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DOI: 10.1055/s-0030-1249418
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Akustikusschwannom: bildgebende Diagnostik
Imaging Findings in Acoustic SchwannomaPublication History
Publication Date:
16 April 2010 (online)
Akustikusschwannome repräsentieren 7-8 % aller primärer intrakraniellen Neoplasien und über 80 % all derer, die im Kleinhirnbrückenwinkel lokalisiert sind. Sie entstehen am häufigsten vom vestibulären Teil des Hirnnervens VIII und zwar ein- oder beidseitig. Letzteres kommt in der Regel im Zusammenhang mit der Neurofibromatose Typ 2 (NF2) vor und stellt ca. 2-4 % aller Akustikusschwannome dar (Scott W. Atlas Magnetic Resonance Imaging of the Brain and Spine. 4. Auflage. Philadelphia: Wolters Kluwer/Lippincot Williams & Wilkins; 2009: 1212-1214).
Makrohistologisch stellen sich die Akustikusschwannome rund oder oval, scharf berandet und oft lobuliert dar. Mikroskopisch werden 2 Typen von Geweben beschrieben. Der Antoni-A-Gewebetyp besteht aus einer kompakten Struktur mit bipolaren Spindelzellen und einer Stroma, manchmal unter Beimischung von Kollagenfasern. Im Gegensatz dazu, besteht der Antoni-B-Gewebetyp aus einer lockeren Textur von Tumorzellen alternierend mit Mikrozysten und muzinösem Material. Weitere histologische Varianten enthalten vermehrt Fibroblasten, Kalzifikationen etc. Die Tumorvaskularisation ist generell prominent mit fokalen Gefäßdilatationen und Teleangiektasen.
Die Klinik des Akustikusschwannoms wird von Hypoakkusis, Tinnitus, Vertigo und später Hörverlust beherrscht. Mit zunehmendem Tumorwachstum, können sich dem zusätzlich Hirnstamm- und auch Kleinhirnsymptome anschließen.
In der MR-Bildgebung stellt sich die Mehrzahl der Akustikusschwannome im nativen T1w-Bild signalisointens (1 Drittel) oder leicht hypointens (2 Drittel) zum benachbarten Hirnparenchym dar (Abb. [1]). Dagegen erscheinen Akustikusschwannome auf T2w-Aufnahmen vorwiegend hyperintens zum Hirnparenchym (Abb. [2]). Nach i.v. Kontrastmittel-Applikation zeigen in der Regel alle Schwannome ein kräftiges Enhancement (Abb. [3]). Ausnahmen werden von seltenen makrozystischen Varianten gebildet. Die KM-Aufnahme ist generell homogen bei kleinen Tumoren und wird zunehmend heterogen mit der Größenzunahme der Tumoren (Abb. [4]). In größeren Tumoren lassen sich oft auch kleine zystische Veränderungen erkennen (Abb. [5]). Ein Drittel der größeren Tumoren wird von einem peritumoralen Ödem begleitet. Die Lokalisation der Akustikusschwannome ist typischerweise intrakanalikuär (Innengehörgang) mit Austritt in die ipsilaterale zerebellopontine Zysterne (Abb. [6], [7]). Der Innengehörgang wird dabei oft aufgeweitet beginnend mit dem Porus acusticus internus. Es kommt mit der Zeit zu einer zunehmenden Knochenarosion und breitbasiger Destruktion (Abb. [8], [9], [10]). Die CT ist dafür die Methode der 1. Wahl und liefert zugleich auch wertvolle Informationen bezüglich anatomischer Varianten (hoher Bulbus jugularis, Emmisarvenen, venöse Malformationen etc.), die für den Operateur zur Bestimmung des optimalen Zugangsweges von Bedeutung sind. Das Ausmaß an Knochenerosion korreliert nicht zwangsläufig mit der Gesamtgröße des Tumors, der vorwiegend extrakanalikulär liegen kann. Viele Akustikusschwannome werden in ihrem extrakanalikulären Verlauf von Makrozysten begleitet (Abb. [5], [11]). Diese sind entweder Ausdruck einer Tumornekrose oder repräsentieren lediglich gefangene, sekundär abgekapselte Liquorpartien (Yock HD Jr. Magnetic Resonance Imaging of CNS Disease. A teaching file. 2nd Edition. Mosby 2002; 120-127). Die Assoziation aus Innengehörgangtumor und großem zysternalen Anteil wird plastisch auch als "ice cream cone" bezeichnet (Abb. [12]). Mit zunehmender Größe, invaginiert der Tumor in den Hirnstamm. Oft wird dabei die Differenzierung zwischen extra- und intraaxialem Tumor schwierig. Der extraaxiale Ursprung des Tumors wird indirekt von Verdrängung der Pons nach kontralateral und der ipsilateralen Hirnstammtorsion verraten. Kleine intrakanalikuläre Akustikusschwannome sind oft schwer zu diagnostizieren und bedürfen einer besseren Bildqualität (schwer T2-gewichtete Sequenzen, constructive interference in a stady state [CISS], höhere Matrix > 512) und profitieren besonders stark von der i.v. KM-Gabe (Abb. [13], [14], [15]). Diese Voraussetzungen müssen ebenfalls bei der Diagnostik von labyrinthinen Schwannome, die isoliert oder im Zusammenhang mit typisch lokalisierten Akustikusschwannomen auftreten können, erfüllt werden. Intralabyrinthine Schwannome sind deutlich häufiger bei NF2-Patienten sowie die Assoziation von bilateralen Akustikusschwannomen mit Befall anderer Hirnnerven sowie mit multiplen Meningiomen (Abb. [16], [17]). Der Einsatz von diffusionsgewichteten MRT-Sequenzen (DWI) gehört nicht zum Routinearsenal in der Diagnostik von Akustikusschwannomen. Das Verhalten der Tumoren auf DWI ist unterschiedlich; oft stellt sich die Wasserdiffusion gar nicht oder nur leicht eingeschränkt dar (Abb. [18a, b]).
Abb. 1 Koronare T1-gewichtete MRT-Aufnahme. Nachweis eines großen solid-zystischen Akustikusschwannoms (Pfeil) links mit vorwiegend extrakanalikulärem Wachstum sowie erheblicher Ponskompression.
Abb. 2 Axiale T2-gewichtete MRT-Aufnahme. Nachweis eines großen intra- und extrakanalikulären Akustikusschwannoms mit heterogener Signalintensität. Der Kleinhirnbrückenwinkeltumor weist deutlich höhere Signalintensität auf (Pfeil) aufgrund der zystischen Anteile. Ein kleiner Liquorsaum am Rande des Tumors (Pfeilkopf) verrät zusätzlich die extraaxiale Lokalisation des Tumors. Der Tumor verursacht eine leichte Impression des 4. Ventrikels.
Abb. 3 Koronare postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme. Spindelförmige Konfiguration eines intrakanalikulären Akustikusschwannoms rechts. Die KM-Aufnahme ist kräftig und homogen.
Abb. 4 Axiale postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme in Höhe der Innengehörgänge. Die KM-Aufnahme ist hier im Gegensatz zu dem kleineren intrakanalikulären Akustikusschwannom in der qAbb. 3 deutlich heterogener. Die Verdrängung des Hirnstamms ist evident.
Abb. 5 Axiale T2-gewichtete MRT-Aufnahme. Nachweis eines großen Akustikusschwannoms links bei einer Patienten mit NF2. Das T2-Signal ist in diesem Fall stark heterogen und weist eine hohe Intensität auf. Die Kompression des Hirnstamms und des 4. Ventrikels ist erheblich. Es lassen sich zudem weitere Schwannome des N. trigeminus (Pfeile) sowie extraaxiale Tumoren im Bereich des Gesichtsschädels (großer Pfeil) erkennen.
Abb. 6 Die axiale postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme in Höhe der Innengehörgänge. Es lässt sich rechts im Innengehörgang ein kleiner Tumor erkennen, dessen mediale Begrenzung in die ipsilaterale Kleinhirnbrücken-Winkelzysterne hineinragt.
Abb. 7 Die axiale postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme zeigt ein rechtsseitiges Akustikusschwannom mit "ice cone“-Konfiguration.
Abb. 8 Axiale CT in Höhe der Innengehörgänge. Bilaterale Aufweitung der Innengehörgänge beginnend am Porus acusticus internus bei einem Patienten mit NF2 und beidseitigen Akustikusschwannomen.
Abb. 9 Axiale CT in Höhe der Innengehörgänge. Bilaterale Aufweitung von Canalus acusticus internus, links auch mit fortgeschrittener Knochendestruktion (Pfeil) verursacht durch große Akustikusschwannome.
Abb. 10 Axiale CT in Höhe des linken Innengehörgangs. Es lässt sich eine erhebliche Druckarosion des Temporalknochens durch ein Akustikusschwannom darstellen.
Abb. 11 Die axiale postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme zeigt ein solid-zystisches Akustikusschwannom links. Die Zyste in diesem Fall (Pfeil) bestand aus abgekapseltem Liquor am medialen Tumorrand.
Abb. 12 Axiale postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme in Höhe des Hirnstamms. Es lässt sich eine erhebliche bilaterale Kompression des Hirnstamms durch große Akustikusschwannome nachweisen. Der Patient litt an einer NF2.
Abb. 13 CISS-Aufnahme beider Innengehörgänge. Trotz seitendifferenter Weite des Innengehörgangs fand man lediglich rechts im Fundus ein relativ kleines Akustikusschwannom (Pfeil), das für den zunehmenden Hörverlust verantwortlich war.
Abb. 14 Koronare T2-gewichtete MRT-Aufnahme rechts in Höhe des Innengehörgangs. Es lässt sich ein intrakanalikuläres spindelförmiges Akustikusschwannom sichern, dessen T2-Signalintensität leicht niedriger ist im Vergleich zum Hirn.
Abb. 15 Axiale postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme in Höhe des linken Innengehörgangs. Nachweis eines tief sitzenden Akustikusschwannoms mit typisch homogener und intensiver KM-Aufnahme.
Abb. 16 Axiale T2-gewichtete MRT-Aufnahme beider Innengehörgänge mit Darstellung von hirnisointensen bilateralen Akustikusschwannomen bei einem Patienten mit NF2.
Abb. 17 Koronare postgadolinium T1-gewichtete MRT-Aufnahme mit Darstellung ausgedehnter bilateraler Schwannome des N. acusticovestibularis.
Abb. 18 Axiale DWI (a) und korrespondierende ADC (b) von einem Patienten mit Akustikusschwannom links. Es lässt sich keine Diffusionseinschränkung nachweisen.
Differenzialdiagnostisch kommt eine Reihe von tumoralen und nicht tumoralen Erkrankungen infrage. An 1. Stelle steht dabei das Keilbeinflügelmeningiom. Wichtige, wenn auch nicht immer anwendbare Differenzierungsmerkmale, sind ein niedrigeres T2w-Signal, leicht differenter Lokalisation (über oder unter dem Porus acusticus internus), der sogennante "dural tail", Erweiterung des Innengehörganges und homogeneres Enhancement der Meningiome. Weitere mögliche Differenzialdiagnosen in dieser Lokalisation sind Epidermoide, Schwannome anderer Hirnnerven (z.B. Trigeminusnerv), extradurale Metastasen (am häufigsten von Mamma-, Lungen- oder Prostatakarzinomen). Seltener können anatomische Strukturen wie z.B der zerebelläre Flocculus oder die Spina jugularis für Akustikusschwannome missgedeutet werden. Aneurysmen, die vertebrobasiläre Dolichoektasie, der manchmal kräftige Sinus venosus petrosus (typische Lokalisation über dem Meatus acusticus internus), sowie Inflammationen (Bell's Paralyse, Ramsay-Hunt-Syndrom [Herpes-Zoster Otitis]), leptomeningeale Sarkoidose, Lymphome können eine Herausforderung für die Diagnostik darstellen. Intralabyrinthine Schwannome weisen im Gegensatz zu entzündlichen Erkrankungen ein höheres T1-Signal und einen isolierten labyrinthinen (vestibulären oder kochlearen) Befall auf.
Schließlich, stellt auch die Differenzierung zwischen einem post-OP-Status nach Akustikusschwannom-Resektion und einem Lokalrezidiv eine Herausforderung für den befundenden Radiologen dar. Die korrekte Interpretation eines residuellen marginalen Enhancements der Dura, einer nodulär imponierenden Narbe oder diverser Grafts (Fett, Muskel, Faszie) setzt eine große Erfahrung auf dem Gebiet voraus (Smith M, Castillo M, Campbell J et al. Neuroradiology 1995; 37: 317-320).
Die Therapieoptionen schließen Beobachtungen, Mikrochirurgie, stereotaktische Radiochirurgie und Radiotherapie mit ein. Das Ziel der Therapie ist eine lokale Kontrolle über den Tumor, die optimal über eine vollständige chirurgische Resektion oder alternativ über einen Wachstumsstopp oder Schrumpfung durch Strahlentherapie erzielt werden kann (Mendenhall WM, Friedman WA, Amdur JA et al. Am J Otolaryngol 2004; 25: 38-47). Der chirurgische Eingriff wird über mehrere Zugangswege durchgeführt (subokzipital, durch die Fossa media oder translabyrinthin) und wird somit von 2 konkurrierenden Fachdisziplinen (HNO und Neurochirurgie) angeboten (Abb. [19]). Bei den ersten 2 Zugangswegen wird in der Regel der Fundus des Innengehörgangs inkomplett visualisiert, was das Risiko einer unvollständigen Tumorresektion erhöht. Der translabyrinthine Zugang eliminiert zwar dieses Risiko weitgehend, bedeutet jedoch ein Aufopfern des Hörvermögens. Die Radiotherapie ist generell bei Tumoren < 3 cm nicht indiziert. Mithilfe der Gamma Knife-Technik erreicht man jedoch eine Lokalkontrolle in bis zu 94 % der isolierten Akustikusschwannomen und in 84 % derer, die mit einer NF2 assoziiert sind. Komplikationen der OP sind unter anderen Ottorhö, Meningitis und Hämorrhagien, die oft ebenfalls einer dezidierten Bildgebung bedürfen. Aktuelle Daten konnten eine 100 % VEGF-, respektive 35 % VEGFR-2-Expression nachweisen, was den Einsatz von Bevacizumab (einem anti-VEGF monoklonalen AK) begründet. Es wurden darunter eine erhebliche Verbesserung des Hörvermögens und bis zu 26 % Größenreduktion von Akustikusschwannomen bei Patienten mit NF2 berichtet. Die Langzeitprognose von Patienten mit einem Akustikusschwannom sind gut. Zum Auschluss von Rezidiven wird jedoch ein Langzeit-Post-OP-Monitoring empfohlen.
Abb. 19 Axiale Schädel-CT mit Darstellung eine rechts okzipitalen Kalottendefekts nach Akustikusschwannom-OP über einen subokzipitalen Zugang.