Aktuelle Dermatologie 2011; 37(8/09): 296-299
DOI: 10.1055/s-0030-1256610
Eine Klinik im Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Seltene kutane Manifestation eines intestinalen T-Zell-Lymphoms

Rare Cutaneous Manifestation of a Intestinal T-Cell LymphomaS.  Navysany1 , M.  Rebel2 , O.  Inhoff1 , B.  Cornelius3 , P.  Ströbel4 , M.  H.  Bohrer2 , E.  Dippel1
  • 1Hautklinik, Klinikum Ludwigshafen gGmbH, Hauttumorzentrum Rheinpfalz
  • 2Institut für Pathologie, Klinikum Ludwigshafen
  • 3Zentralinstitut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Ludwigshafen
  • 4Pathologisches Institut, Universitätsmedizin Mannheim
Weitere Informationen

Dr. Soraya Navysany

Hautklinik/Hauttumorzentrum Rheinpfalz
Klinikum Ludwigshafen

Bremserstraße 79
67063 Ludwigshafen

eMail: navysans@klilu.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Juli 2011 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Primär kutane Lymphome zeigen definitionsgemäß zum Zeitpunkt der Diagnosestellung keinen weiteren Organbefall [2]. Beim Auftreten kutaner Lymphome ist stets eine sekundäre Hautbeteiligung bei primär extrakutanen Lymphomen in Betracht zu ziehen. Wir stellen eine 85-jährige Patientin mit einem CD30+-intestinalen T-Zell- Lymphom vor, dessen Erstsymptom multiple, noduläre, zentral ulzerierende Läsionen an der Haut waren. Kutane Absiedelungen beim intestinalen T-Zell-Lymphom stellen eine Rarität dar und sind in der Literatur nur als Einzelfälle beschrieben. Im vorliegenden Fall konnten die kutanen Absiedelungen trotz initialer Durchuntersuchung erst verzögert im Verlauf gänzlich verstanden werden, nachdem es komplizierend zu einer Dünndarmperforation gekommen war und die histologische Diagnose eines T-Zell-Lymphoms des Jejunums gestellt wurde. Eine Chemotherapie nach dem CHOP-21-Schema (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon) zeigte im Re-Staging eine komplette intestinale sowie kutane Remission. Der vorliegende Fall zeigt besonders eindrücklich, dass auch bei kutanen T-Zell-Lymphomen stets an sekundäre Hautinfiltrate bei extrakutanen Lymphomen gedacht werden muss und eine konsequente Durchuntersuchung gegebenenfalls auch wiederholt veranlasst werden muss.

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Abstract

At the time of initial diagnosis, primary cutaneous lymphoma by definition don't show any spread to other organs of the body. On the other hand primary extracutaneous lymphoma may cause secondary skin lesions. We present a case of an 85 years old female patient with a CD30+ intestinal T-Cell lymphoma. The initial symptoms of the disease were multiple nodular skin lesions with central ulceration. Cutaneous lesions are rare in intestinal lymphoma and so far only singular cases have been described. The initial staging exam couldn't find any extracutaneous lymphoma. Two months later the patient suffered an intestinal perforation. The histological examination of the specimen from the jejunal resection detected an intestinal T-Cell lymphoma. Chemotherapy was initiated and a complete remission of the cutaneous und intestinal lesions was achieved after 6 cycles of CHOP-21. As shown in this particular case the presentation of a cutaneous T-cell lymphoma requires an accurate and repeated staging exam considering the possible presence of secondary skin lesions of an extracutaneous lymphoma.

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Einleitung

Primäre kutane Lymphome entstehen in der Haut und zeigen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in der Regel keinen weiteren Organbefall. Sie zeigen meist einen chronischen Verlauf und unterscheiden sich bezüglich Klinik und Prognose grundlegend von extrakutanen Lymphomen [1]. Sekundäre kutane Manifestationen peripherer T-Zell-Lymphome stellen eine Seltenheit bei schon vorangeschrittener Grunderkrankung dar [2]. Primär intestinale Lymphome des Dünn- und Dickdarms haben eine vergleichsweise schlechte Prognose innerhalb der Gruppe gastrointestinaler Lymphome. Überwiegend handelt es sich dabei um B-Zell-Lymphome vom MALT-Typ. Eine seltene Sonderform der intestinalen Lymphome sind die T-Zell-Lymphome, die häufig mit einer Enteropathie oder einem Malabsorptionssyndrom vergesellschaftet sind. [3] Häufig zeigt sich die Krankheitsmanifestation asymptomatisch, was eine sehr frühe Diagnose oft schwierig macht. Bei Auftreten von Symptomen sind diese oft unspezifisch. Zu den Symptomen zählen Ileussymptomatik, Durchfälle, gastrointestinale Blutungen, Bauchschmerzen, in seltenen Fällen kommt es zur Perforation oder gastrointestinaler oder kutaner Fistelbildung [4]. In diesem Artikel wird über einen Fall eines intestinalen T-Zell-Lymphoms des Jejunums berichtet, dessen Erstsymptom multiple, noduläre, zentral ulzerierende, metastatische Läsionen an der Haut waren.

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Fallbericht

Eine 84-jährige Patientin stellte sich erstmals im Juni 2009 mit multiplen, nodulär zentral ulzerierende Läsionen an beiden Unterschenkeln vor ([Abb. 1 a] und [b]). Die übrige körperliche Untersuchung zeigte eine Patientin in gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand ohne weiteren pathologischen Befund. Insbesondere ließen sich keine vergrößerten Lymphknoten tasten, ebenfalls zeigte sich ein unauffälliger Befund des Abdomens ohne palpatorische Organomegalie, Auffälligkeiten des Stuhls oder Malassimilation. Auf gezielte Nachfrage wurde eine B-Symptomatik verneint, es lagen außer einer arteriellen Hypertonie, Hypercholesterinämie und Z. n. Ulcus duodeni keine Vorerkrankungen vor. Die Medikation bestand aus Aponal 25 mg, ISMO 20 mg, Simvastatin 10 mg und Delix 2,5 mg.

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Abb. 1 a Klinische kutane Manifestation eines intestinalen T-Zell-Lymphoms mit zentral ulzerierenden Papeln und Plaques. b Nahaufnahme des rechten Unterschenkels.

Bei klinisch makroskopischem Verdacht auf eine Vaskulitis erfolgte die Entnahme einer Hautbiopsie, welche histologisch eine Vaskulitis vor allem der tieferen subkutanen Blutgefäße mit flächenhaft granulozytär durchsetzten Nekrosen von Haut- und Weichgewebe mit sekundären frischeren Thrombosen erbrachte.

In der weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung zeigten sich Hepatitisserologie, Kryoglobuline und ANCAs unauffällig. Ebenso lagen großes Blutbild, Leber- und Nierenwerte im Normbereich. Im Sammelurin zeigte sich eine Proteinurie (205 mg/24 h) ohne Hinweis auf ein nephritisches Sediment. Das CRP war mit 0,5 mg/dl normwertig, die Blutsenkung mit 26 mm/h (Norm 6 – 11 mm/h) erhöht. Zur Beurteilung einer systemischen Beteiligung der Vaskulitis wurde eine Angiografie der Mesenterial- und Nierengefäße sowie eine Koloskopie mit Stufenbiopsien durchgeführt. Die Angiografie zeigte einen unauffälligen Befund, in der Koloskopie erfolgte eine Polypabtragung aus dem Colon ascendens ohne Anhalt für Malignität, mit sonst ebenfalls unauffälligem Befund.

Im weiteren Verlauf erbrachte die immunhistologische Aufarbeitung der Hautbiopsie den Befund eines kutanen angiozentrischen T-Zell-Lymphoms, wobei die genauere Subtypisierung allerdings nicht eindeutig war ([Abb. 2 a – c]). Morphologie und Befallmuster ließen histologisch an ein subkutanes pannikulitis-artiges T-Zell-Lymphom denken, während der Immunphänotyp am ehesten für ein CD30+-großzelliges anaplastisches T-Zell-Lymphom sprach. Es zeigte sich eine fehlende Expression von TCR α/β in der Immunhistochemie. Differenzialdiagnostisch kam daher noch ein γ/δ-T-Zell-Lymphom in Betracht.

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Abb. 2 a Hautbiopsie (HE-Färbung), dichtes, subkutan gelegenes, lymphozytäres Infiltrat. b Expression von CD3. c Expression von CD30.

Bei V. a. ein primär kutanes T-Zell-Lymphom erfolgte die erste Staginguntersuchung im Oktober 2009. Computertomografie von Thorax und Abdomen zeigten keinen Nachweis von vergrößerten Lymphknoten oder gastrointestinaler Beteiligung. Es wurde daher eine intensive Lokaltherapie mit Steroiden und eine systemische Therapie mit Methotrexat 20 mg s. c. 1 ×/Woche eingeleitet.

Trotz zytostatischer Behandlung zeigte sich im Dezember 2009 ein Progress des Hautbefundes mit nun zentral ulzerierenden Knoten mit umgebendem Erythem und Nekrosen sowie starken Schmerzen an beiden Unterschenkeln ([Abb. 3 a] und b).

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Abb. 3 a Ulzerierende Knoten und Nekrosen des rechten Unterschenkels. b Nahaufnahme des linken Unterschenkels.

Die systemische Therapie mit Methotrexat wurde auf 25 mg s. c. 1 ×/Woche gesteigert. Die erneute Staginguntersuchung blieb bis auf nun grenzwertig vergrößerte Mesenteriallymphknoten ohne pathologischen Befund ([Abb. 4]). Erstmals kam es hier während des stationären Aufenthalts zu starken krampfartigen abdominellen Schmerzen und Übelkeit. In der internistischen Untersuchung zeigte sich ein druckdolentes Abdomen, ein Röntgen ergab keinen Nachweis freier Luft intraabdominell. Spiegelbildung und stehende Schlingen im rechten Unterbauch im Sinne eines Subileus wurden gesehen. Die abdominellen Beschwerden wurden auf die Gabe von oralem Kontrastmittel für die CT-Untersuchung am Vortag zurückgeführt.

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Abb. 4 Sagittale Ansicht CT-Untersuchung von 12/2009 (Pfeil: retrospektiv betrachtet mögliche auffällige Läsion).

Anfang Februar 2010 wurde die Patientin mit akutem Abdomen notfallmäßig vorstellig. Es erfolgte eine diagnostische Laparoskopie, in der sich der initiale Verdacht auf eine Dünndarmperforation bestätigte und eine offene Jejunumteilresektion folgte. Die immunhistologische Aufarbeitung des Resektates zeigte ebenfalls das Bild eines CD30-positiven anaplastischen T-Zell-Lymphoms ([Abb. 5 a – d]).

Molekularbiologisch zeigten sich zwei monoklonale Peaks im T-Zell-Rezeptor-Rearrangement identisch im Darm und der Haut.

In Zusammenschau der Histologie und Molekularbiologie muss daher davon ausgegangen werden, dass es sich im Darm und der Haut um die identische Lymphomentität handelt.

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Abb. 5 a Intestinales Lymphom der Dünndarmschleimhaut in der Übersicht (HE-Färbung). b Nahaufnahme des dichten lymphozytären Infiltrates (HE-Färbung). c Expression von CD30. d Expression von CD3.

Nach 10-tägiger postoperativer Überwachung auf der Intensivstation wurde die Patientin in die onkologische Abteilung der Klinik für Gastroenterologie überwiesen. Dort wurde die Staginguntersuchung durch eine Knochenmarkbiopsie, ein MRT des Halses, eine Koloskopie, eine ÖGD und ein Echokardiografie vervollständigt. Ausstrich und durchflusszytometrische Analyse der Knochenmarkspunktion waren unauffällig. Im März 2010 wurde nach unauffälliger Staginguntersuchung eine Chemotherapie nach dem CHOP-21-Schema (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon) eingeleitet. Es erfolgten insgesamt 6 Zyklen. Im Re-Staging im Oktober 2010 zeigte sich eine komplette intestinale und kutane Remission ([Abb. 6]).

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Abb. 6 Narbige Abheilung des Unterschenkels rechts lateral nach CHOP 21, 10/2010.

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Diskussion

Kutane Absiedelungen beim intestinalen T-Zell-Lymphom stellen eine Rarität dar und sind in der Literatur nur als Einzelfälle beschrieben. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich beim Nachweis eines Lymphoms der Haut um den Primärtumor. Immer dann, wenn die histologische Subklassifikation, wie auch in unserem Fall, nicht eindeutig ist und man nach WHO-Klassifikation [2] von einem unspezifischen kutanen T-Zell-Lymphom spricht, sollte man immer auch an sekundäre Hautinfiltrate bei extrakutanen Lymphomen denken und eine konsequente Durchuntersuchung, gegebenenfalls auch wiederholt, veranlassen. Insbesondere in Kombination mit gastrointestinalen Symptomen (Durchfälle, gastrointestinale Blutung, abdominale Schmerzen) muss an das Vorliegen einer sekundären kutanen Manifestation bei primär intestinalem Lymphom gedacht werden. In so einem Fall sollte die einfache Staginguntersuchung mittels Computertomografie um ein MR-Sellink oder auch um eine endoskopisch-bioptische Diagnostik ergänzt werden, da sich hieraus erhebliche therapeutische und prognostische Konsequenzen für den Patienten ergeben [5].

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Literatur

  • 1 Dippel E, Klemke C-D, Goerdt S. Current Status of Cutaneous T-Cell-Lymphoma: Molecular Diagnosis, Pathogenesis, Therapy and Future Directions.  Onkologie. 2003;  26 477-483
  • 2 Stadler R, Assaf C, Klemke C et al. Kurzleitlinie – Kutane Lymphome.  JDDG. 2008;  6 (Suppl 1) 29-35
  • 3 Caspary W, Mössner J, Stein J. Therapie gastrointestinaler Erkrankungen.. Springer Medizin; Heidelberg; 2005
  • 4 Gössmann H, Görlitz T, Beck A, Reith H B. Intestinal small bowel lymphomas – diagnosis and treatment.  Röntgenpraxis. 2006;  56 (2) 67-72
  • 5 Navysany S, Rebel M, Inhoff O et al. Seltene kutane Manifestation eines intestinalen T-Zell-Lymphoms.. Poster DDG; Dresden; 2011

Dr. Soraya Navysany

Hautklinik/Hauttumorzentrum Rheinpfalz
Klinikum Ludwigshafen

Bremserstraße 79
67063 Ludwigshafen

eMail: navysans@klilu.de

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Literatur

  • 1 Dippel E, Klemke C-D, Goerdt S. Current Status of Cutaneous T-Cell-Lymphoma: Molecular Diagnosis, Pathogenesis, Therapy and Future Directions.  Onkologie. 2003;  26 477-483
  • 2 Stadler R, Assaf C, Klemke C et al. Kurzleitlinie – Kutane Lymphome.  JDDG. 2008;  6 (Suppl 1) 29-35
  • 3 Caspary W, Mössner J, Stein J. Therapie gastrointestinaler Erkrankungen.. Springer Medizin; Heidelberg; 2005
  • 4 Gössmann H, Görlitz T, Beck A, Reith H B. Intestinal small bowel lymphomas – diagnosis and treatment.  Röntgenpraxis. 2006;  56 (2) 67-72
  • 5 Navysany S, Rebel M, Inhoff O et al. Seltene kutane Manifestation eines intestinalen T-Zell-Lymphoms.. Poster DDG; Dresden; 2011

Dr. Soraya Navysany

Hautklinik/Hauttumorzentrum Rheinpfalz
Klinikum Ludwigshafen

Bremserstraße 79
67063 Ludwigshafen

eMail: navysans@klilu.de

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Abb. 1 a Klinische kutane Manifestation eines intestinalen T-Zell-Lymphoms mit zentral ulzerierenden Papeln und Plaques. b Nahaufnahme des rechten Unterschenkels.

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Abb. 2 a Hautbiopsie (HE-Färbung), dichtes, subkutan gelegenes, lymphozytäres Infiltrat. b Expression von CD3. c Expression von CD30.

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Abb. 3 a Ulzerierende Knoten und Nekrosen des rechten Unterschenkels. b Nahaufnahme des linken Unterschenkels.

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Abb. 4 Sagittale Ansicht CT-Untersuchung von 12/2009 (Pfeil: retrospektiv betrachtet mögliche auffällige Läsion).

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Abb. 5 a Intestinales Lymphom der Dünndarmschleimhaut in der Übersicht (HE-Färbung). b Nahaufnahme des dichten lymphozytären Infiltrates (HE-Färbung). c Expression von CD30. d Expression von CD3.

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Abb. 6 Narbige Abheilung des Unterschenkels rechts lateral nach CHOP 21, 10/2010.