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DOI: 10.1055/s-0030-1247236
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Ethik in der Gynäkologie und Geburtshilfe
Publication History
Publication Date:
11 March 2010 (online)
Warum Ethik?
Kaum eine andere Disziplin der Medizin hat so viele Berührungspunkte mit ethischen Fragen wie die Gynäkologie und die Geburtshilfe [4]. Dies liegt zum einen daran, dass der Frauenarzt es in der Regel mit einem komplizierten Beziehungsgeflecht zu tun hat, bei dem verschiedene Werte und Interessen miteinander in Konflikt geraten können. Es liegt aber auch und vor allem daran, dass sich gerade in der Frauenheilkunde die großen Menschheitsfragen gleichzeitig stellen: die Frage nach dem Beginn und nach dem Ende der menschlichen Existenz. Für diese beiden Grundfragen des Menschen gibt es keine einfachen Antworten. So ist es nicht eindeutig klar, wann der Mensch überhaupt Mensch ist. Auch ist nicht klar, was für den Menschen eine gute Anfangsbedingung ist und was nicht. Ist es zum Beispiel gut für den Menschen zu wissen, dass er sein Sosein nicht dem Zufall, sondern der bewussten Auswahl seiner Eltern zu verdanken hat? Ist es gut für den Mensch zu wissen, dass er nur dann akzeptiert worden ist, nachdem die Pränataldiagnostik keinen pathologischen Befund zutage gefördert hat? Genauso wenig ist es klar, was angesichts einer malignen Erkrankung eine gute Behandlung ist; ist es für die Patientin gut, wenn man für eine marginale Lebenszeitverlängerung subjektiv hoch belastende Behandlungsprozeduren anbietet? Fragen über Fragen, über die man nachgedacht haben sollte, wenn man den Patientinnen in der Gynäkologie und Geburtshilfe nicht nur technisch, sondern auch menschlich gerecht werden will.
Insbesondere in der Gynäkologie stellen sich einige ethische Fragen, über die der Arzt im Sinne einer „guten” Behandlung der Patientinnen bereits im Vorfeld nachdenken sollte.
Die Ethik ist eine Disziplin des Nachdenkens über das Gute; sie denkt aber über das Gute nicht nur still nach, sondern sie versucht, über das Systematisieren und Hinterfragen zu neuen Erkenntnissen darüber zu gelangen, anhand welcher Kriterien man zwischen einer guten und einer schlechten Handlung unterscheiden kann. Speziell die Medizinethik möchte dieses theoretische Hinterfragen mit dem ganz konkreten Handlungskontext der Medizin zusammenbringen. Die Medizinethik lässt sich auf die konkrete Praxis der Medizin ein und versucht, Klarheit darüber zu gewinnen, unter welchen Umständen und Voraussetzungen man wohlbegründet von einer guten Medizin sprechen kann. So steht auch dieser Beitrag unter dieser ethischen Leitfrage.
Fazit für die Praxis
Der Medizinethik geht es darum, über die Werte, die für die Medizin relevant sind, nachzudenken. Damit will sie den Einzelnen in die Lage versetzen, zu einer eigenen wohlbegründeten Auffassung von einer guten Medizin zu gelangen.
Literatur
- 1 Hepp H. Recht und Ethik in der Reproduktionsmedizin – ärztliche und ethische Aspekte. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung. 2002; 96 396-402
- 2 Hepp H. Aporie der Pränatalmedizin. Gynäkologisch-geburtshilfliche Rundschau. 2002; 42 67-74
- 3 Landau R. Secrecy, anonymity, and deception in donor insemination: a genetic, psycho-social and ethical critique. Social Work and Health Care. 1998; 28 75-89
- 4 Maier B. Ethik in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin: Springer; 2000
- 5 Maio G. Zur Begründung der Schutzwürdigkeit des Embryos e contrario. In: Maio G, Just H, Hrsg. Die Forschung mit embryonalen Stammzellen in ethischer und rechtlicher Perspektive. Baden-Baden: Nomos; 2002: 168–177
- 6 Maio G. Der Status des extrakorporalen Embryos. Stuttgart: Frommann Holzboog; 2007
- 7 Maio G. Was ist eine gute Medizin? Zu den ethischen Fallstricken einer modernen Medizin im Wandel. Gynäkologe. 2007; 40 755-662
- 8 Maio G. Die Reproduktionsmedizin zwischen Heilkunst und wunscherfüllender Dienstleistung. Geburtsh Frauenheilk. 2010; 70 24-29
- 9 Shehab D, Duff J, Pasch L A et al. How parents whose children have been conceived with donor gametes make their disclosure decision: contexts, influences, and couple dynamics. Fertil Steril. 2008; 89 179-187
- 10 Stöbel-Richter Y, Beutel M E, Finck C et al. The “wish to have a child”, childlessness and infertility in Germany. Hum Reprod. 2005; 20 2850-2857
Prof. Dr. med. Giovanni Maio M. A.
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin · Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Stefan-Meier-Straße 26
79104 Freiburg i. Br.
Email: maio@ethik.uni-freiburg.de