen Impfungen soweit möglich bereits vor Therapiebeginn vorgenommen werden.
Besonders gefürchtet unter TNF-Alpha-Inhibition ist die potenzielle Reaktivierung einer latenten Tuberkulose. Hier kam es in der Vergangenheit wegen der eher atypischen Präsentation zum Teil mit extrapulmonalem Befall zu Verzögerungen in der Diagnosestellung. Infliximab verbindet sich mit dem in der Zellmembran vorhandenen TNF-Alpha und kann dadurch die Auflösung eines tuberkulösen Granuloms provozieren. Solche Fälle sind eine Rarität geworden, seit Screening-Untersuchungen auf Tuberkulose und die Behandlung auch der latenten Tuberkulose üblich geworden ist.
Fazit: Schwerwiegende Infektionskomplikationen unter TNF-Inhibition bei Kindern sind selten. Beobachtet wurden u. a. schwere Varizelleninfektionen und die Reaktivierung latenter Tuberkulose. Vor Therapiebeginn sollte ein aktueller Impfschutz, insbesondere gegen Windpocken, vorliegen.Dr. med. Thomas Hauer, Freiburg