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DOI: 10.1055/s-0029-1220693
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Kosten-Nutzen-Bewertung. Ein Kommentar von Ulrich Dietz, Leiter des Referats Arzneimittelversorgung, Bundesministerium für Gesundheit
Cost-benefit Evaluation: A Comment by Ulrich Dietz, Head of the Pharmaceuticals Department of the Federal Ministry of HealthPublication History
Publication Date:
14 July 2009 (online)
Für mich ist die Antwort relativ einfach, weil sich für mich als Ministerialer die Antwort natürlich aus dem Gesetz ergibt. Das kennen Sie natürlich alle ganz gut. Ich will vielleicht einfach nur erinnern an die Eckpunkte dieses Gesetzes. In § 35b SGB V gibt es ein paar Grundregeln, die spezifisch sind für die deutsche Nutzenbewertung. Erstens gibt es eine Verantwortungsteilung zwischen dem IQWiG und dem Gemeinsamen Bundesausschuss. Das IQWiG erstellt eine wissenschaftliche Expertise, die unterliegt nicht staatlicher Aufsicht und beteiligt keine Staatsvertreter bei den fachlichen Entscheidungen. Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft die sozialrechtlich verbindlichen Entscheidungen und unterliegt dabei der Aufsicht des Ministeriums. Dies ist beispielsweise ein fundamentaler Unterschied zu Großbritannien. Ein zweiter fundamentaler Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern ist, dass eine Bewertung und eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses gerade nicht Voraussetzung dafür ist, dass diese Arzneimittel durch die gesetzliche Krankenversicherung erstattet werden. Das kann man gut finden oder schlecht finden, das ist so. Es handelt sich um eine nachlaufende Bewertung, aus dieser sich viele Konflikte erklären, die wir hier in Deutschland haben. Demzufolge ergeben sich für den Leistungsanspruch durchaus teilweise Einschränkungen. Zudem sind im Gesetz einige Eckpunkte für diese Nutzenbewertung klar geregelt. Beispielsweise sind QALYs als Leistungsgrenze für sehr aufwendige Leistungen nach unseren rechtlichen Vorschriften in Deutschland gar nicht möglich. Wir haben auch aufgrund unserer verfassungsrechtlichen Lage nicht die Möglichkeit einen bestimmten Betrag, ab dem das Arzneimittel nicht bezahlt wird, zu definieren. Im Vorfeld zu diesem Gesetz hat es hierzu Diskussionen gegeben, die sich sehr detailliert mit diesen Problemen auseinandergesetzt haben. Es gab ein sehr ernsthaftes Bemühen um eine fachlich tragfähige Lösung. Dabei entstand die Idee, in einem Verfahren, über das wir heute reden, den gerechtfertigten Preis festzustellen, das heißt, dass die Aufgabe dieser Bewertung darin besteht, festzustellen, wie viel eine Innovation wert ist. Ziel ist eine objektivierte Wertfeststellung nach wissenschaftlichen Kriterien. Die sollen dann die Spitzenverbände in einem Höchstbetrag umsetzen. Es geht also gar nicht um die Frage, ob die Krankenversicherung bezahlt, sondern wie viel sie zahlt. Dies ist ein sehr anspruchsvolles Vorhaben, da es beispielsweise bei den führenden angelsächsischen Verfahren gar nicht so vorgesehen ist, wohl aber in Frankreich, wenn auch unter anderen Voraussetzungen. Höchstbeträge sind also eine Fortentwicklung in der deutschen Tradition. Die deutsche Tradition ist geprägt durch die Festbeträge, die ganz gut funktionieren. Die Festbeträge sind Erstattungsobergrenzen, sodass die Krankenversicherung einen bestimmten Betrag bezahlt und der Rest nicht bezahlt wird. Das Gleiche soll nun auch für deutsche Arzneimittel gelten, die nicht gruppierbar sind. Weiter gibt es in dem Paragraphen 35b noch eine andere Regelung. Die sieht im Prinzip einen modularen Aufbau von Nutzenbewertung und Kosten-Nutzenbewertung vor, das heißt, dass der Nutzen des Arzneimittels nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin ermittelt werden soll, und darauf die Kosten-Nutzen-Bewertung aufbaut. Das heißt nicht, dass in der reinen Nutzenbewertung bereits alle Elemente enthalten sein müssen, die man für eine Kosten-Nutzen-Bewertung braucht. Aber es gibt schon den Grundgedanken eines modularen Aufbaus. Zunächst einmal soll festgestellt werden, wie groß der Nutzen eines Arzneimittels ist, worauf dann die Kosten-Nutzen-Bewertung aufgebaut wird. Wie geht es weiter? Sie wissen, das Ministerium hat sich an verschiedenen Punkten dazu geäußert, wie es weitergehen soll. Wir haben einen zweistufigen Workshop zu dem Thema gemacht. Auch in dem Papier des IQWiGs zur Kosten-Nutzen-Bewertung findet sich der Satz, dass für die Ermittlung des medizinischen Nutzens der Arzneimittel grundsätzlich auch das Methodenpapier zur Nutzenbewertung gilt. Dazu Anmerkungen in vier Punkten. Erstens, ich gehe davon aus, dass das IQWiG den vorliegenden Entwurf zur Nutzenbewertung, noch mal daraufhin überprüft, dass sich die gesetzlichen Kriterien zum Nutzen des Paragraphen 35b in diesem Papier ausdrücklich wiederfinden. Der Gemeinsame Bundesausschuss, der hinterher eine Entscheidung zu fällen haben wird, sollte in der Lage sein, eine Nutzenbewertung und eine Kosten-Nutzen-Bewertung des IQWiGs so vorzufinden, dass er seine Entscheidungen darauf aufbauen kann. Ich will nur ein Beispiel nennen, weshalb diese Frage sehr wichtig ist. Herr Professor Sawicki hat eben diese Punkte B, C, D, E, die jeweils bestimmte Relationen von Nutzen und Kosten für einzelne Arzneimittel darstellen, präsentiert. Ich glaube, dass man diese verschiedenen Bewertungspunkte für verschiedene Arzneimittel nur finden kann, wenn man Ergebnisse aus verschiedenen Studien zusammenfasst und vergleicht. Daher wird man auch über Modellierungen nachdenken müssen und folgende Punkte berücksichtigen. Erstens ist die Methodik der Nutzenbewertung die Grundlage für die Kosten-Nutzen-Bewertung. Zweitens sollte geprüft werden, wie die Verfahrensordnung des GBAs bezüglich des Evidenzstufenschemas und die Vorgehensweise des IQWiGs zusammenpassen, gerade auch wenn man so einen differenzierten Ansatz hat in der Kosten-Nutzen-Bewertung, bei der es um einen relativ komplexen Vergleich von Arzneimitteln geht. GBA und IQWiG sollten nach der gleichen Methodik arbeiten. Drittens ist das Beteiligungsverfahren am Berichtsplan und die Zusammenarbeit mit dem GBA zu berücksichtigen. Und der vierte Punkt, der mir in diesem Zusammenhang am Herzen liegt, ist die Zusammenarbeit des IQWiGs mit den wissenschaftlichen Fachkreisen. Es sitzen ja einige Vertreter der Fachkreise heute in diesem Auditorium. Und ich wünsche mir, dass es zu einer Intensivierung und auch zu einer Verstärkung der regelmäßigen Zusammenarbeit kommt. Kurz und gut, ich denke, dass dieses Verfahren Kosten-Nutzen-Bewertung auch noch mal eine neue Chance ergibt, dass sich Wissenschaft und Institutionen der Selbstverwaltung treffen. Es gibt zu dem gesetzlichen Verfahren, das wir haben, im Moment auch aus politischen Gründen keine Alternative. Und deswegen mein Appell an Sie: Wirken Sie daran mit, dass dieses Verfahren in Deutschland zum Erfolg kommt, weil das jetzt die Möglichkeit für alle diejenigen ist, die an einer rationalen Arzneimitteltherapie interessiert sind. Deshalb müssen Wissenschaft und Sozialversicherung zusammenarbeiten. Und das kann man nur gemeinsam erreichen und nicht, indem man sich in unnötige Konflikte begibt. Danke.
Korrespondenzadresse
Ulrich Dietz
Bundesministerium für Gesundheit
Email: Ulrich.Dietz@BMG.Bund.de