Interleukintherapie von In-transit-Metastasen des Melanoms
Interleukintherapie von In-transit-Metastasen des Melanoms
G. Hansel, F. Heubaum, J. Schönlebe
Anamnese: Im Juni 2009 wurde bei der
48-jährigen Patientin ein amelanotisches malignes Melanom plantar rechts
mit einer Tumordicke von 4,67 mm, Clark IV und histologischem Nachweis
einer Satellitenmetastase operativ entfernt. Es folgten Nachexzision und
Sentinel-Lymphknotenexstirpation mit histologischer Sicherung einer
Lymphknotenmikrometastase, die eine inguinale Lymphknotendissektion notwendig
machte.
Nachfolgend wurde eine adjuvante Immuntherapie mit
Interferon-α (Roferon A 3 × 3 Mio IE/Woche
s. c.) eingeleitet. Ab März 2010 traten einzelne kleine
In-transit-Metastasen auf, die operativ entfernt wurden. Aufgrund dieser
rezidivierenden Metastasen und dem Auftreten ausgeprägter
Interferon-Nebenwirkungen einschließlich einer interferonassoziierten
Retinopathie wurde Roferon im Mai 2010 abgesetzt. Ende Juni 2010 wurde die
Patientin mit zahlreichen neuen Hautmetastasen vorstellig.
Hautbefund: Entlang des rechten Beines
fanden sich zahlreiche, überwiegend stecknadelkopfgroße bis maximal
erbsengroße hautfarbene Metastasenknötchen, besonders dicht an der
Oberschenkelinnenseite im mittleren Drittel und am Unterschenkel medial im
mittleren Drittel. Am weitesten proximal lag eine Metastase unweit der Regio
inguinalis. Lymphknoten waren nicht palpabel.
Histologie: Kleinknotige amelanotische
epitheloid- und globoidzellig differenzierte Metastasen des bekannten Melanoms
([Abb. 1 ]).
Abb. 1 In-transit-Metastasen.
a Übersicht (HE × 2),
b Detail (HE × 10).
Histologische Kontrolle posttherapeutisch: intradermale Nekroseherde ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Histologische
Kontrolle nach Interleukin-2-Behandlung ohne Tumornachweis. a HE-Färbung (× 10); b Immunhistologie (Pan-Melanoma-Cocktail
× 10).
Laborbefunde: Einschließlich LDH und
S100 sämtlich im Referenzbereich.
Bildgebende Diagnostik: PET-CT: Kein
Nachweis eines Lokalrezidivs des malignen Melanoms, keine Lymphknoten- und
Fernmetastasen.
Therapie und Verlauf: Es wurde eine
intraläsionale Therapie mit Interleukin-2 über 3 Zyklen
durchgeführt. Dabei wurden montags, mittwochs und freitags jeweils
6 Mio IE IL-2 intraläsional injiziert, gefolgt von 3 Wochen Pause.
Es entwickelten sich ausgeprägte lokale Nebenwirkungen. Abgesehen von den
Schmerzen während der Injektion, kam es vor allem am Anfang der Therapie
zu fast urtikariellen Reaktionen um die Tumoren herum, zu einer erysipelartigen
Schwellung sowie Rötung von Fuß und Unterschenkel. Die Schwellung
persistierte ca. eine Woche, sodass differenzialdiagnostisch auch an eine
Thrombose gedacht wurde. Sowohl Thrombose als auch Erysipel konnten
laborchemisch ausgeschlossen werden. In der Folge wurden Ibuprofen
3 × 400 mg und Clexane 20 tgl. 1 FS als
therapiebegleitende Medikation fest angesetzt, sodass die Intensität der
Nebenerscheinungen im Verlaufe der Behandlung nachließ. Zunehmend
beobachtete die Patientin eine Flush-Symptomatik von Gesicht und Dekolletee,
Hitzewallungen, Schüttelfrost und Übelkeit. Ein
Erschöpfungs-Syndrom setzte erst nach Beendigung der Therapie ein und
persistierte auch nach AHB bis Ende Januar 2011.
Bereits Ende September 2010 konnte histologisch kein vitales
Tumorgewebe mehr gefunden werden ([Abb. 2 ]). 6
Wochen später konnten wir eine oberflächliche Verschorfung und
Eintrocknung der Metastasen beobachten.
Kommentar: Interleukin-2 (Aldesleukin;
Proleukin® ) ist ein Peptidhormon aus der Familie der
Interleukine. Es wird auch als T-Zell-Wachstumsfaktor bezeichnet. Il-2
entfaltet eine antiproliferative, antiangiogenetische und immunmodulierende
Wirkung.
In den USA besteht seit 1998 eine Zulassung für das
metastasierte Melanom, hier stellt es die First-line-Therapie im Stadium IV
dar. In einer deutschen Phase-II-Studie bei 51 Patienten im Stadium IV
führte die intraläsionale Therapie immerhin bei 69 % zu
einer Komplettremission [1].
Die Behandlung erfolgt individualisiert. In der Regel werden je
nach Verträglichkeit 2 – 3 × pro Woche
3 – 18 Mio IE über 2 – 4
Wochen dosiseskalierend intra- oder periläsional appliziert [2].
Aufgrund früher beobachteter Therapieabbrüche infolge starker
Lokalreaktionen sowie Fieber entschieden wir uns für eine
Intervalltherapie, die die Patienten-Compliance stabilisierte und ebenfalls zur
kompletten Remission führte.
Literatur
1 Weide B, Derhovanessian E, Pflugfelder A et
al. High response rate after intratumoral treatment with interleukin-2:
results from a phase 2 study in 51 patients with metastasized melanoma. Cancer
2010; 116: 4139 – 4146
2 Pföhler C, Steinhäuser S, Urgurel
S et al. Komplette Remission kutaner Satelliten- und In-transit-Filiae.
Hautarzt 2004; 55: 171 – 175
Akrolentiginöses Melanom auf jahrelanger Lentigo
maligna
Akrolentiginöses Melanom auf jahrelanger Lentigo
maligna
K. Dworzanski, B. Leibiger, J. Schönlebe, U.
Wollina
Anamnese: Die 75-jährige Patientin
berichtet, dass sie 1983 erstmals eine Gruppe von kleineren Pigmentmalen am
Handballen entdeckt habe. Es ist die Exzision und Deckung mittels Spalthaut
durchgeführt worden. Re-Exzisionen erfolgten 1993 und 2008. Vor zirka 5
Wochen hat die Patientin eine kleine, neu aufgetretene, exulzerierte Papel
bemerkt und sich deshalb vorgestellt.
Hautbefund: Hautfarbener, derber Tumor mit
keratotischer Oberfläche in unmittelbarer Nähe zum Transplantatrand
am Handballen rechts ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Akrolentiginöses
Melanom am Daumen.
Histologie: Invasives malignes, ulzeriertes
Melanom vom Typ eines akral lentiginösen malignen Melanoms. Tumordicke
2,88 mm, Clark IV ([Abb. 4 ]).
Abb. 4 Akrolentiginöses
Melanom, Histologie. a HE-Färbung
× 10; b Immunhistologie (MART-1
× 10).
Laborbefunde: S100 und LDH im
Normbereich.
Therapie und Verlauf: Während sowohl
das erste Melanoma in situ 1987 als auch das erste Rezidiv 1993 nach
mehrmaligen Exzisionen noch im Gesunden entfernt werden konnten, ließ
sich 2008 eine Exzision in sano nicht mehr erzielen. Eine lokale Bestrahlung
wurde deshalb erwogen, jedoch von Patientenseite nicht wahrgenommen.
Bei erneutem tumorösem Wachstum 2011 führten wir eine
Exzision in Lokalanästhesie mit Verschiebelappenplastik durch. Da die
Entfernung nicht im Gesunden erfolgte und erstmals ein malignes Melanom vorlag,
entschlossen wir uns zur Nachexzision mit Vollhautdeckung und Entfernung des
Sentinel-Lymphknotens. Eine R0-Resektion der begleitenden Lentigo maligna
wäre dennoch ohne Gliedmaßenverlust nicht möglich gewesen,
weshalb eine Radiatio zur Nachbehandlung geplant ist.
Kommentar: Bei Lentigo maligna ist
häufig ein langsam fortschreitender chronischer Verlauf über Jahre
bis Jahrzehnte zu beobachten [1]. Sollte eine operative Entfernung im
Gesunden nicht möglich sein, ist die lokale Bestrahlung sinnvoll, da sie
kurative Wirkung besitzt [2,3]. Wird sie nicht durchgeführt,
kann sich auch nach Jahren noch ein Lentigo-maligna-Melanom entwickeln
[4]. Eine Behandlungsalternative aus dem Off-label-Bereich stellt
Imiquimod dar. Regelmäßige klinische und gegebenenfalls
histologische Nachsorge ist dringend angeraten.
Literatur
1 Bosbous MW, Dzwierzynski WW, Neugurg M.
Lentigo maligna: diagnosis and treatment. Clinics Plast Surg 2010; 37:
35 – 46
2 Farshad A, Burg G, Panizzon R et al. A
retrospective study of 150 patients with lentigo maligna and lentigo maligna
melanoma and the efficacy of radiotherapy using Grenz or soft X-rays. Br J
Dermatol 2002; 146: 1042 – 1046
3 Erickson C, Miller SJ. Treatment
options in melanoma in situ: topical and radiation therapy, excision and Mohs
surgery. Int J Dermatol 2010; 49: 482 – 491
4 Kelly JW. Following lentigo maligna may
not prevent the development of life-threatening melanoma. Arch Dermatol 1992;
128: 657 – 660
Imiquimod zur Therapie der Lentigo maligna
Imiquimod zur Therapie der Lentigo maligna
A. Meseg, K. Hohaus, G. Hansel, U. Wollina
Anamnese: Seit einigen Jahren bemerkte die
84-jährige Patientin eine pigmentierte und größenprogrediente
Makula der linken Wange. Eine ambulant durchgeführte Biopsie ergab ein
In-situ-Melanom. Anamnestisch wurde bereits 1994 ein malignes Melanom mit einer
Tumordicke von 0,68 mm, Clark-Level lV, am Unterarm rechts entfernt.
Hautbefund: Bei Aufnahme imponierte im
Bereich der linken Wange mit Übergang auf den Nasenrücken sowie den
Nasenflügel ein 5,5 × 1,7 cm großer,
inhomogen pigmentierter, polyzyklisch begrenzter, flacher Tumor ([Abb. 5 a ]).
Abb. 5 Lentigo-maligna-Melanom auf Lentigo
maligna. a Ausgangsbefund, b
Operationssitus, c Verschluss mit
Wangenrotationsplastik.
Histologie: Wange links: Flächenhaft
ausgedehnte Lentigo maligna mit Übergang in ein frühinvasives
Lentigo-maligna-Melanom (LMM; Clark level II, Tumordicke 0,16 mm),
Exzision der In-situ-Melanom-Komponente nicht im Gesunden. Biopsie vom
Nasenrücken: Lentigo maligna.
Laborbefunde: Pathologisch war eine
erhöhte LDH (4,66 µkat/l). S100 lag im Normbereich.
Bildgebende Untersuchungen: Kein Nachweis
von Filae.
Therapie und Verlauf: In 2-zeitigem
Vorgehen wurde mittels mikrografisch kontrollierter Chirurgie zunächst der
dunkel pigmentierte Anteil des Tumors im Bereich der Wange exzidiert. Aus einem
heller pigmentierten Areal am Nasenrücken erfolgte eine Biopsie. Der
Defekt an der Wange wurde mit einer Wangenrotationslappenplastik verschlossen
([Abb. 5 b, c ]).
Für die verbleibende histologisch als Lentigo maligna
beschriebene Pigmentierung am Nasenrücken empfahlen wir eine Lokaltherapie
mit Imiquimod (Aldara® ). Diese wurde ambulant 1 ×
täglich über einen Zeitraum von 4 Wochen durchgeführt. Die
Patientin war in regelmäßiger ambulanter Verlaufskontrolle. Als
Nebenwirkung zeigten sich unter der Aldara-Anwendung eine lokale Rötung
und ein brennender Schmerz. Das pigmentierte Areal bildete sich nach Abklingen
der Entzündung vollständig zurück.
Kommentar: Die Therapie der Wahl bei der Behandlung der Lentigo
maligna und des LMM besteht in der histografisch kontrollierten Exzision.
Aufgrund des Alters und der Lokalisation im Gesichtsbereich ist dieses Vorgehen
gelegentlich nicht möglich. Alternativ kann daher in Einzelfällen
sowohl für die Lentigo maligna als auch für das LMM die
Strahlentherapie durchgeführt werden.
Eine weitere nichtinvasive Therapieoption zur Behandlung der
Lentigo maligna bietet topisches Imiquimod (Aldara® ). Studien
belegen die Wirksamkeit von Imiquimod im Rahmen der Behandlung von
In-situ-Melanomen bei einer täglichen Anwendung über mehrere Wochen
[1 – 3]. Als unerwünschte Nebenwirkung
treten unter der Therapie häufig örtliche Hautreizungen, wie
z. B. Erytheme, Erosionen und Ödeme auf. Die Behandlung mit
Imiquimod kann fortgesetzt werden, sobald die Hautreaktionen abgeklungen sind.
Zur Kontrolle des Therapieerfolges sind Verlaufsbiopsien unverzichtbar.
Literatur
1 Van Meurs T, Van Doorn R, Kirtschig G.
Treatment of lentigo maligna with imiquimod cream: long-term follow-up study of
10 patients. Dermatol Surg 2010; 36: 853 – 858
2 Wolf I, Cerroni L, Kodama K, Kerl H.
Treatment of lentigo maligna (melanoma in situ) with the immune response
modifier imiquimod. Arch Dermatol 2005; 141: 510 – 514
3 Kupfer-Bessaguet I, Guillet G et al.
Topical imiquimod treatment of lentigo maligna: clinical and histologic
evaluation. J Am Arch Dermatol 2004; 51: 635 – 639
Morbus Adamantiades-Behçet unter
Interferon-Therapie
Morbus Adamantiades-Behçet unter
Interferon-Therapie
A. Gemmeke, L. Büchner, U. Wollina
Anamnese: Seit 4 Jahren berichtet der aus
der Türkei stammende 38-jährige Patient über Aphthen der
Mundschleimhaut und des Genitale sowie papulopustulöse
Hautveränderungen an den Oberschenkeln. Vor einem Jahr befand sich der
Patient mit einem Erythema nodosum in hautärztlicher Behandlung, 2005 sei
eine Epididymitis aufgetreten. Zudem leide er intermittierend an Arthralgien im
linken Sprung- und Kniegelenk. Vor 4 Monaten sei er mit einer plötzlich
aufgetretenen Sicca-Symptomatik in augenärztlicher Behandlung gewesen. Bei
der Schwester ist bereits ein Morbus Adamantiades-Behçet (MAB)
bekannt.
In einer auswärtigen Hautklinik wurde im Jahr 2007 beim
Patienten erstmals der MAB diagnostiziert. Vortherapien mit Colchicin,
Prednisolon und Methotrexat hätten aber nie zu einer Beschwerdefreiheit
geführt. Bei Aufnahme erhielt der Patient 15 mg Prednisolon
p. o. täglich und 22,5 mg Methotrexat p. o.
wöchentlich.
Hautbefund: An der Mundschleimhaut der
rechten Wange zeigten sich zwei jeweils ca. 5 mm große Aphthen.
Zudem imponierten an den Oberschenkeln multiple papulopustulöse
Hautläsionen ([Abb. 6 ]).
Abb. 6 Mb.
Adamantiades-Behçet mit (a ) Papulopusteln und
(b ) oralen Aphthen.
Laborbefunde: HLA-Klasse-I-Antigen B51 war
positiv. Es zeigten sich eine diskrete Lymphozytopenie (Lymphozyten
17 %, Normbereich 20 – 45 %)
sowie eine leichte Anämie (Hämoglobin 8,2 mmol/l, Normbereich
8,6 – 12,1 mmol/l).
Weitere Befunde: Röntgen der Knie- und
Sprunggelenke: Kein Nachweis erosiver oder osteoproliferativer
Veränderungen. Sonografie der Knie- und Sprunggelenke: Gonarthritis
beidseits, links > rechts. Sonografie der Oberbauchorgane: Kein Hinweis auf
Gefäßveränderungen, Nieren mit altersentsprechendem
Parenchym.
Echokardiografie: Normalgroße
Herzhöhlen mit unauffälliger Kinetik, Ejektionsfraktion
60 %. Kein Perikarderguss. Kein Hinweis auf eine pulmonale
Hypertonie. Ophthalmologisches Konsil: Keine akuten Entzündungszeichen im
Sinne einer Iridozyklitis. V.a. Retinopathia centralis serosa links unter
Prednisolontherapie.
Therapie und Verlauf: Da der Patient unter
den systemischen Vortherapien mit Prednisolon, Methotrexat und Colchicin nicht
beschwerdefrei war, entschieden wir uns für die Therapie mit Interferon
alpha-2a (Roferon A® ) 3 × 3 Mio IE
wöchentlich. Diese wurde nach initial aufgetretenen grippalen Symptomen
vom Patienten sehr gut toleriert. Unter der Interferon-Therapie war der Patient
im weiteren Verlauf dauerhaft beschwerdefrei.
Im Verlauf des stationären Aufenthaltes trat beim Patienten
eine Thrombophlebitis am linken Unterschenkel auf, die unter der Lokaltherapie
mit Ammoniumbituminosulfonat-Watteverbänden rasch vollständig
regredient war.
Bei Gonarthritis erfolgte durch unsere physiotherapeutische
Abteilung die Iontophorese der Kniegelenke. In Absprache mit unseren
rheumatologischen Kollegen wurde zudem eine Osteoporoseprophylaxe mit
Calcium-Brausetabletten 500 und Dekristol 25 000 IE-Tabletten alle 14
Tage eingeleitet.
Kommentar: Der MAB ist eine
chronisch-entzündliche Multisystemerkrankung mit dem histologischen
Korrelat einer leukozytoklastischen Vaskulitis. Die Prävalenz ist in der
Nordost-Türkei mit 370 Fällen auf 100 000 Einwohnern am
höchsten. Männer sind 5- bis 10-mal häufiger betroffen als
Frauen [1].
Die Ätiopathogenese ist unbekannt, autoimmunologische
Prozesse oder Virusinfektionen werden als mögliche Ursache diskutiert. Die
Erkrankung ist in 50 – 70 % der Fälle
mit dem HLA-B-51-Antigen assoziiert [2].
Die Diagnose des MAB kann beim Vorliegen von rezidivierenden
oralen Ulzerationen und dem Auftreten von zwei weiteren typischen Symptomen
gestellt werden [3]. Dazu gehören bei ca. 72 % der
Patienten Hautveränderungen wie das Erythema nodosum, Papulopusteln,
polymorphe Erytheme, Pseudofollikulitiden oder genitale Ulzerationen
[2]. In bis zu 53 % der Fälle ist das
Pathergie-Phänomen positiv. Okuläre, muskuloskelettale,
gastrointestinale, urogenitale und kardio-vaskuläre Symptome sind bekannt.
Der Neuro-MAB mit Hirnstammsymptomen, Psychosyndromen oder einer
Meningoenzephalitis weist eine hohe Letalität auf.
Die Therapie richtet sich nach den vorhandenen Manifestationen und
sollte daher interdisziplinär geführt werden. Glukokortikoide
können allein oder in Kombination mit anderen Immunsuppressiva wie
Methotrexat, Cyclophosphamid oder Dapson eingesetzt werden. Berichtet wird auch
über eine günstige Wirkung von Colchicin oder Thalidomid bei milden
Krankheitsverläufen [4]. Bei therapierefraktärem Verlauf
ist eine Behandlung mit TNF-Antagonisten wie Infliximab oder Interfon-alpha-2a
zu erwägen [5,6].
Literatur
1 Zouboulis CC, Kötter I, Djawari D et
al. Current epidemiological data from the German Registry of
Adamantiades-Behçet’s disease. Adv Exp Med Biol 2003; 528:
43 – 48
2 Davatchi F, Sharam F, Chams-Davatchi C et
al. How to deal with Behçet’s disease in daily practice. Int
J Rheum Dis 2010; 13: 105 – 116
3 International Study Group for
Behçet’s disease. Criteria for diagnosis of
Behçet’s disease. Lancet 1990; 335:
1078 – 1080
4 Yurdakul S, Mat C, Tuzun Y et al. A
double-blind trial of colchicine in Behçet’s disease. Arthritis
Rheum 2001; 44: 2686 – 2692
5 Kasugai C, Watanabe D, Mizutani K et
al. Infliximab treatment of severe genital ulcers associated with
Behçet disease. J Am Acad Dermatol 2010; 62:
162 – 164
6 Kötter I, Günaydin I, Zierhut M et
al. The use of interferon alpha in Behçet disease: review of the
literature. Semin Arthritis Rheum 2007; 204: 205 – 206
Kältepannikulitis
Kältepannikulitis
J. Runge, G. Kretschmar
Anamnese: Seit dem Jahr 2009 klagt die
44-jährige Patientin wiederholt über rote fleckige
Hautveränderungen an den Oberschenkeln teils mit verhärteten,
druckdolenten Knoten in der Tiefe. Im Verlauf beobachte sie eine
Farbveränderung von rötlich zu livide. Bei Bewegung waren zeitweise
pochende Schmerzen vorhanden. Die stärkste Ausprägung wurde gegen
Abend bemerkt. Im Jahr 2010 kamen zusätzlich Hautveränderungen am
Gesäß hinzu. Insgesamt bestehen die Beschwerden ganzjährig,
wobei in den warmen Monaten eine deutliche Linderung der Beschwerden zu
verzeichnen ist. Besonders deutlich traten die Beschwerden nach einer
Winterwanderung im Februar 2010 und nach dem Schneeschippen auf. Beruflich war
keine Kälteexposition zu eruieren. Die bisherige Lokaltherapie mit
Ichthyol pur und einer Kompressionsbandagierung führte zu einer leichten
Besserung, jedoch zu keiner vollständigen Abheilung. Bei der ambulanten
Diagnostik waren Kälteagglutinine nachweisbar gewesen.
Hautbefund: Es fand sich bei Aufnahme
entlang beider Oberschenkel (ventral und lateral) eine netzförmige
rötlich-livide Zeichnung. Im subkutanen Fettgewebe waren derbe
Verhärtungen palpabel. Zudem bestand ventral eine leichte
Überwärmung ([Abb. 7 a ]).
Abb. 7 Kissenartige
erythematöse Zeichnung bei Kältepannikulitis. a Vor Behandlung, b bei
Entlassung.
Histologie: Jeweils Hautgewebe, dessen
Epidermis eine geringe Akanthose, geringe bis mäßige
korbgeflechtartige Orthohyperkeratose sowie eine geringe follikuläre
Keratose aufweist. Örtlich diskrete epidermale Akantholysen. Allenfalls
geringe perivaskulär betonte lymphohistiozytäre
Entzündungszellinfiltrate im oberen und mittleren Korium mit Ausbreitung
bis ins tiefe Korium und das angrenzende subkutane Fettgewebe. Daneben
verschiedentlich Mastzellen und vereinzelte eosinophile Granulozyten. Pilz- und
Eisennachweis negativ. Vaskulitische Veränderungen sind nicht erkennbar.
Die immunfluoreszenzoptische Untersuchung bleibt für alle Parameter
negativ.
Laborbefunde: Pathologisch waren
Elpho-Albumin-Fraktion 56,8 (60,3 – 71,4 %),
Elpho-Alpha-1-Globulin-Fraktion 3,5
(1,4 – 2,9 %),
Elpho-Alpha-2-Globulin-Fraktion 14,5
(7,2 – 11,3 %), BSG 35
(< 20 mm), CRP 30,4 (< 5 mg/l), mikrosomale
AK 42,6 (0 – 10 kIU/l), Thyreoglobulin-AK 155
(0 – 115 kIU/l), Yersinien-IgG-AK 37,4
(0 – 20 U/ml) und C3-Komplement 1,44
(0,75 – 1,4 g/l); ANA, c-ANCA, p-ANCA,
Kryoglobuline, Kälteagglutinine waren negativ und die Cardiolipin-AK im
Normbereich.
Therapie und Verlauf: Unsere Lokaltherapie
bestand aus einem Ichthyol pur-Verband für beide Oberschenkel, mit dem die
Patientin auch entlassen wurde. Bei fortbestehenden Beschwerden mit starken
Schmerzen und einer lokalen Rötung und Überwärmung behandelte
die Patientin selbstständig lokal mit Dolgyt 5 %-Salbe
(Ibuprofen) und nahm einmalig eine Tablette Ibuprofen ein. Darunter kam es zu
einer deutlichen Besserung der Beschwerden.
Klinisch persistiert die netzförmige Zeichnung an den
Oberschenkeln, die Druckempfindlichkeit und Schmerzhaftigkeit ist nicht mehr
vorhanden ([Abb. 7 b ]).
Kommentar: Die Kältepannikulits ist
eine seltene Erkrankung. Die ersten Symptome werden nach
6 – 72 Stunden nach der Kälteexposition beobachtet.
Bei Säuglingen sind vor allem Wangen und Kinn als besonders
kälteexponierte Areale betroffen. Im Erwachsenenalter sind die
Oberschenkel und das Gesäß die bevorzugten Lokalisationen. Klinisch
imponiert eine kühle, lividrote Haut mit in der Tiefe palpablen Knoten
oder Platten. Anamnestisch ist oft eine längere Kälteexposition wie
z. B. Skilaufen, Reiten oder eine therapeutische Kälteanwendung zu
eruieren. Die Symptome bilden sich oft im Verlauf von 2 – 3
Wochen, teils unter Hinterlassung eines atrophen, eingesunkenen Areals
zurück [1].
Histologisch zeigen sich in der Frühphase perivaskuläre
Infiltrate aus Lymphozyten und Histiozyten an der Dermis-Subkutisgrenze
[2]. Bei der Probeentnahme ist auf eine tiefe Biospie mit dem
Skalpell zu achten (Stanzbiopsien liefern oft unzureichendes Material)
[3]. Die Labordiagnostik ist meist unauffällig, Kryoglobuline
oder Kälteagglutinine sind negativ [4]. Die Therapie ist
symptomatisch. Besonders wichtig ist dabei ein guter Kälteschutz.
Literatur
1 Wollina U. Disorders caused by physical
and chemical damage. In: Burgdorf WHC, Plewig G, Wolff HH, Landthaler M, Hrsg.
Braun-Falco’s Dermatology. 3rd edition. Springer Medizin:
Heidelberg – New York; 2009: 598 – 616
2 Quesada-Cortes A, Campos-Munoz L, Diaz-Diaz
RM et al. Cold panniculitis. Dermatol Clin 2008; 26:
485 – 489
3 Aroni K, Aivaliotis M, Charalambopoulos D et
al. An unusual panniculitis appearing in the winter with good response to
tetracycline. J Dermatol 1998; 25: 677 – 681
4 Beacham BE, Cooper PH, Buchanan CS et
al. Equestrian cold panniculitis in women. Arch Dermatol 1980; 116:
1025 – 1027
Systemische Therapie mit Infliximab bei schwerer Psoriasis
pustulosa generalisata und Psoriasis-Arthritis
Systemische Therapie mit Infliximab bei schwerer Psoriasis
pustulosa generalisata und Psoriasis-Arthritis
D. Langner, S. Eppinger
Anamnese: Der 62-jährige Patient wurde
seit 2007 in regelmäßigen Abständen mit ausgeprägten
Schüben einer Psoriasis pustulosa generalisata mit Arthritis in unserer
Klinik behandelt. Im Jahr 2007 erfolgte eine Einstellung auf Ciclopsorin A
(Immunosporin
100 mg – 0 – 50 mg,
später Acitretin (Neotigason 50 mg/d) mit Reduktion im Verlauf auf
25 mg/d. Zwischenzeitlich waren Prednisolon-Stoßtherapien
erforderlich. Als Nebendiagnosen bestehen ein Diabetes mellitus Typ 2, eine
hypertensive Herz- und Nierenerkrankung, eine Trigeminusneuralgie, chronisches
Vorhofflimmern sowie ein kongenitaler Hydrocephalus internus mit geminderter
Intelligenz.
Hautbefund: Es fanden sich generalisierte,
stecknadelkopfgroße Pustulationen auf insgesamt geröteter Haut mit
Konfluenz zu multiplen großen Pustelseen mit zum Teil auch
eingetrockneten, gelblich krustös belegten Läsionen ([Abb. 8 ]). Die Kopfhaut und die Handflächen waren
stark schuppend. Inguinal beidseits und genital imponierten hochrote,
nässende und mazerierte Hautveränderungen.
Abb. 8 Psoriasis pustulosa
generalisata.
Histologie: Bedeckende Epidermis mit
überwiegend orthokeratotischer Verhornung sowie kleinherdigen
Parakeratosen. Abschnittsweise epidermale Spongiose mit wechselnd dichter
granulozytärer Infiltration in diesen Abschnitten im Sinne spongiformer
Epidermisveränderungen. Vor allem im oberflächlichen Stratum spinosum
bzw. subkorneal lokalisierte, teilweise konfluierte Pusteln. Kleinere Pusteln
auch intrakorneal, diese gelegentlich auch mit Übergang in recht
ausgedehnte Schuppenkrusten. Im abschnittsweise ödematös
aufgelockerten Papillarkörper neben Kapillarektasien ein dominierend
perivaskulär, aber auch interstitiell und fokal periadnexiell
lokalisiertes bis mitteldichtes entzündliches Infiltrat, zu gleichen
Teilen zusammengesetzt aus lymphomonozytoiden/histiozytären Zellen und
neutrophilen Granulozyten.
Laborbefunde: Pathologisch waren
Erythrozyten 4,15 Tpt/l, Hämoglobin 7,20 mmol/l,
Hämatokrit 0,36 l/l, MCH 1,73 fmol, Kalium
3,42 mmol/l, Kreatinin 111,7 µmol/l, Gamma-GT
1,30 µkat/l, BSG 38 mm, CRP 20,2 mg/l.
Therapie und Verlauf: Da beim Patienten
mehrere systemische Medikamente das schwere Krankheitsbild nicht kontrollieren
konnten, entschlossen wir uns zu einer Infliximab-Therapie. Wir verabreichten
dem Patienten bisher drei intravenöse Infusionen mit jeweils 440 mg
(entsprechend 5 mg/kg Körpergewicht) Infliximab
(Remicade® ) in Woche 0, 2 und 6. Unter dieser Therapie zeigte
der Patient ein gutes Ansprechen mit vollständigem Sistieren der
Pustelbildung. Acitretin wurde schrittweise reduziert und letztendlich
abgesetzt.
Kommentar: Die Psoriasis pustulosa
generalisata (Typ Zumbusch) ist eine seltene, schwere Form der Psoriasis,
welche gekennzeichnet ist durch großflächig auftretende Pusteln und
ein schweres Krankheitsgefühl mit Fieber, Schwäche, Abgeschlagenheit
und einer Leukozytose. Infliximab (Remicade® ) ist ein
chimärer, human-muriner, monoklonaler Antikörper, der mit hoher
Affinität an das lösliche als auch an die transmembrane Form des
TNF-α bindet. Es wird als intravenöse Infusion mit einer Dosis von
5 mg/kg KG über mindestens 2 Stunden verabreicht. Die Infusionen
erfolgen in Woche 0, 2, 6 und anschließend alle 8 Wochen.
Infliximab-Einsatz verlangt den Ausschluss von Infektionskrankheiten,
insbesondere einer Tuberkulose. Zu den Vorteilen von Infliximab gehört,
dass keine Arzneimittelinteraktionen bekannt sind. Primäre Indikationen
sind die mittelschwere und schwere Psoriasis vulgaris und die
Psoriasis-Arthritis [1].
Wie der Verlauf bei unserem Patienten belegt, ist die Wirksamkeit
auch bei generalisierter Psoriasis pustulosa sehr gut. Dies wird durch
Fallmitteilungen aus der Literatur bestätigt [2,3]. Vorteilhaft
ist im konkreten Fall auch die Sicherung einer Compliance durch
Kurzinfusionen.
Literatur
1 Chaudhari U, Romano P, Mulcahy LD et
al. Efficacy and safety of infliximab monotherapy for plaque-type
psoriasis: a randomised trial. Lancet 2001; 357:
1842 – 1847
2 Chandran NS, Chong WS. A dramatic
response to a single dose of infliximab as rescue therapy in acute generalized
pustular psoriasis of von Zumbusch associated with a neutrophilic cholangitis.
Australas J Dermatol 2010; 51: 29 – 31
3 Vieira Serrão V, Martins A, Lopes
MJ. Infliximab in recalcitrant generalized pustular arthropatic psoriasis.
Eur J Dermatol 2008; 18: 71 – 73
Allergisches Kontaktekzem nach
„Henna”-Tattoo
Allergisches Kontaktekzem nach
„Henna”-Tattoo
M. Tilp, U. Gabsch, A. Koch
Anamnese: Nach dem Aufmalen einer schwarzen
Henna-Tätowierung an beiden Unterarmen im Oktober letzten Jahres
entwickelten sich bei dem 11-jährigen Mädchen psoriasiforme,
infiltrierte Hautveränderungen. Es waren bisher keine
Kontaktsensibilisierungen bekannt. Es bestand eine positive Familienanamnese
für Psoriasis.
Hautbefund: Es fanden sich scharf auf das
Tattoo-Areal beschränkte, grob schuppende, keratotische, deutlich
infiltrierte Areale an beiden Unterarmen ([Abb. 9 ]).
Abb. 9 Kontaktdermatitis auf
„Henna”-Tattoo.
Histologie: Mäßiggradig
uncharakteristisch akanthotisch verbreitert mit abschnittsweiser Hypogranulose
und Hyperparakeratose. Örtlich in unterschiedlichem Maße
ausgeprägte epidermale Spongiose, einschließlich mit an
umschriebener Stelle nachweisbarer intraepidermaler spongiotischer
Vesikelbildung. Im Papillarkörper sowie oberen und mittleren Korium ein
schütteres bis mitteldichtes, betont perivaskulär lokalisiertes
dominierend lymphomonozytoides Entzündungszellinfiltrat mit wenigen
beigemischten neutrophilen Granulozyten und einzelnen Mastzellen.
Lichttreppe: Keine erhöhte UVA- oder
UVB-Lichtempfindlichkeit
Epicutantestung (Standard, Duftstoffe, Externa, Farbstoffe):
Positiv für N-Isopropyl-N-phenyl-p-phenylendiamin, Toluylendiamin,
Phenylendiamin ([Abb. 10 ]).
Abb. 10 Positive
Epikutantestung.
Therapie und Verlauf: Unter der
Lokaltherapie mit Daivobetsalbe 2 × täglich, welche wir
aufgrund des psoriasiformen Aspektes verwendeten, flachten die reliefartigen
Hautveränderungen an den Unterarmen ab und die Schuppung war regredient.
Zur Entlassung zeigten sich, entsprechend dem Muster der Tätowierung, noch
Hypopigmentierungen an beiden Unterarmen. Daheim kam es nochmals zu einem
streng auf die Tattooareale beschränkten milden Aufflammen der oben
beschriebenen Hautveränderungen ohne erkennbaren Auslöser.
Kommentar: Henna wird in vielen Kulturen
schon seit dem Altertum für kosmetische oder rituelle Zwecke genutzt.
Natürliches Henna, welches aus den getrockneten und zerriebenen bzw.
zermahlenen Blättern des Hennastrauches (Lawsonia
inermis ) gewonnen wird, bildet nach 2 bis 12 Stunden einen
braun-rötlichen Farbton auf der Haut [1]. Es existieren nur
wenige Fallbeschreibungen allergischer Reaktionen auf pures Henna. Eine
Sensibilisierung auf Henna besteht gehäuft bei Frisören. Typische
Symptome sind u. a. Rhinitis, Husten sowie Kurzatmigkeit, jedoch weniger
Hautreaktionen [2]. Zur Farbintensivierung werden natürlichem
Henna häufig Zusätze, z. B. Paraphenylendiamin oder
p-Toluylendiamin beigemischt, welche potente Kontaktallergene darstellen und
innerhalb von 3 – 4 Tagen ausgeprägte Lokalreaktionen
hervorrufen können, was als Pseudo-Henna-Kontaktekzem beschrieben wird
[3].
Fazit: Auch bei als temporären, Natur-
oder Bio-Tattoo angebotenen Körperbemahlungen ist Vorsicht geboten, denn
sie können undeklarierte Allergene enthalten.
Literatur
1 Gunasti S, Aksungur VL. Severe
inflammatory and keloidal, allergic reaction due to para-phenylenediamine in
temporary tattoos. Indian J Dermatol Venereol Leprol 2010; 2:
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2 Kazandjieva J, Balabanova M, Kircheva K et
al. Contact dermatitis due to temporary henna tattoos. Skinmed 2010; 3:
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coexisting rubber and para-phenylenediamine allergy? Clin Exp Dermatol 2007; 6:
782 – 783
Zirkumskripte Sklerodermie (Morphaea) vom lineären
Typ
Zirkumskripte Sklerodermie (Morphaea) vom lineären
Typ
B. Heinig, H. Ahmed, U. Wollina
Anamnese: Seit einem Ÿ Jahr zeigt
das 7-jährige Kind Hautveränderungen des linken Beines, welche am
linken lateralen Fuß begannen. Die Altersentwicklung verlief
regelrecht.
Hautbefund: Im Bereich des lateralen linken
Fußes zeigte sich ein livid-bräunliches, oberflächlich
eingesunkenes und ca. 4 × 3 cm großes
Hautareal. Weiterhin bot das Kind einen atrophen Hautbezirk von
2,5 × 2,5 cm am linken Außenknöchel sowie
ein in der linken Kniekehle lokalisiertes, derb-atrophes Hautareal ([Abb. 11 ]). Konfluierende Atrophieherde am linken
dorsalen Oberschenkel, die sich bis zur Gesäßregion fortsetzten,
ließen sich optisch nur undeutlich abgrenzen. Die sklerotischen
Hautareale zeigten sich gut verschieblich.
Abb. 11 Lineäre Morphaea
am Bein (a ) und Fuß (b ).
Histologie: Das Bioptat zeigte ein gering
verbreitertes, dermales Bindegewebe mit homogenisierten, teilweise betont
parallel zur Hautoberfläche orientierten Kollagenfasern. Elastische Fasern
waren erhalten und teilweise gestreckt verlaufend. Deutlich verkleinerte
Haarfollikel und einzelne ekkrine Schweißdrüsen sind in das mittlere
Korium verlagert und in kollagenem Bindegewebe eingemauert. In der
retikulären Dermis zeigte sich ein sowohl oberflächlich und tief
perivaskulär als auch periadnexiell lokalisiertes, lymphozytoides
Infiltrat mit wenigen Plasmazellen ([Abb. 12 ]).
Abb. 12 Morphaea-Histologie.
a HE-Färbung mit verplumpten Kollagenfasern und
Ummauerung der Hautadnexe (HE × 4). b
Verminderung der elastischen Fasern (Elastica-Färbung
× 4).
Laborbefunde: Antinukleäre
Antikörper 1 : 160; U1RNP-, Sm-, SSA-, SSB-, SCL70-,
CENP-B-, Jo1- und DNA-AK alle negativ.
Therapie und Verlauf: Aufgrund der
bestätigten lineären Morphaea begannen wir aktuell eine intensive
topische physiotherapeutische Behandlung mit manueller Lymphdrainage im
therapeutischen Aufbau und befundadaptierter Krankengymnastik unter
Einbeziehung von Dehnungsmomenten in verschiedenen Ausgangspositionen. Die
bereits praktizierte Schwimmaktivität sollte mit anschließender
Lokalpflege der Sklerodermieherde weitergeführt werden. Auf die lokale
Applikation von Ultraschall-Phonophorese verzichteten wir vorerst in Anbetracht
der kindlichen Skelettentwicklung und der Nähe der Epiphysenfugen.
Alternativ hielten wir thermoindifferente Bäder mit Ölzusatz für
angemessen. Während sportlicher Aktionen sollte statische Haltearbeit
vermieden werden. Angezeigt sind hingegen dynamisch-spielerische Fuß- und
Beinübungen (z. B. Greifübungen der Zehen) mit entsprechender
Muskel- und Gelenkaktivität, welche Entstauung und Motorik stimulieren.
Ständige Hautkontrollen bezüglich Bagatellverletzungen und das Tragen
von Schuhen mit weichem Innenfutter wurden empfohlen.
Kommentar: Die Morphaea wird in
plaqueförmige, lineare, generalisierte, bullöse und profunde
Varianten untergliedert. Die Ätiologie ist letztlich ungeklärt, die
formale Pathogenese geht von vaskulären Schädigungen mit Rekrutierung
pro-inflammatorischer und pro-fibrotischer Zytokine wie Tumor-Wachstumsfaktor
(TFG)-β und nachfolgendem Bindegewebsumbau aus
[1 – 3]. Skleroseprädilektionsstellen sind
beim lineären Typ der Rumpf und die Extremitäten, wobei es nicht
selten zu gelenkübergreifenden Hautveränderungen kommt, die Ursache
von Muskelatrophien und Kontrakturen sein können. Inadäquate Therapie
kann zu funktionellen Bewegungseinschränkungen und Dysproportionen
führen. Unbestritten ist die Notwendigkeit kontinuierlicher, intensiver
physiotherapeutischer Maßnahmen (antifibrotisch/antiödematös,
mild-hyperämisierend, mobilisierend/funktionserhaltend), um
Sklerosierungstendenzen der Haut und Bewegungseinschränkungen
entgegenzuwirken [3].
Literatur
1 Badea I, Taylor M, Rosenberg A, Foldvari
M. Pathogenesis and therapeutic approaches for improved topical treatment
in localized scleroderma and systemic sclerosis. Rheumatology 2009; 48:
213 – 221
2 Fett N, Werth VP. Update on morphea.
Part I. J Am Acad Dermatol 2011; 64: 217 – 228
3 Fett N, Werth VP. Update on morphea.
Part II. J Am Acad Dermatol 2011; 64: 231 – 242
4 Wollina U, Uhlemann C. Die klassischen
„Kollagenosen” – Pathogenese und Therapieansätze.
Physikal Med Rehab Kurortmed 1994; 4: 22 – 26