Rofo 2009; 181(11): 1094-1096
DOI: 10.1055/s-0029-1241996
DRG-Mitteilungen
Radiologie und Recht
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SG Dresden bestätigt Auswahlentscheidung der KVS im Mammografie-Screening

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Rechtsanwälte Wigge

Sebastian Sczuka Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. November 2009 (online)

 
Inhaltsübersicht

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt G-BA) hat zum 01.01.2004 im Abschnitt B Nr. 4 der Richtlinien über die Früherkennung von Krebserkrankungen ("Krebsfrüherkennungs-Richtlinien") ein Programm zur Früherkennung von Brustkrebs durch Mammografie-Screening eingeführt, das in Anlage 9.2 des Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV/Ä) bzw. Arzt-/Ersatzkassen-Vertrag (EKV) konkretisiert worden ist.

Zur Durchführung des Mammografie-Screening-Programms ist das Bundesgebiet entsprechend den Gebietsgrenzen der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen in regionale Versorgungsprogramme gegliedert worden, die wiederum von der Kassenärztlichen Vereinigung im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen auf Landesebene in einzelne Screening-Einheiten untergliedert worden sind. Eine Screening-Einheit wird von einem programmverantwortlichen Arzt (PVA) oder zwei in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätigen Programmverantwortlichen Ärzten geleitet und besteht aus mehreren Mammografie-Einheiten. Programmverantwortlicher Arzt bzw. programmverantwortliche Ärzte sind die Ärzte, denen die Übernahme des Versorgungsauftrags genehmigt worden ist. Der Versorgungsauftrag umfasst die notwendige ärztliche Behandlung und Betreuung der Frauen einschließlich Aufklärung und Information sowie die übergreifende Versorgungsorganisation und -steuerung. Der bzw. die beiden PVA kooperieren zur Erfüllung des Versorgungsauftrags mit anderen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten.

Auf dieser Rechtsgrundlage erfolgte durch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) im Jahr 2006 im Wege der amtlichen Bekanntmachung in den KVS-Mitteilungen die Ausschreibung des Versorgungsauftrags. Es bewarben sich für eine der ausgeschriebenen Screening-Einheiten 2 jeweils in Berufsausübungsgemeinschaft tätige Arztpaare als programmverantwortliche Ärzte um die Übernahme des Versorgungsauftrags. Folglich hatte die KVS eine Auswahlentscheidung zu treffen, da die Erteilung der Genehmigung des Versorgungsauftrags nur an eines der beiden konkurrierenden Bewerberpaare möglich war. Mit Bescheid aus Dezember 2006 erteilte die KVS unter gleichzeitiger Ablehnung eines Antrags die beantragte Genehmigung einem der beiden Bewerberpaare. Der Widerspruch der unterlegenen Bewerber gegen diese Entscheidung wurde von der KVS mit Widerspruchsbescheid aus März 2007 zurückgewiesen. Hiergegen erhoben die beiden unterlegenen Bewerber Klage vor dem zuständigen Sozialgericht Dresden.

Mit - noch nicht rechtskräftigem - Urteil vom 02.09.2009 (Az.: S 18 KA 687/07) hat die 18. Kammer des SG Dresden die Klage der unterlegenen Bewerber gegen die Auswahlentscheidung der KVS über die Erteilung der Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrages zur Früherkennung von Brustkrebs durch Mammografie-Screening als Programmverantwortliche Ärzte abgewiesen.

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Rechtsgrundlage der Entscheidung

Gem. Abschnitt B Nr. 4 lit. i Abs. 6 und 8 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinen ergänzt durch die §§ 4 und 5 der Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV hat die Kassenärztliche Vereinigung nur Konzepte von Bewerbern zu berücksichtigen, die die fachlichen Qualifikationsanforderungen an den PVA erfüllen. Die Konzepte der die Qualifikationsanforderungen erfüllenden Bewerber müssen die in § 5 Abs. 2 der Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV genannten Mindestangaben enthalten. Im Falle mehrerer gleich geeigneter Bewerber hat eine Auswahlentscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung nach pflichtgemäßen Ermessen zu erfolgen. Für diese Auswahl sind die persönliche Qualifikation der Bewerber, Verfügbarkeit und Qualifikation der kooperierenden Ärzte sowie seiner Mitarbeiter in der Screening-Einheit, Praxisausstattung, Praxisorganisation und apparative Ausstattung sowie die geeignete räumliche Zuordnung für die Versorgung der Frauen maßgeblich. Bei mehreren gleich geeigneten Bewerbern, die einen Versorgungsauftrag übernehmen wollen, entscheidet die bestmögliche räumliche Zuordnung für die Versorgung der Frauen.

Die KVS stellte in dem angegriffenen Genehmigungsbescheid ausdrücklich fest, dass fristgerecht zwei vollständige Konzepte vorlagen und beide Konzepte erkennen lassen, dass die Anforderungen an ein Mammografie-Screening erfüllt und im Routinebetrieb aufrecht erhalten werden können. Sie sah beide Bewerberpaare anhand der gesetzlichen Kriterien als gleich geeignet an. Damit war anhand des Kriteriums der bestmöglichen räumlichen Zuordnung für die Versorgung der Frauen die Auswahlentscheidung zu treffen. Hierbei gab der im Konzept der obsiegenden Bewerber grundsätzlich vorgesehene Einsatz einer mobilen Mammografie-Einheit gegenüber dem im Konzept der unterlegenen Bewerber nur für den Fall einer zu geringen Teilnehmerquote oder bei Ausfall einer stationären Mammografie-Einheit vorgesehene Einsatz einer mobilen Mammografie-Einheit den entscheidenden Ausschlag. Darüber hinaus sah das Konzept der obsiegenden Bewerber gegenüber dem Konzept der unterlegenen Bewerber eine zweite Abklärungseinheit in der Screening-Einheit vor. Die KVS begründete ihre Auswahlentscheidung damit, dass mit dem regelhaften Einsatz einer mobilen Mammografie-Einheit die Entfernungen zwischen dem Wohnort der Frauen und der Mammografie-Einheit nicht größer als 15 km gehalten wird und durch die zweite Abklärungseinheit längere Fahrzeiten der Frauen verhindert werden.

Die unterlegenen Bewerber beanstandeten, dass die Annahme der KVS, die Bewerber hätten im Wesentlichen gleichwertige Konzepte eingereicht, falsch sei. Vielmehr sei ihr Konzept besser geeignet gewesen, denn sie könnten insbesondere auf jahrelange Erfahrungen im Umgang mit digitaler Mammografietechnik verweisen. Ferner würde auch das im Konzept der obsiegenden Bewerber vorgesehene regelhafte Vorhalten einer mobilen Mammografie-Einheit im Vergleich zu dem in ihrem Konzept vorgesehenen bedarfsweisen Einsatz einer solchen mobilen Einheit keinen nennenswerten Vorteil begründen. Letztlich sei die zentrale Lage ihrer Mammografie-Einheit im betroffenen großstädtischen Ballungsraum für die Frauen besser erreichbar als die sich am Stadtrand befindliche Mammografie-Einheit der obsiegenden Bewerber.

Das SG Dresden bestätigte jedoch die angefochtene Entscheidung der KVS. Die von den klagenden, unterlegenen Bewerbern vorgebrachten Rügen griffen nicht durch.

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Vertragsärztliche Zulassung für PVA zwingende Voraussetzung

Die Übernahme des Versorgungsauftrags im Rahmen des Programms zur Früherkennung von Brustkrebs durch Mammografie-Screening ist auf Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als Teil der vertragsärztlichen Versorgung ausgestaltet und durch die Bundesmantelverträge den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten übertragen.

Vor dem Hintergrund, dass einer der beiden unterlegenen Bewerber zwischenzeitlich, also nach der angefochtenen Entscheidung der KVS aus März 2007 und vor dem Urteil des SG Dresden vom 02.09.2009 seine vertragsärztliche Tätigkeit im Gebiet der Screening-Einheit beendete und als angestellter Arzt in einem MVZ tätig wurde, stellte das Gericht fest, dass dieser Bewerber nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung gem. § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V teilnimmt. Da aber gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV nur ein Vertragsarzt als PVA tätig sein kann, sind bereits zwingende persönliche Voraussetzungen für die Erteilung des Versorgungsauftrags entfallen. Und da aufgrund der bestehenden Überversorgung mit Radiologen in den zur Screening-Einheit gehörenden Planungsbereichen auch eine freie Rückkehr dieses Bewerbers in den Kreis der Vertragsärzte nicht möglich ist, war die Klage dieses unterlegenen Bewerbers bereits aus diesem Grund abzuweisen.

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Ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung der KV

Ein Gericht darf bei der Ermessenüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, jedoch keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft nur, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der bzw. die Kläger, vorliegend also die unterlegenen Bewerber, durch diesen Ermessensfehler beschwert sind. Als Ermessensfehler kommen nur der Ermessensnichtgebrauch, die Ermessenunterschreitung oder -überschreitung sowie der Ermessensfehlgebrauch in Betracht. Ermessensnichtgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat. Von Ermessenunterschreitung oder -überschreitung ist auszugehen, wenn die Behörde ihren Ermessensspielraum zu eng eingeschätzt hat bzw. sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten hat. Ein Ermessensfehlgebrauch ist dann anzunehmen, wenn die Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Verwaltungsakts und des Widerspruchsbescheids wesentlich. Dass von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist, muss sich aus ihr ergeben; sie muss die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde ausgegangen ist. Die Berücksichtigung und Angaben der Besonderheiten des Einzelfalls kennzeichnen eine ordnungsgemäße Ermessensausübung.

Vorliegend hat das SG Dresden bei seiner Überprüfung des Genehmigungs-/Ablehnungsbescheids der KVS keine Fehler festgestellt. Es stellt nach Auffassung des Gerichts keinen Rechtsfehler dar, dass die KVS im Rahmen ihrer Auswahlentscheidung der unterschiedlichen Dauer der Berufserfahrung im Umgang mit digitaler Mammografie-Technik kein Gewicht beigemessen und die unterschiedlichen Mammografie-Standorte im betroffenen großstädtischen Ballungsgebiet hinsichtlich deren Erreichbarkeit als gleichwertig behandelt hat. Es liegt im Ermessen der KVS, zu bestimmen, welche Gesichtspunkte sie bei Vorliegen der zwingenden Genehmigungsvoraussetzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung als abwägungsrelevant erachtet, nach welchen Kriterien sie diese gewichtet und welches Gewicht sie ihnen im Rahmen der Abwägung beimisst. Gesichtspunkte, die nicht nach Abschnitt B Nr. 4 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinien und Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV bindend als abwägungsrelevant vorgeschrieben sind, kann sie dabei auch ohne nähere Begründung gänzlich unberücksichtigt lassen. Das Gericht ist auf grund des in Artikel 20 Abs. 2 und 3 Grundgesetz verankerten Grundsatzes der Gewaltenteilung gem. § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz nicht befugt, hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung der in die Abwägung der Auswahlkriterien einzubringenden Umstände sein eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensentscheidung der KVS zu setzen. Sowohl die Nichtberücksichtigung der Berufserfahrung im Umgang mit digitaler Mammografie-Technik als auch die pauschalisierende Annahme grundsätzlich gleichwertiger Erreichbarkeit von Standorten innerhalb eines großstädtischen Ballungsraums halten sich innerhalb der Grenzen und der Intention des der KVS eingeräumten Ermessens.

Dies gilt nach Ansicht des SG Dresden auch hinsichtlich der letztlich den Ausschlag gebenden Bewertung der Erreichbarkeit der Mammografie-Standorte nach beiden Bewerberkonzepten. Die Gründe für die Bevorzugung des Konzepts der obsiegenden Bewerber, die zusätzlich vorgesehene 2. Abklärungseinheit und der grundsätzlich geplante Einsatz der mobilen Mammografie-Einheit, bieten auch nach Ansicht des Gerichts die bessere Gewähr für die bestmögliche räumliche Zuordnung. Demgegenüber sei das Konzept der unterlegenen Bewerber mit nur einer Abklärungseinheit und dem bedarfsweisen Einsatz der mobilen Mammografie-Einheit bei zu geringer Teilnehmerquote nicht mit nachprüfbaren Kriterien untermauert, anhand derer die zum Einsatz der mobilen Einheit führende Teilnehmerquote festgestellt werden könnte. Die Ausführungen der KVS sind nach Einschätzung des Gerichts sowohl sachlich zutreffend als auch frei von Ermessensfehlern. Der Vorteil, den eine 2. Abklärungseinheit und der bindend vorgesehene regelhafte Einsatz der mobilen Mammografie-Einheit gegenüber der unbestimmten Aussicht auf den bedarfsweisen Einsatz der mobilen Einheit an Hand nicht nachprüfbarer Kriterien bietet, liegt auf derhand.

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Nichterfüllung von Auflagen führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung

Auch aus der von den unterlegenen Bewerbern behaupteten Nichterfüllung von mit der Genehmigung verbundenen wesentlichen Auflagen durch die obsiegenden Bewerber können keine Gründe abgeleitet werden, aus denen bereits die Erteilung der Genehmigung als rechtswidrig anzusehen wäre und die somit zu einer Aufhebung der Genehmigung führen müssten. Die Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrags ist gem. § 4 Abs. 2 lit. c Satz 2 und 3 der Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV mit der Auflage zu versehen, innerhalb eines Zeitraums von 9 Monaten nach Erteilung der Genehmigung und vor Beginn der Übernahme des Versorgungsauftrags alle Voraussetzung zu erfüllen und im Falle der Nichterfüllung der Voraussetzungen die Genehmigung zu widerrufen. Ein Widerruf als einzige infrage kommende Sanktion im Falle der Nichterfüllung der Voraussetzungen bzw. Auflagen setzt die Erteilung der Genehmigung bereits voraus. Die gegen die Erteilung der Genehmigung gerichtete Anfechtungsklage kann deshalb nicht damit begründet werden.

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Fazit

Die von der KVS getroffene Auswahlentscheidung war also nach Auffassung des SG Dresden korrekt. Die KVS ist bei ihrer Entscheidung von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und hat alle wesentlichen Umstände korrekt gewürdigt. Die Zweckmäßigkeit der von ihr dabei vorgenommenen Gewichtung der einzelnen Umstände und Auswahlkriterien war vom SG Dresden nicht zu überprüfen.

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