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DOI: 10.1055/s-0029-1233417
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Chronisch entzündliche Darmkrankheiten - Mukosaheilung als neues Ziel bei Morbus Crohn
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
29. Juni 2009 (online)
- Leitlinien orientieren sich an Befallsmuster und Art der Entzündung
- "Top-down" als neues Therapiekonzept
- Häufiger steroidfreie Remission und Mukosaheilung
- Colitis ulcerosa: 5-ASA bleibt wichtig
Leitlinien zur Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen orientieren sich an der entzündlichen Aktivität, dem Befallsmuster und der Art der Entzündung. Seit TNF-alpha-Blocker verfügbar sind, kommt beim Morbus Crohn immer mehr ein "Top-down"-Konzept ins Gespräch, bei dem eine aggressive immunmodulierende Therapie (Azathioprin/TNF-alpha-Blocker) am Anfang steht. Solange dieses noch nicht Einzug in die Praxis gehalten hat, sollte auf jeden Fall frühzeitig Azathioprin eingesetzt werden. Bei der Colitis ulcerosa besitzt weiterhin 5-ASA hohe Bedeutung.
#Leitlinien orientieren sich an Befallsmuster und Art der Entzündung
Beim Morbus Crohn haben 5-Aminosalicylate bestenfalls bei geringer entzündlicher Aktivität noch einen gewissen Stellenwert. Nach den DGVS-Leitlinien sollte bei gering aktivem ileozökalen Befall bevorzugt Budesonid eingesetzt werden, bei höherer Entzündungsaktivität greift man eher zu systemischen Steroiden. Kommt es zu einem Rezidiv, sollte frühzeitig Azathioprin oder 5-Mercaptopurin verabreicht werden. Das gilt auch für den Kolonbefall.
Im Falle einer Azathioprin-Intoleranz kann Methotrexat an dessen Stelle treten. Für Patienten, die Azathioprin- oder Methotrexat-refraktär sind, stehen schließlich TNF-alpha-Blocker zur Verfügung. In Deutschland ist neben Infliximab auch Adalimumab zugelassen. Diese Substanzen sind besonders effektiv im Erreichen einer Remission, im Verschließen von Fisteln und in der Einsparung von Steroiden.
Auch in der Remissionserhaltung bei Morbus Crohn hat Azathioprin einen hohen Nutzen, der für bis zu 6 Jahre belegt ist. Kommt es während der Erhaltungstherapie zu einem Relaps, kann die Dosis gesteigert, auf Methotrexat oder TNF-alpha-Blocker gewechselt werden.
#"Top-down" als neues Therapiekonzept
Am intensivsten diskutiert wird derzeit das "Top-down"-Konzept nach dem Muster der rheumatoiden Arthritis, wie Prof. Markus F. Neurath, Mainz, betonte. Ziel des neuen Konzepts ist, durch eine frühe aggressive immunsuppressive Therapie (Azathioprin plus TNF-alpha-Blocker) nicht nur Symptome wie Bauchschmerzen und Diarrhö zu lindern, sondern die entzündlichen Veränderungen der Darmschleimhaut komplett abzuheilen. Man verspricht sich davon langfristig weniger Komplikationen, Krankenhausaufenthalte und Operationen sowie einen geringeren Steroidbedarf. "Momentan gehen wir noch den umgekehrten Weg von milderen Medikamenten bis hin zu den Antikörpern", so Neurath.
Eine Subgruppen-Analyse der noch nicht publizierten SONIC-Studie (Study of Biologic and Immunomodulator Naive Patients in Crohn's Disease) unterstützt das "Top-down"-Konzept. Eingeschlossen waren 508 Patienten mit mittelschwerem bis schwerem steroidabhängigen Morbus Crohn (CDAI ≥ 220 und ≤ 450), die noch nie Biologika oder Immunsuppressiva bekommen hatten und bei denen 5-ASA oder Budesonid versagt hatten. Sie erhielten entweder 2,5 mg/kg Azathioprin und Placebo-Infusionen, 5 mg/kg Infliximab und Placebo-Kapseln oder Infliximab plus Azathioprin.
#Häufiger steroidfreie Remission und Mukosaheilung
In der steroidfreien Remission (primärer Endpunkt) nach 26 Wochen zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die primäre Kombinationstherapie (56,8 %) im Vergleich zu Azathioprin (30,6 %). In der Infliximab-Gruppe lag die Rate steroidfreier Remissionen bei 44,4 %, ebenfalls signifikant besser als bei Azathioprin, aber der Kombination unterlegen. Auch im wichtigsten sekundären Endpunkt, der Mukosaheilung, gab es mit 43,9 % die besten Ergebnisse unter der Kombination; diese Rate war signifikant höher als in der Azathioprin-Gruppe mit 16,5 %, und besser als in der Infliximab-Gruppe (30,1 %). Bezüglich der Sicherheit gab es keine Unterschiede zwischen den 3 Studienarmen. Wie sich diese Unterschiede langfristig auswirken, ist noch unklar.
Ebenfalls unklar ist, wie lange die intensive Therapie dauern sollte und wann man welche Medikamente wieder absetzen kann. Noch unerfüllbar ist der Wunsch, Patienten anhand von prognos tischen Markern zu stratifizieren, die von der "Top-down"-Strategie besonders viel erwarten können.
#Colitis ulcerosa: 5-ASA bleibt wichtig
Bei der leichten bis mittelgradigen Colitis ulcerosa besitzen Aminosalicylate immer noch eine überragende Bedeutung - in topischer Form bei Rektumbefall und in oraler Form bei linksseitiger Colitis oder Pancolitis. Sind Salicylate nicht ausreichend wirksam, kommen Steroide zum Einsatz, die es auch als Klysmen oder Schaum gibt. Eine schwere Proktitis erfordert den Einsatz systemischer Steroide plus topisches 5-ASA. Bei einer ausgedehnten schweren Colitis haben sich systemische Steroide in intravenöser Form gut bewährt.
Bei einer hochaktiven Colitis sollte frühzeitig der Chirurg hinzugezogen werden, damit man nicht den richtigen Zeitpunkt einer Notfall-Colektomie verpasst. Medikamentös setzt man intravenöse Steroide ein, bei Verdacht auf eine Infektion Antibiotika. Zusätzlich wird Cyclosporin A oder Tacrolimus für 3-6 Monate als "Bridging" zur Langzeittherapie mit Azathioprin gegeben, dessen Wirkung verzögert einsetzt. Auch Infliximab ist inzwischen zugelassen.
In der Remissionserhaltung stellt 5-ASA das Medikament der ersten Wahl dar. Es ist sehr gut verträglich und senkt auch das Risiko für ein Colitis-assoziiertes Kolonkarzinom. Als Alternative hat E. coli Nissle ebenfalls gute Effekte gezeigt. Ist die Wirkung nicht ausreichend, kann man die Dosis erhöhen, orale und rektale Applikation kombinieren oder zu Azathioprin wechseln, welches nach Meinung von Neurath im klinischen Alltag zu selten eingesetzt wird.
Dr. Angelika Bischoff, Planegg
Die Beitragsinhalte stammen aus dem Vortrag von Prof. Markus F. Neurath, Mainz: "Therapie der chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten - Standard und Zukunft", am 21. April 2009 im Rahmen des 115. DGIM-Kongress Wiesbaden. Die Autorin ist freie Journalistin |