Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2010; 45(1): 34-42
DOI: 10.1055/s-0029-1243377
Fachwissen
Topthema: Schmerztherapie und ambulante Versorgung
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ambulante Schmerztherapie – Pharmakotherapie bei Tumorschmerzen

Pharmacotherapy in cancer pain managementIngrid Gralow
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Publikationsdatum:
20. Januar 2010 (online)

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Zusammenfassung

In Abhängigkeit von der spezifischen Tumorerkrankung und dem Krankheitsstadium leiden 30–80 % aller Patienten an behandlungsbedürftigen Schmerzen. Ein vereinheitlichtes, international anerkanntes standardisiertes und validiertes System zur Klassifikation und zum Assessment von Tumorschmerzen wird angestrebt. Die Auswahl der Pharmaka sollte mechanismenbasiert nach der zugrunde liegenden Pathophysiologie erfolgen. Daher ist eine genaue Schmerzdiagnostik Voraussetzung für die Entscheidung über therapeutische Maßnahmen. Das weiterhin aktuell gültige Stufenschema der World Health Organisation (WHO) empfiehlt eine nicht invasive, soweit möglich orale Dauertherapie nach einem festen Zeitplan, individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt. Unter den Nichtopioiden liegen Wirksamkeitsnachweise spezifisch für tumorbedingte Schmerzen für NSAID und Metamizol, nicht aber für Paracetamol oder die Coxibe vor. Die postulierte Überlegenheit von Metamizol bei viszeralen Schmerzen ist nicht evidenzgesichert. Eine Kombination von Nichtopioiden ist nicht zu empfehlen. Morphin gilt nach dem WHO–Stufenschema weiterhin als Referenzsubstanz, was eher historisch als evidenzbasiert begründbar ist. Abhängig von eingeschränkter Nieren– und Leberfunktion werden Alternativen zu Morphin diskutiert. Die wichtigsten Adjuvanzien insbesondere bei neuropathischer Schmerzsymptomatik sind Antidepressiva und Antikonvulsiva. Mit einer differenziellen Pharmakotherapie ist in der ambulanten Versorgung zumeist eine ausreichende Analgesie zu erzielen.

Abstract

Cancer–related pain affects approximately about 30 to 80 % of all patients, according to primary and metastatic sides and stage of disease. Cancer pain management depends on the underlying pathophysiological mechanisms. Current pain treatment is still based on the World Health Organisation (WHO–”ladder”) – guidelines, opioid therapy beeing the cornerstone. The present overview article focuses on different opioids, as well as on the various adjuvants. Advantages and side effects of the different nonopioids, anticonvulsants, and antidepressants are discussed. The recommendations are limited for the adult outpatient treatment.

Kernaussagen

  • Soweit möglich, sollte die Auswahl der Analgetika und Kotherapeutika nach genauer Schmerzdiagnostik und mechanismenbasiert erfolgen.

  • Das WHO–Stufenschema gilt weiterhin als Basis.

  • Die Wirksamkeit von NSAID und Metamizol für tumorbedingte Schmerzen ist nachgewiesen.

  • Eine Kombination von Nichtopioiden ist nicht zu empfehlen.

  • Alternativen zu Morphin sind Hydromorphon, Oxycodon, Fentanyl und Buprenorphin.

  • Bei einem Opioidwechsel sollte mit 30–50  % der äquianalgetischen Dosis gestartet werden.

  • Bei Durchbruchschmerzen sind rasch wirkende, nichtretardierte Opioide in unterschiedlichen Applikationsformen verfügbar – ca. 1/6 der Tagesdosis wird als Bolus empfohlen.

  • Die wichtigsten Adjuvanzien bei neuropathischer Schmerzsymptomatik sind Antidepressiva und Antikonvulsiva.

Literatur

PD Dr. med. Dipl. Psych. Ingrid Gralow

eMail: gralow@uni-muenster.de