Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2009; 44(6): 445-453
DOI: 10.1055/s-0029-1225754
Fachwissen
Topthema: Kindernotfälle
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Traumatologische Notfälle (Teil II): Frakturen im Wachstumsalter und das kindliche Polytrauma

Emergencies in Pediatric Traumatology – Fractures in the growing age and Pediatric PolytraumaPetra Degenhardt, Christian Klebe, Hermann Josef Bail
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Publication Date:
12 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Für die Behandlung kindlicher Frakturen ist das Wissen um die Besonderheiten des wachsenden Skeletts von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen der Erst– und Notfallversorgung steht die Ruhigstellung und adäquate, an das Körpergewicht adaptierte Schmerztherapie im Vordergrund der Behandlung. Verschiedene Behandlungskonzepte, von konservativ bis operativ offener Therapie mit oder ohne Osteosynthese stehen dem kindertraumatologisch Erfahrenen zur Verfügung.

Die Therapieprinzipien des kindlichen Polytraumas lehnen sich grundsätzlich an die prioritätenorientierte Versorgung des Erwachsenen (z.B. ATLS®) an. Je jünger das Kind, desto größere anatomische und physiologische Unterschiede gilt es aber zu beachten.

Summary

Deep knowledge of characteristic features of the growing skeleton is necessary for effective treatment of fractures in the pediatric population. The first part of emergency treatment of pediatric fractures involves immobilisation and appropriate pain management. In addition reduction of the fracture, either open or closed, with or without internal or external fixation are further treatment options used by the experienced pediatric surgeon.

Generally, the principles of therapy of pediatric polytrauma are similar to the management of trauma in adults (ATLS). Nonetheless, attention must be paid to anatomical and physiological differences especially between young children and adults.

Kernaussagen

  • Bei der Behandlung kindlicher Frakturen ist die Wachstumskompetenz der kindlichen Fugen zu berücksichtigen. Bei noch weit offenen Wachstumsfugen können Fehlstellungen im Ausmaß von 40–60 ° von der Fuge noch ausgeglichen werden (in Abhängigkeit von der Fugenkompetenz und vom Alter).

  • Eine Reposition der Knochenfehlstellung bei Kindern sollte am Unfallort nur bei grotesker Fehlstellung erfolgen, da begleitende Nerven– und Gefäßverletzungen eher selten sind.

  • Im Vordergrund der Behandlung der kindlichen Frakturen stehen die Ruhigstellung und Schmerztherapie möglichst schon am Unfallort. Für die Ruhigstellung entscheidend ist, dass beide anliegenden Gelenke eingeschlossen sind.

  • Bei einer Grünholzfraktur sollte die lediglich angebrochene Gegenkortikalis durchgebrochen werden, da sonst die Gefahr der Refraktur, einseitigen Ausheilung und stimulativen Wachstumsstörungen besteht.

  • Übergangsfrakturen (Gelenkfrakturen) treten auf, wenn die Fugen bereits teilweise geschlossen sind. Eine vollständige Darstellung des Frakturausmaßes ist meist nur durch ein CT möglich.

  • Beim kindlichen Polytrauma hat die Stillung von Blutungen oberste Priorität, da die absolute Menge des kompensierbaren Blutverlustes insbesondere bei Säuglingen sehr gering ist.

  • Bereits in der Akutphase muss die Verletzungsschwere des Kindes anhand des ISS, RTS und PTS abgeschätzt werden. Zur Beurteilung der vitalen Gefährdung des Kindes eignen sich die Parameter Laktat, BE, GCS, Rekapillarisierungszeit, Stundendiurese und das Ansprechen auf die Volumentherapie.

Literaturverzeichnis

  • 1 Von Laer L, Kraus R, Linhart W.. Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter. 5. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag 2007
  • 2 Zernikow B, Hechler T.. Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen – Pain Therapy in Children and Adolescents.  Dtsch Arztebl. 2008;  105 511-522
  • 3 Marzi I.. Kindertraumatologie. Darmstadt: Steinkopff Verlag 2006

Dr. med. Petra Degenhardt
Dr. med. Christian Kleber
PD Dr. med. Hermann Josef Bail

Email: petra.degenhardt@charite.de

Email: christian.kleber@charite.de

Email: hermann.bail@charite.de

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