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DOI: 10.1055/s-0030-1249405
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Keine unmittelbare Anwendbarkeit der GOÄ auf Leistungen niedergelassener Radiologen für Krankenhauspatienten
Rechtsanwälte Wigge
Dr. Peter Wigge Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Dr. Ulrike Tonner Rechtsanwältin
Scharnhorststr. 40
48151 Münster
Telefon: 0251/53595-0
Fax: 0251/53595-99
eMail: kanzlei@ra-wigge.de
URL: http://www.ra-wigge.de
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
24. Februar 2010 (online)
- Einführung
- Abrechnungsfragen stehen im Vordergrund
- Allgemeine Krankenhausleistungen i.S.v. § 2 Abs. 2 S. 2Nr. 2 KHEntG
- Keine unmittelbare Anwendung der GOÄ auf Kooperationsvereinbarungen zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Radiologen
- Honorierung unterhalb des Gebührenrahmens der GOÄ
- Fazit und Ausblick
Einführung
Betrachtet man die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre, wird das Bemühen des Gesetzgebers deutlich, unter dem Stichwort der "Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung" die traditionelle Trennung beider Versorgungsbereiche aufzulockern. Für niedergelassene Radiologen besteht darüber hinaus eine wirtschaftliche Notwendigkeit, mit anderen Partnern zur Auslastung der vorhandenen Geräte, insbesondere im Bereich der Schnittbilddiagnostik, zusammenzuarbeiten. Die schnelle technische Überalterung der Geräte und die Notwendigkeit zur ständigen technischen Innovation aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit, aufgrund der Abhängigkeit des Radiologen von überweisenden Ärzten, hat den durchschnittlichen Praxiskostenanteil in dieser Fachgruppe stark ansteigen lassen. Die radiologische Praxis in der Zukunft wird deshalb nur wirtschaftlich überleben können, wenn sie mit anderen Partnern (niedergelassenen Kollegen, Krankenhausärzten und Krankenhäusern) kooperativ zusammenarbeitet und gemeinsame Nutzungs- oder Investitionsentscheidungen zu treffen vermag. Die bisherigen Erfahrungen belegen jedoch, dass eine engere Verzahnung zwischen radiologischer Praxis und Krankenhaus problematisch ist, solange die Finanzierungsgrundlagen unterschiedlich geregelt sind.
#Abrechnungsfragen stehen im Vordergrund
Neben der rechtlichen Zulässigkeit denkbarer Kooperationsformen steht auch die Abrechnung von Leistungen niedergelassener Vertragsärzte für Patienten eines Krankenhauses immer wieder im Fokus sowohl der sozialgerichtlichen als auch der zivilgerichtlichen Rechtsprechung. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem nachstehend besprochenen Urteil vom 12.11.2009 (Az.: III ZR 110/09) über die Abrechenbarkeit radiologischer Leistungen eines niedergelassenen Arztes für Regelleistungspatienten eines Krankenhauses zu entscheiden. Die wesentliche Kernaussage dieser jüngsten Entscheidung des BGH ist, dass Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Radiologen über die Hinzuziehung im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistung nicht den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) unterliegen.
Der dem Urteil des BGH vom 12.11.2009 (Az.: III ZR 110/09) zugrunde liegende Sachverhalt betraf die Erbringung radiologischer Leistungen für Regelleistungspatienten eines Krankenhauses durch eine radiologische Gemeinschaftspraxis. Das Krankenhaus selbst verfügte in diesem Fall über keine eigene radiologische Fachabteilung. Entgegen einer mündlichen Vergütungsvereinbarung zwischen dem Krankenhaus und dem früheren Praxisinhaber über die Zugrundelegung eines einheitlichen Steigerungssatzes von 0,75 des Gebührensatzes der GoÄ hatte die Gemeinschaftspraxis für die ihrerseits erbrachten Leistungen gegenüber dem Krankenhaus überwiegend einen 1,2-fachen Gebührensatz abgerechnet. Mit ihrer Klage verlangte nunmehr die radiologische Gemeinschaftspraxis den seitens des Krankenhauses nicht gezahlten, sich aus den unterschiedlichen Steigerungssätzen ergebenden Differenzbetrag. Das vorinstanzliche Berufungsgericht lehnte die Klage mit der Begründung ab, die mündliche Vergütungsabrede über die Zugrundelegung des 0,75-fachen Gebührensatzes sei wirksam, da die Vorschriften der GOÄ auf den Kooperationsvertrag zwischen den Prozessparteien nicht unmittelbar anzuwenden seien. Dieser Rechtsauffassung hat sich der BGH angeschlossen und die Revision der Gemeinschaftspraxis zurückgewiesen.
#Allgemeine Krankenhausleistungen i.S.v. § 2 Abs. 2 S. 2Nr. 2 KHEntG
Ohne weitergehende Begründung führt der BGH in seinen Entscheidungsgründen zunächst aus, dass die seitens der Gemeinschaftspraxis erbrachten radiologischen Leistungen gem. § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) Bestandteil der allgemeinen Krankenhaus-leistungen sind und folglich weder unmittelbar gegenüber dem Patienten noch gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen sind. Vielmehr seien diese für die sachgerechte Behandlung des Patienten erforderlichen Leistungen über die Entgelte der allgemeinen Krankenhausleistung entsprechend den Regelungen des KHEntG vergütet.
#Keine unmittelbare Anwendung der GOÄ auf Kooperationsvereinbarungen zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Radiologen
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit beriefen sich die Ärzte der Gemeinschaftspraxis darauf, die mündliche Vereinbarung des 0,75-fachen Steigerungssatzes verstoße gegen das Schriftformerfordernis des § 2 Abs. 2 GOÄ und sei aufgrund dessen unwirksam. Dieser Ansicht ist der BGH im Einklang mit den Vorinstanzen mit Hinweis auf die nicht zwingende Anwendbarkeit der GOÄ-Vorschriften auf das streitige Rechtsverhältnis nicht gefolgt.
Die GOÄ ist grundsätzlich die maßgebliche Rechtsgrundlage der Honorare, die Ärzte für Leistungen gegenüber Privatpatienten bzw. in § 11 Abs. 1 GOÄ genannten Leistungserbringern verlangen können. Zu Recht weist der BGH in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass im zu entscheidenden Fall eine solche Fallgestaltung gerade nicht vorliegt. Das Krankenhaus sei weder Leistungsempfänger noch Leistungserbringer im Sinne von § 11 Abs. 1 GOÄ, sondern gerade selbst auch Leistungserbringer der allgemeinen Krankenhausleistung, welcher die Leistungen der Gemeinschaftspraxis im Verhältnis zum Patienten zugerechnet würden. Bei dem zwischen den Prozessparteien bestehenden Rechtsverhältnis handele es sich um einen Dienstvertrag, der auf die Komplettierung der vom Krankenhaus geschuldeten allgemeinen Krankenhausleistung gerichtet sei. Im Rahmen dessen sei die Regelung der Einzelheiten einer angemessenen Vergütung der ärztlichen Tätigkeit allein Sache der Vertragsparteien, wobei diese sich selbstverständlich am ärztlichen Gebührenrecht orientieren können.
Als weiteres Argument für die nicht unmittelbare Anwendung der GOÄ auf Vereinbarungen zwischen Krankenhäusern und externen Ärzten führt der BGH die Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 1 GOÄ an. § 2 Abs. 1 GOÄ berechtigt den Vertragsarzt zur Vereinbarung einer von der GOÄ in der Höhe abweichenden Vergütung. Entsprechend der Verordnungsbegründung gelte dies nicht nur für Vereinbarungen mit dem Patienten, sondern auch für Kollektivverträge mit Leistungsträgern, die anstelle des Patienten die Vergütungspflicht übernehmen. Verträge mit anderen Leistungserbringern würden in der Begründung jedoch gerade nicht genannt, obwohl bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der GOÄ Kooperationen in Form von Konsiliarärzten üblich gewesen seien und deren Leistungen mit den allgemeinen Pflegesätzen der Krankenhausbehandlung abgegolten worden seien. An diesem Rechtszustand habe sich aus Sicht des BGH auch nichts trotz späterer Änderungen der GOÄ geändert. Es seien keine Hinweise ersichtlich, dass die Regelungen der GOÄ, die durchweg dem Patientenschutz dienen würden, zugleich einen verbindlichen Rahmen für Kooperationsverträge über die Hinzuziehung vertragsärztlicher Leistungen im Rahmen allgemeiner Krankenhausleistungen setzen wollten.
Im Ergebnis findet die GOÄ nach der BGH-Rechtsprechung nur dann auf Kooperationsverträge im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistung Anwendung, wenn ihre Geltung durch die Vertragsparteien ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde.
#Honorierung unterhalb des Gebührenrahmens der GOÄ
Abschließend stellt der BGH in seinem Urteil vom 12.11.2009 (Az.: III ZR 110/09) fest, dass die dem Sachverhalt dieser Entscheidung zugrunde liegende Vergütungsvereinbarung auch nicht deshalb unwirksam sei, weil sie eine Honorierung unterhalb des Gebührenrahmens der GOÄ vorsehe. Nach § 11 der Bundesärzteordnung (BÄO), der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der GOÄ, sind in der GOÄ die Mindest- und Höchstsätze für die ärztlichen Leistungen festzusetzen. In Verbindung mit § 2 Abs. 1 GOÄ, wonach eine von der GOÄ in der Höhe abweichende Vergütung vereinbart werden kann, läge es nach Ansicht des BGH in der Konsequenz dieser Regelung, dass Abweichungen in beide Richtungen gehen können. Zur Unterstützung dieser Argumentation verweist der BGH auf die Berufsordnungen der Ärztekammern, die ebenfalls eine Unterschreitung der Mindestgebühr nicht generell verbieten würden, sondern nur dann, wenn die GOÄ in unlauterer Weise unterschritten würde. Im vorliegenden Fall verneint der BGH eine Beeinflussung des Wettbewerbes in unlauterer Weise, da durch das niedrig bemessene Honorar andere Radiologen nicht in ihrer Tätigkeit behindert worden seien. So sei weder das Krankenhaus nach der Vereinbarung verpflichtet gewesen, alle Patienten, die radiologische Leistungen benötigten, der Gemeinschaftspraxis zuzuführen, noch die Gemeinschaftspraxis zur Behandlung der vom Krankenhaus zugewiesenen Patienten verpflichtet gewesen. In der hier zu beurteilenden Vergütungsvereinbarung eine unerlaubte Vorteilsgewährung im Sinne von § 31 BÄO zu sehen, sei nach Ansicht des BGH eine fern liegende theoretische Überlegung.
#Fazit und Ausblick
Zentrale Frage des hier dargestellten Urteils des BGH war, ob die Vorschriften der GOÄ im Fall einer Hinzuziehung eines niedergelassenen Radiologen in die allgemeine Krankenhausleistung auf das interne Vertragsverhältnis zwischen Krankenhaus und externem Arzt zwingend Anwendung finden oder nicht. Dies hat der BGH unter Hinweis auf den Anwendungsbereich sowie Sinn und Zweck der GOÄ eindeutig verneint. Radiologe oder Krankenhaus können sich im Rahmen der vorliegenden Leistungsbereiche nur dann auf die Regelungen der GOÄ berufen, wenn deren Geltung vertraglich ausdrücklich vereinbart wurde. Allerdings steht es den Kooperationspartnern offen, die GOÄ als Orientierungsmaßstab für ihre Rechtsbeziehungen heranzuziehen. Im Rahmen dessen ist auch eine Vergütungsvereinbarung wirksam, die den Mindestgebührensatz der GOÄ unterschreitet. Eine Unzulässigkeit kommt diesbezüglich nur dann in Betracht, wenn in der Unterschreitung eine unlautere Wettbewerbsbeeinflussung liegt. Den Entscheidungsgründen des BGH ist zu entnehmen, dass allein in der Vereinbarung eines niedrigen Honorars nicht pauschal eine unlautere Beeinflussung des Wettbewerbs oder sogar eine unerlaubte Vorteilsgewährung im Sinne von § 31 BÄO zu sehen sei. Entscheidend dafür sind immer die Umstände des Einzelfalls.
#Rechtsanwälte Wigge
Dr. Peter Wigge Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Dr. Ulrike Tonner Rechtsanwältin
Scharnhorststr. 40
48151 Münster
Telefon: 0251/53595-0
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Rechtsanwälte Wigge
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