Psychiatr Prax 2009; 36(2): 93-94
DOI: 10.1055/s-0029-1220826
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Szene
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Der öffentliche Gesundheitsdienst im gemeindepsychiatrischen Verbund

Christine Peinkofer-Menath1 , H. Hausner2 , H. Spießl2 3
  • 1Gesundheitsamt Regensburg
  • 2Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg
  • 3Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Bezirkskrankenhaus Landshut
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Publication Date:
08 April 2009 (online)

 

Der öffentliche Gesundheitsdienst (Gesundheitsämter) verfügt als staatliche Behörde über die von allen geforderte Neutralität im Versorgungsgefüge. Fachkompetentes Personal und eine Vernetzung fachlicher Institutionen - sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich - sind vorhanden. Deshalb liegt auch die Geschäftsführung der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften (PSAG) bei den Gesundheitsämtern. Daher können die Gesundheitsämter koordinatives Potenzial in die Arbeit eines gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV) einbringen, das nicht allen anderen Beteiligten in gleicher Weise zur Verfügung steht. Dieser Mehrwert für die gemeindepsychiatrische Arbeit kann beispielhaft am GPV Regensburg aufgezeigt werden: Im Oktober 2000 wurde in Regensburg auf der Basis eines Kooperationsvertrages der GPV als Zusammenschluss der regionalen Träger der psychiatrischen Versorgung gegründet [1]. Die Koordinatorenstelle wurde am örtlichen Gesundheitsamt angesiedelt, was in Bayern nicht die Regel ist. Den Schwerpunkt der Koordinationstätigkeit bildet dabei die Organisation und Durchführung der Fallkonferenzen, an denen - neben dem Klienten selbst - meist Mitarbeiter der psychiatrischen Kliniken, gesetzliche Betreuer, Kostenträger, Ergotherapeuten, Mitarbeiter der Sozialpsychiatrischen Dienste, des Betreuten Einzelwohnens sowie Angehörige teilnehmen. Eine Besonderheit des Regensburger GPV-Modells ist es, dass der GPV als Arbeitsgruppe dem Regionalen Steuerungsverbund des Versorgungsgebietes Regensburg (PSAG Regensburg) angehört und somit intensiv mit bestehenden Strukturen vernetzt ist.

Von den zwischen 2001 und 2007 erfolgten insgesamt 255 Anfragen an den GPV konnten dank der Ansiedlung des GPV am Gesundheitsamt 98 Anfragen (38,6%) bereits im Rahmen der originären Behördenzuständigkeit geklärt werden, sodass eine Befassung weiterer GPV-Gremien überflüssig wurde. Weitere 61 Anfragen (24,0%) konnten innerhalb eines Gespräches im Gesundheitsamt geklärt werden (außerhalb der originären Zuständigkeit der Gesundheitsverwaltung) und nur 95 Anfragen (37,4%) mündeten in einer zeit- und personalaufwendigen Fallkonferenz. Die Einrichtung der Koordinatorenstelle am Gesundheitsamt führte also zu einer effektiven Vorselektion der Fälle und somit zu einer optimierten Allokation der begrenzten Ressourcen.

Durch die Synergieeffekte der überlappenden Zuständigkeiten von GPV und öffentlicher Gesundheitsverwaltung bleibt der Personalaufwand auch für die Behörde überschaubar. In Regensburg betrug der durchschnittliche wöchentliche Zeitaufwand für die Koordinationstätigkeit etwa 10 Stunden. Die anteiligen Personalkosten trägt das Bayerische Innenministerium, die Sachkosten der Bezirk Oberpfalz als zuständige regionale Gebietskörperschaft. Gerade unter Kosten-Nutzen-Aspekten scheint diese Form des GPVs sehr effizient, da über 60% der Anfragen bereits im Vorfeld einer möglichen Fallkonferenz geklärt werden konnten. Der durchschnittliche Zeitaufwand von ca. 10 Stunden pro Anfrage/Klient ist angesichts der Schwere und Chronizität der Erkrankungen dieser Klienten dabei relativ gering.

Die Koordinatorentätigkeit des Gesundheitsamtes bewährt sich aber auch in fachlicher Hinsicht: Bei fast allen Klienten konnten entscheidende Maßnahmen in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Kontakte veranlasst, bei rund 10% auch die Frequenz der Klinikaufnahmen deutlich vermindert werden. Die GPV-Fallkonferenzen fungieren dabei häufig auch als Frühindikatoren für Mängel in der regionalen psychosozialen Versorgung, was dann in entsprechende Maßnahmen der Versorgungsplanung mündet. Daher hat es sich im Regensburger GPV-Modell bewährt, dass der GPV neben der Koordination durch das Gesundheitsamt zugleich als Arbeitsgruppe des Regionalen Steuerungsverbundes konstituiert wurde.

In den von der Bayerischen Staatsregierung beschlossenen "Grundsätzen zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bayern" wird ausdrücklich gefordert zu prüfen, ob der öffentliche Gesundheitsdienst verstärkt für Koordinationsaufgaben im Bereich der psychiatrischen Versorgung herangezogen werden sollte [2]. Die Regensburger Erfahrungen lassen diese Entwicklung sinnvoll erscheinen.

Literatur

  • 01 Peinkofer-Menath C . Hausner H . Spießl H . Der Gemeindepsychiatrische Verbund in Regensburg - Beispiel einer effizienten Koordination bei Problempatienten.  Krankenhauspsychiatrie. 2006;  17 143-147
  • 02 Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Grundsätze der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bayern. München, 2007. 

Dipl.-Soz. Päd. (FH) Christine Peinkofer-Menath

Gesundheitsamt Regensburg

93055 Regensburg

Email: Christine.Peinkofer-Menath@landratsamt-regensburg.de

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