Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2009; 44(10): 652-658
DOI: 10.1055/s-0029-1242433
Fachwissen
Intensivmedizin
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Hyperbare Oxygenation – Stellenwert in der Intensivtherapie – Teil 2

Hyperbaric Oxygenation: Utility in Intensive Therapy – Part 2Lorenz Lampl, Günter Frey, Dietmar Fischer, Silke Fischer
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Publikationsdatum:
15. Oktober 2009 (online)

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Zusammenfassung

Gasbrand, nicht clostridiale Myonekrose und intrakranieller Abszess sind Krankheitsbilder, bei denen die hyperbare Oxygenation therapeutisch eingesetzt werden kann; Letalität und Invalidität können dadurch reduziert werden. Außer beim Gasbrand kommt die HBO bei diesen Erkrankungen lediglich adjuvant zum Einsatz, wenn die konventionellen chirurgischen, antibiotischen und intensivtherapeutischen Maßnahmen nicht ausreichen. Die Wirkung der HBO beruht auf mehreren Angriffspunkten: Sie verringert die Ödembildung, hemmt die Produktion des alpha–Toxins der Clostridien, wirkt bakteriotoxisch, steigert die Antibiotika–Wirkung und verbessert die Immunabwehr. Ein früher Behandlungsbeginn ist für den Erfolg der HBO–Therapie entscheidend.

Abstract

Gangrene, non–clostridial myonecroses and intracranial abscesses are clinical entities for which hyperbaric oxygenation can be used therapeutically. Mortality and invalidity can be reduced by this means. Except for gangrene, HBO is used merely as an adjuvant for these diseases when conventional surgical, antibiotic and intensive therapy measures are not sufficient. The action of HBO is based on several points of attack: it reduces the formation of oedema, inhibits the production of alpha–toxins of the Clostridia, has a bacteriotoxic action, increases the effectivity of antibiotics and improves the immune defense system. An early start is decisive for the success of HBO therapy.

Kernaussagen

  • Hyperbare Oxygenation (HBO) ist eine medizinische Behandlungsform, bei der der Patient in einer Überdruckkammer Sauerstoff unter einem höheren Partialdruck atmet als dem Luftdruck auf Meereshöhe, um damit sehr viel höhere Gewebspartialdrücke für Sauerstoff zu erreichen.

  • Bei den Indikationen zur HBO handelt es sich um Krankheitsbilder, die entweder mit dem Auftreten von Gasblasen in Körpergeweben oder Blutbahn einhergehen (Dekompressionskrankheit, Luftembolie), oder um Krankheitsbilder, für die eine hohe Sauerstoffanreicherung den entscheidenden (z. B. CO–Intoxikation) oder einen zentralen (spezielle Anaerobier–Infektionen) therapeutischen Schritt darstellt.

  • Gerade beim vital bedrohten Patienten muss die im Einzelfall erforderliche Intensivtherapie während der Druckkammerbehandlungen lückenlos aufrecht erhalten werden. Dies erfordert oft großen logistischen, materiellen und personellen Aufwand.

  • HBO ist grundsätzlich kein Ersatz für etablierte operative und/oder intensivtherapeutische Maßnahmen (Ausnahme Tauchunfall und AGE); ihr hoher therapeutischer Nutzen resultiert aus der komplementären Ergänzung derselben.

  • Bei der Gasbrand–Erkrankung gleicht das therapeutische Vorgehen einem Gebäude, das sich auf 4 tragende Säulen stützt: restriktive chirurgische Therapie, gezielte Antibiose, hyperbare Oxygenation und Intensivbehandlung. Schon der Wegfall einer dieser Säulen kann das gesamte Bauwerk zum Einsturz bringen.

  • Bei nicht clostridialen Weichteilinfektionen folgt HBO erst mit nachgerückter Priorität, wenn sich nach adäquatem chirurgischen Debridement und angepasster Antibiose der Zustand des Patienten weiterhin verschlechtert.

  • Eine frühzeitige adjuvante HBO–Behandlung sollte bei intrakraniellen Abszessen in Betracht gezogen werden, wenn mindestens ein oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt sind:

    • multiple Abszesse

    • Nachweis anaerober Keime im Liquor oder Abzsesspunktat

    • Abszesslokalisation in tiefen oder dominanten Gehirnregionen

    • Nichtansprechen bzw. weitere klinische Verschlechterung trotz neurochirurgischer und antibiotischer Standardtherapie

    • Kontraindikationen gegen neurochirurgischen Eingriff

Literatur

Prof. Dr. med. Lorenz A. Lampl
Dr. med. Günter Frey
Dr. med. Dietmar FischerDr. med. Silke Fischer 

eMail: LorenzLampl@bundeswehr.org

eMail: HBO.Frey@t-online.de

eMail: mail@decodoc.de

eMail: mail@dr-silke-fischer.de