Balint Journal 2010; 11(2): 63
DOI: 10.1055/s-0030-1247403
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Dr. med. Margarethe Stubbe, geb. Feddersen

*2. März 1921 † 5. April 2010
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Publication Date:
17 June 2010 (online)

Nun ist sie von uns gegangen, leise, ohne Klagen, wie es ihre Art war. Das Bild zeigt sie in ihrem Haus in Salzgitter. Es war ihr vergönnt, sich bis zum Schluss an dem vertrauten zu Hause und dem geliebten Garten zu erfreuen.

Margarete Stubbe wurde in Idstedt in Schleswig-Holstein geboren und wuchs als mittleres von drei Geschwistern in der Nähe von Hamburg auf. Ihr Vater war Kapitän zur See zwischen Hamburg und Südamerika. Sie studierte Humanmedizin in Hamburg, Göttingen, Strasbourg und Freiburg im Breisgau und promovierte mit einem chirurgischen Thema zum Dr. med.

Nach der Eheschließung mit Dr. med. H. J. Stubbe lebte sie am Harz, zunächst in Liebenburg, später in Salzgitter. Für die Erziehung ihrer vier Kinder unterbrach sie ihre Berufstätigkeit, nahm sie in Braunschweig bei Pro Familia wieder auf und ­arbeitete einige Jahre an der Klinik Dr. Frontheim in Liebenburg, bis sie sich 1980 als Psychotherapeutin niederließ.

Ende der 70er-Jahre stieß sie zur Balintarbeit. Sie wurde Mitglied der Deutschen Balintgesellschaft und auch bald ihre Geschäftsführerin. Ethe Stubbe war über viele Jahre der kommunikative Mittelpunkt der Balintgesellschaft ohne es anzustreben und wohl auch ohne es selbst in seiner Bedeutung wahrzunehmen. Sie kannte alle, weil sie, ausgestattet mit einem hervorragenden Gedächtnis, das auch im Alter kaum nachließ, mit außerordentlichem Interesse am Erleben und Schicksal anderer teilnehmen konnte. Jeder fühlte sich in ihrer Nähe vertraut und angenommen. ­Tolerant und diplomatisch vermochte sie Spannungen zu entschärfen, notfalls auch zu übersehen. Ethe Stubbe und die Balintarbeit waren bei diesen Eigenschaften wie für einander geschaffen.

Sigmar Scheerer lernte sie als Mitglied einer ­Balintgruppe 1986 in Budapest beim Michael-Balint-Gedenkkongress kennen. Sie leitete eine Gruppe mit Rita Kielhorn als Co. Ihm imponierte ihre zurückhaltende, aber bestimmende Art, wenn sie intervenierte. Ethe kam mehrmals zu ihm nach Heinersdorf und nahm bei dieser Gelegenheit auch mit außerordentlichem Interesse an den Tagungen der Regionalgesellschaften Psy­chotherapie Frankfurt / Oder und der Nordbezirke (Rostock, Neubrandenburg, Schwerin) teil. Werner König traf sie erstmals beim Psychosomatikkongress 1988 in Marburg und war überrascht von ihrem unvoreingenommenen Interesse an der Balintarbeit im Osten.

Ihre Kenntnis der Vorhaben und Probleme der Psychosomatik, Psychotherapie und der Balint­arbeit in der DDR ermöglichte es ihr, bei dem Psycho­therapiesymposium 1987 in Erfurt zur Vertiefung der Kontakte zwischen Ost und West beizutragen und die Gründung der „Balintgesellschaft der DDR“ im September 1990 (!) – im Unter­schied zu anderen namhaften Vertretern der Balintarbeit – zu verstehen und zu unterstützen, wofür sie auch kurz vor Torschluss Ehrenmitglied wurde.

Ethe Stubbe führte ein reiches Leben und konnte so mit vollen Händen an andere weitergeben. Aufgeschlossen wie gegenüber den Menschen war sie auch gegenüber der Kunst. Sie spielte Klavier und widmete sich dem Nachlass ihres Großvaters, des Malers Hans Peter Feddersen.

Das Amt der Geschäftsführerin gab sie aus gesundheitlichen Gründen Anfang der 90er-Jahre ab, nahm aber weiter an Studientagungen der Balint­gesellschaft teil und führte auch ihre Ba­lintgruppen in Salzgitter und an der Psychiat­rischen Universitätsklinik in Göttingen weiter. Ethe Stubbe war über rund zehn Jahre Mitherausgeberin des Balint-Journals, auch hier höchst ­engagiert, kompetent und kritisch. 2009 wurde sie Ehrenbeirat der Zeitschrift.

Margarete Stubbe war auch einige Jahre Vizepräsidentin der Internationalen Balintgesellschaft und hat bis vor wenigen Jahren an ihren Kongressen in verschiedenen Ländern teilgenommen.

Wir haben mit Ethe eine zutiefst mütterliche Freundin verloren, die mit ihrer uneigennützigen Anteilnahme stets andere beschenkte.

Wie Ethe Stubbe erlebt wurde und wirkte zeigt die spontane Reaktion eines vertrauten jüngeren Kollegen, als er von ihrem Tode erfuhr. Nach tiefem Schweigen sagte er: „Ich denke, der Tag wird kommen, an dem wir Ethe an einem Tisch finden und sie sagen wird: Ich habe schon lange auf Euch gewartet.“

Werner König
Sigmar Scheerer

W. König
Sigmar Scheerer

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