Aktuelle Rheumatologie 2009; 34(6): 333-334
DOI: 10.1055/s-0029-1241801
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Muskelerkrankungen

MyopathiesC. D. Reimers
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. Dezember 2009 (online)

Myalgien sind häufige neuromuskuläre Beschwerden [1]. Eine PubMed-Recherche mit den Suchbegriffen „(myalgia OR muscle pain) AND prevalence” gab jedoch wenig Auskunft darüber, wie hoch die Inzidenz und Prävalenz von Myalgien sind. Lediglich Büttner et al. [2] berichten über eine Prävalenz lokaler oder generalisierter muskuloskelettaler Schmerzen von 16,7%. Dabei dürfte es sich vor allem um myofasziale Schmerzen und Fibromyalgie-Syndrome handeln. Zum Vergleich: Chronische Nackenschmerzen sollen in einer Häufigkeit von etwa 14% auftreten [3]. Die Prävalenz der Fibromyalgie, bei der es sich um die häufigste Form generalisierter Muskelschmerzen handeln dürfte, wird mit 0,7–2% – überwiegend Frauen – angegeben [4] [5] [6]. Primäre Myopathien finden sich als Ursache von Muskelschmerzen vergleichsweise selten. Die häufigste Erkrankung ist möglicherweise der Myoadenylatdeaminase-Mangel, die mit großem Abstand häufigste metabolische Myopathie (1–3% aller Muskelbiopsate). Die Mehrzahl der Merkmalsträger ist jedoch beschwerdefrei. Von besonderem Interesse sind die entzündlichen Muskelerkrankungen, da es sich um oft gut behandelbare Erkrankungen handelt – im Gegensatz zu den metabolischen Myopathien, an die vor allem bei belastungsinduzierten Myalgien zu denken ist. Etwa jeder zweite Patient mit einer autoimmunogenen Myositis (Poly- oder Dermatomyositis) berichtet über Myalgien. Entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist grundsätzlich die exakte diagnostische Zuordnung der Muskelschmerzen.

Selbst in umfangreichen Werken des neurologischen Fachgebietes sucht man fast vergeblich nach Übersichten über die möglichen Ursachen. Nicht besser sieht es bei einer Suche mittels Datenbanken aus. So findet sich unter den 2 458 seit dem Jahre 2000 erschienenen Übersichtsarbeiten (bis 02.02.2009) mit den Suchbegriffen „Muscle pain” AND „review” in PubMed keine Arbeit, die sich mit der allgemeinen Differenzialdiagnose der Myalgien beschäftigt. Fürer und Reichmann [7] veröffentlichten unlängst eine entsprechende, allerdings nicht in PubMed gelistete Übersicht.

Man hüte sich vor der vorschnellen Zuordnung von Muskelschmerzen zu einer Fibromyalgie. Es handelt sich dabei vor allem auch um eine Diagnose nach Ausschluss organischer Muskelkrankheiten. So fanden z. B. Auvinen et al. [8] bei einer systematischen Untersuchung unter 63 Patienten, bei denen eine Fibromyalgie diagnostiziert worden war, eine proximale myotone Myopathie, die ebenfalls sehr häufig mit Myalgien einhergeht. Jede (para-)klinische Auffälligkeit, die mit einer psychosomatischen Erkrankung kompatibel ist, muss daher sorgsam verfolgt werden. Eine nicht seltene Fehlattribution psychosomatisch bedingter Muskelschmerzen ist bei der hohen Durchseuchungsrate der Bevölkerung mit Borrelien-Infektionen eine vermeintliche chronische Lyme-Erkrankung. Unkritische wiederholte antibiotische Behandlungen sind nicht nur wirkungslos [9] [10], sondern können auch ernsthafte Nebenwirkungen nach sich ziehen, abgesehen davon dass die Suche nach der tatsächlichen Krankheitsursache unterbleibt.

Ziel des vorliegenden Themenheftes ist es, die wichtigsten Ursachen vor allem generalisierter Muskelschmerzen sowie Wege der ätiologischen Klärung und Behandlung aufzuzeigen. Reimers et al. präsentieren Pfade zur diagnostischen Klärung fokaler und generalisierter Myalgien. Reilich beschreibt die häufigsten Schmerzursachen, nämlich das myofasziale Schmerzsyndrom. Dieses akute oder chronische Schmerzsyndrom, für das es bisher keine anerkannten Diagnosekriterien gibt, kann sowohl Folge einer Überlastung als auch einer Schonhaltung sein. Es wird als Ursache muskuloskelettaler Schmerzen häufig übersehen. Daneben spielen psychosomatische Störungen eine große Rolle bei vielen chronischen Weichteilschmerzen.

Schlotter-Weigel und Reimers beschäftigen sich in einer weiteren Übersichtsarbeit mit dem Thema der HyperCKämie. Darunter versteht man eine zufällig festgestellte, persistierend erhöhte Aktivität der Creatinkinase im Serum. Ein Teil der Betroffenen empfindet leichte, unspezifische muskuläre Beschwerden (z. B. Myalgien und Krämpfe). Nur in knapp 20–30% der Fälle gelingt es trotz erheblichen diagnostischen Aufwandes, eine Ursache der erhöhten Muskelenzymaktivität zu finden. Darunter können sich auf entzündliche, also behandlungsbedürftige Myopathien finden. Finden sich abgesehen von der Enzymaktivität durchweg normale paraklinische Befunde, spricht man von einer idiopathischen HyperCKämie. Die Autoren beschreiben den einzuschlagenden diagnostischen Weg bei HyperCKämien, einer nicht seltenen klinischen Konstellation.

Literatur

  • 1 Pongratz D, Zierz S. Hrsg. Neuromuskuläre Erkrankungen. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2003: 36
  • 2 Buettner C, Davis RB, Leveille SG. et al . Prevalence of musculoskeletal pain and statin use.  J Gen Intern Med. 2008;  23 1182-1186
  • 3 Dvorak J. Epidemiology, physical examination, and neurodiagnostics.  Spine. 1998;  23 2663-2673
  • 4 Bennett RM. Fibromyalgia: the commonest cause of of widespread pain.  Compr Ther. 1995;  21 269-275
  • 5 Cathébras P, Lauwers A, Rousset H. Fibromyalgia. A critical review.  Ann Med Interne (Paris). 1998;  149 406-414
  • 6 Prescott E, Kjøller M, Jacobsen S. et al . Fibromyalgia in the adult Danish population: A prevalence study.  Scand J Rheumatol. 1993;  22 233-237
  • 7 Fürer V, Reichmann H. Differenzialdiagnosen bei Myalgien.  Akt Neurol. 2008;  35 138-148
  • 8 Auvinen S, Suominen T, Hannonen P. et al . Myotonic dystrophy type 2 found in two of sixty-three persons diagnosed as having fibromyalgia.  Arthritis Rheum. 2008;  58 3627-3631
  • 9 Svenungsson B, Lindh G. Lyme borreliosis – an overdiagnosed disease?.  Infection. 1997;  25 140-143
  • 10 Weinstein A, Britchkov M. Lyme arthritis and post-Lyme disease syndrome.  Curr Opin Rheumatol.. 2002;  14 383-387

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Carl D. Reimers

Zentralklinik Bad Berka GmbH

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