Aktuelle Rheumatologie 2009; 34(5): 273
DOI: 10.1055/s-0029-1241802
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geriatrische Rheumatologie – Ein junges Fach wird immer wichtiger

Geriatric Rheumatology – A Young Specialty of Ever-Increasing ImportanceK. Krüger, E. Gromnica-Ihle
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. November 2009 (online)

K. Krüger

E. Gromnica-Ihle

Nicht nur der vielzitierte demografische Wandel, sondern auch die verbesserten Therapiemöglichkeiten mit reduzierter Erkrankungsschwere und Mortalität tragen dazu bei, dass der Anteil an Rheumatikern im höheren Lebensalter in unseren Kliniken und Praxen immer größer wird. Bisher spielen Publikationen zur speziellen Problematik geriatrischer Rheumapatienten in der Literatur jedoch eher eine geringe Rolle – dies bezieht sich sowohl auf die Forschung als auch auf die Weitergabe des „State of the art”. Zumindest in Bezug auf letzteren Aspekt bemüht sich das vorliegende Themenheft, das Wissensdefizit etwas zu verringern.

Polymyalgia rheumatica und Arteriitis temporalis sind typische entzündlich-rheumatische Erkrankungen des Alters. Aus epidemiologischer Sicht hat die rheumatoide Arthritis (RA) im Alter die größere Bedeutung. Sie kann erst im Alter entstehen (Late Onset Rheumatoid Arthritis/LORA) oder Menschen mit rheumatoider Arthritis, die in jüngeren Jahren erworben wurde, sind mit ihrer Erkrankung alt geworden. Zwischen beiden bestehen im klinischen Bild, bezüglich der Laborparameter und hinsichtlich des Outcome, deutliche Unterschiede. Insbesondere ist bei einer RA im höheren Lebensalter die häufigere Multimorbidität zu bedenken. Auch das Krankheitsbild des sich spät manifestierenden systemischen Lupus erythematodes unterscheidet sich wesentlich vom Lupus der jüngeren Lebensjahre.

Rheumaorthopädische Eingriffe im höheren Lebensalter weisen eine Fülle von Besonderheiten auf, von höheren anästhesiologischen Risiken und Einschränkungen der Operationsfähigkeit über die größere Bedeutung der Endoprothetik im Spektrum der operativen Eingriffe bis hin zu Problemen der Wundheilung, des Infektionsrisikos und erschwerter postoperativer Mobilisierung. Rehart und Henniger definieren in ihrem Beitrag ausführlich den Kenntnisstand zu diesen Problemen. Sie stellen auch klar, dass das Management dieses Problemspektrums möglichst in Zentren erfolgen sollte, die ausgewiesene Erfahrung mit Patienten dieser Altersstufe besitzen.

Medikamentöse Therapie ist beim geriatrischen Rheumapatienten genauso notwendig wie beim jüngeren Rheumatiker, ihre Durchführung jedoch in den meisten Fällen komplizierter: Der betreuende Arzt hat sich mit allgemeinen Problemen dieser Altersklasse wie Multimorbidität und Multimedikation (einschließlich der Frage möglicher Interaktionen) auseinanderzusetzen, aber auch mit vermehrten Kontraindikationen wie Niereninsuffizienz und einem vorsichtigeren Vorgehen bei der Dosierung, weil möglicherweise unerwünschte Wirkungen schneller und häufiger auftreten. Andererseits müssen selbstverständlich auch diese Patienten optimal versorgt und medikamentös eingestellt werden, es gelten mit geringen Abstrichen ähnliche Therapieziele wie in der jüngeren Altersstufe. Glücklicherweise ist unser Arsenal an Behandlungsmöglichkeiten inzwischen so vielfältig geworden, dass auch bei älteren Patienten eine gute Einstellung fast immer gelingt.

Leider steckt die Erforschung von Besonderheiten der Behandlung im geriatrischen Krankengut generell in den Kinderschuhen: Medikamentöse Studien bei geriatrischen Patienten gibt es bisher kaum, im Gegenteil: Diese Patientengruppe bleibt bei klinischen Studien zumindest im Alter ab 75 Jahren fast immer ausgeschlossen. Als großer Glücksfall erweist sich (auch) in diesem Fall, dass wir seit einigen Jahren auf Register-Daten zurückgreifen können, die Patienten aus der rheumatologischen Praxis und damit eine Klientel ohne Altersgrenze enthalten.

Diesbezüglich finden wir in dieser Ausgabe die von Strangfeld et al. vorgestellten reichhaltigen Daten aus dem RABBIT-Register des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin – sicherlich ein Beitrag von großer Bedeutung, da eine „Real Life”-Population an Rheumapatienten erfasst wird. Immerhin rund 25% der Patienten des Gesamtregisters gehören der Altersstufe über 65 Jahre an. Bei diesen bestätigte sich eine erhöhte Rate an Multimorbidität und Multimedikation. Unter den festgestellten Therapierisiken lag aber nur die Infektionsrate unter Biologika höher als bei jüngeren Patienten. Andererseits belegen die Register-Daten, dass Basistherapien und Biologika bei älteren Patienten seltener verordnet werden. Ob dieses auch in anderen Ländern ähnlich beobachtbare Phänomen Ausdruck einer verdeckten Rationierung oder doch eher größerer Vorsicht bei der Medikamenten-Verordnung ist, also fürsorgliche Aspekte aufweist, bleibt vorerst offen.

Klaus Krüger und
Erika Gromnica-Ihle

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Klaus Krüger

Praxiszentrum St. Bonifatius

St. Bonifatius Straße 5/II

81541 München

Telefon: +49-(0)89-691-4222

Fax: +49-(0)89-691-4230

eMail: klaus.krueger@med.uni-muenchen.de

Prof. Erika Gromnica-Ihle

Internistin/Rheumatologin

Rheuma für die Praxis

Majakowskiring 11

13156 Berlin

Telefon: +49-(0)30-499-18610

Fax: +49-(0)30-499-87806

eMail: erika@gromnica-ihle.de