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DOI: 10.1055/s-0029-1245693
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Qualitätssicherung in der beruflichen Weiterbildung
Publication History
Publication Date:
14 September 2010 (online)
Unabhängig von den finanziellen Ressourcen unseres Berufsstandes existiert weiterhin ein unüberschaubares Angebot an physiotherapeutischen Fort- und Weiterbildungen. Gerade in der Manuellen Therapie werden interessierte Teilnehmer mit einer Fülle verschiedenster Angebote konfrontiert. In diesem Wirrwarr spielt die transparente Qualitätssicherung für manche Anbieter allzu oft nur eine untergeordnete Rolle, und die Auswahl des Weiterbildungsweges bleibt häufig dem Zufall überlassen.
Nicht nur auf nationaler Ebene ist die Qualitätssicherung in der beruflichen Weiterbildung ein wichtiges Thema. Seit 40 Jahren ist die International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists (IFOMPT) als Untergruppe der World Confederation for Physical Therapy (WCPT) bestrebt, weltweit einen Standard für Manualtherapeuten zu etablieren. Auf ihrer Jahreshauptversammlung im Jahr 2004 in Kapstadt wurde ein internationales Monitoring-Verfahren für die von der IFOMPT anerkannten OMT-Weiterbildungen beschlossen. Dieses schreibt vor, dass jede Mitgliedsorganisation alle 3 Jahre über die Qualität und Qualitätssicherungsmaßnahmen ihrer postgraduierten OMT-Weiterbildungen berichten muss. Darauf basierend, kann die IFOMPT den Mitgliedsorganisationen Empfehlungen für die Weiterentwicklung ihrer Programme geben und gegebenenfalls Bedingungen für die fortlaufende Mitgliedschaft auferlegen.
Die Curricula der OMT-Weiterbildungen orientieren sich an den im IFOMPT „Standards”-Dokument [3] festgelegten Dimensionen und Kompetenzen. Der Monitoring-Prozess überprüft deren Umsetzung und wird als angemessenste Methode zur Festlegung und Evaluierung von Weiterbildungsstandards und zur Qualitätssicherung angesehen. Gleichzeitig werden die Unterschiede und Eigenheiten des professionellen Umfelds in den Länder der einzelnen Mitgliedsorganisationen berücksichtigt und die Eigenständigkeit der einzelnen Programme erhalten. Der IFOMPT-Ausschuss für Standards (IFOMPT Standards Committee) leitet und setzt den Prozess der fortlaufenden Evaluierung der Weiterbildungsstandards gemäß der IFOMPT um.
Die deutsche IFOMPT-Mitgliedsorganisation DFAMT ist aufgefordert, ihren ersten Bericht im Frühjahr 2011 an das IFOMPT Standards Committee einzureichen. Diese Aufgabe stellte für die 4 in der DFAMT zusammengeschlossenen Organisationen ([Abb. 1]) eine große Herausforderung dar. Vor 3 Jahren beschlossen die DFAMT-Mitgliedsorganisationen, sich keiner externen Evaluation zu unterziehen. Stattdessen überlegten sie, wie sie die Gelegenheit nutzen könnten, die Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb der DFAMT zu fördern und zu unterstützen. Jede Organisation wählte jeweils einen Vertreter in eine neu gegründete DFAMT-Monitoring-Projektgruppe. Die Projektgruppe wurde mit der Aufgabe betraut, gemeinsam eine geeignete Evaluation zu entwickeln und durchzuführen. Es folgten 6 intensive Arbeitswochenenden, an denen die Projektgruppe ihr Evaluationskonzept und Vorgehen festlegte und umsetzte.
Abb. 1 Die Mitglieder der DFAMT-Monitoring-Projektgruppe (von links nach rechts): Rainer Schwarz (DGOMT), Trisha Davies-Knorr (DVMT), Achim Rössler (AG-MT) und Martin Thiel (DFOMT).
In einem innovativen Prozess wurden die OMT-Programme jeweils von den 3 Projektgruppenmitgliedern der nicht involvierten Organisationen evaluiert. Die Evaluation orientiert sich an dem IFOMPT-Standards-Dokument, und die Projektgruppenmitglieder haben zu allen dem Ausbildungsprogramm zugehörigen Unterlagen Zugang. Sie agieren als Beobachter beim Unterricht sowie bei Prüfungen und kontrollieren stichprobenartig die schriftlichen Arbeiten der Teilnehmer. Sie befragen die OMT-Weiterbildungsteilnehmer über ihre Erfahrungen und Vorschläge. Ihre Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Weiterbildungsprogramme und das Prüfverfahren die IFOMPT-Weiterbildungskriterien erfüllen und die Lehrpersonen für den Unterricht und die klinische Betreuung geeignet sind sowie über die entsprechende Erfahrung verfügen.
Sie überprüfen, ob die bildungserzieherischen, theoretischen und klinischen Standards zufriedenstellend sind. Ihre Beobachtungen, Belobigungen, Vorschläge, aber auch ihre Auflagen werden für jede der 4 Mitgliedsorganisationen in einem jährlichen Bericht zusammengestellt. Der 1. jährliche Bericht ging im Mai dieses Jahres an die DFAMT-Mitgliedsorganisationen. Die Organisationen haben bis Dezember Zeit, auf den Bericht zu reagieren, bevor die Projektgruppe Anfang 2011 ihren 3-jährlichen Bericht an das IFOMPT Standards Committee einreicht. Der Evaluationsprozess ist fortlaufend, und die Projektgruppe wird ihre Arbeit stetig weiterführen, um die Weiterentwicklung aller OMT-Weiterbildungen in Deutschland zu unterstützen. Zudem ist vorgesehen, dass die Projektgruppe künftig für die Überprüfung neuer Mitgliedsanträge in der DFAMT zuständig sein wird.
Die berufliche Weiterbildung des letzten Jahrzehnts ist durch einen Paradigmenwechsel gekennzeichnet. Heute stehen weniger die Lehrinhalte, sondern mehr die Kompetenzen, im Mittelpunkt, über die die Lernenden am Ende ihrer Weiterbildung verfügen sollen. Das bedeutet, weg vom „Inputdenken” und hin zu den „Learning Outcomes”. Dieser Verlagerung wird in Europa durch die Forderungen des Bologna-Prozesses nach vergleichbaren Studienabschlüssen zusätzlicher Auftrieb gegeben [1]. Die Bewegung weg vom lehrerzentrierten hin zum lernendenzentrierten Unterricht wird durch die IFOMPT-Standards und den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) zur Förderung von Mobilität und lebenslangem Lernen reflektiert [2].
In der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist zudem eine Bewegung weg von an „Autoritäten” (Personen) orientierten hin zu evidenzbasierten bzw. -gestützten Curricula zu verzeichnen. Auch dies soll sich in den OMT-Weiterbildungen widergespiegeln. Neben inhaltlichen Aspekten haben alle DFAMT-Mitgliedsorganisationen insbesondere in den oben genannten Bereichen enorme Anstrengungen unternommen, um ihre Curricula zu aktualisieren bzw. zu verbessern und so den Anforderungen der IFOMPT-Standards gerecht zu werden.
Dieses zeitintensive und kostspielige Qualitätssicherungsverfahren verlangt viel Energie und idealistisches Engagement von allen Beteiligten. Die Verpflichtung und der Einsatz der jeweiligen DFAMT-Mitgliedsorganisationen sind beeindruckend, und die Zusammenarbeit findet in einer Atmosphäre von Offenheit, konstruktiver Kooperation und gegenseitigem Vertrauen statt. Die Bereitschaft zur Weiterentwicklung ist beispielhaft für einen reifen professionellen Berufsstand sowie für eine funktionsfähige Programmevaluation und Qualitätssicherung. Dies bildet wiederum ein Fundament für die Einführung des Direktzugangs zum Physiotherapeuten. Wenn wir zeigen, dass wir in der Lage sind, verantwortungsvoll und kritisch mit unserem eigenen Handeln umzugehen, haben wir bessere Chancen, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Abb. 2 Übersicht der hierarchischen Beziehungen zwischen Manuelle-Therapie-Organisationen in Deutschland mit der Berechtigung, OMT-Weiterbildungen anzubieten: WCPT = World Confederation for Physical Therapy (www.wcpt.org), IFOMPT = International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists (www.ifompt.com), DFAMT = Deutsche Föderative Arbeitsgemeinschaft für Manuelle Therapie (www.dfamt.com), AG-MT = Arbeitsgemeinschaft Manuelle Therapie (AGMT) im ZVK (www.ag-manuelle-therapie.de), DFOMT = Deutsche Fachgruppe für Orthopädische Manuelle Therapie (www.dfomt.de), DGOMT = Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Manuelle Therapie (www.dgomt.de), DVMT = Deutscher Verband für Manuelle Therapie (Maitland-Konzept; (www.dvmt.org).
Literatur
- 1 Bologna Declaration. Der Europäische Hochschulraum. Gemeinsame Erklärung der europäischen Bildungsminister. 1999 http://www.bmbf.de/pub/bologna_deu.pdf
- 2 European Commission. The European Qualification Framework for Lifelong Learning (EQF). Louxembourg: Office for Official Publications of the European Comunities,. 2008
- 3 Rushton A, Beaton K, Langendoen J et al. Educational Standards in Orthopaedic Manipulative Physical Therapy. International Federation of Orthopaedic Manipulative Therapists (IFOMPT); 2008 http://www.ifomt.org/pdf/IFOMT_Education_Standards_and_International_Monitoring_20080611.pdf
Trisha Davies-Knorr, MCSP PT OMT-DVMT
Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Universitätsklinikum München
Ziemssenstr. 1
80336 München
Email: Patricia.Davies-Knorr@med.uni-muenchen.de