Aktuelle Dermatologie 2011; 37(12): 451-457
DOI: 10.1055/s-0030-1256723
Übersicht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Häufige Haut-Nebenwirkungen von neuen onkologischen Medikamenten

Cutaneous Side Effects of Innovative Cancer TherapiesI.  Moll1
  • 1Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
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Prof. Dr. Ingrid Moll

Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Direktorin der Klinik

Martinistraße 52
20246 Hamburg

Email: sek-derma@uke.de

Publication History

Publication Date:
06 December 2011 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Zielgerichtete Therapien, die an molekular definierten Strukturen von Signalwegen angreifen und diese dadurch unterbrechen, werden zunehmend mehr in onkologischen Therapien eingesetzt. Die derzeit verbreiteten Inhibitoren reagieren mit EGFR und Multikinasen, daneben findet Capecitabin eine breite Anwendung und künftig auch BRAF-Inhibitoren. Durch ihre Wirkungen auf normale Gewebe entstehen auch Nebenwirkungen an der Haut. EGFR-Inhibitoren verursachen bevorzugt stammbetonte, papulopustulöse Exantheme, Multikinase-Inhibitoren ebenfalls, wenn auch geringer. Capecitabin verursacht das Hand-Fuß-Syndrom. Diese Nebenwirkungen und ihr Management, was von Therapiebeginn an konsequent durchgeführt werden sollte, werden hier beschrieben.

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Abstract

Targeted therapies become increasingly used in oncology. The most frequent used are EGFR- and multikinase-inhibitors as well as capecitabine and in future BRAF-inhibitors. By targeting signalling pathways very often normal tissues are effected and cutaneous side effects develop. EGFR-inhibitors induce mostly papulous exanthema, as do multikinase-inhibitors, but to a smaller amount. Capecitabine induces severe hand-foot syndrome. These side effects and their management to be started together with oncologic treatment are discussed here.

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Einleitung

In den letzten 10 Jahren gelang es, die molekularen Mechanismen der Zell-Zell-Interaktionen zwischen den Tumorzellen und Zellen des Stromas und der Gefäße in wesentlichen Bereichen aufzuklären. Auch die molekulare Basis einer Reihe intrazellulärer Signaltransduktionswege, die wichtige Schritte des Zellwachstums – Proliferation und Apoptose – vieler Gewebe steuern, wurde weiter definiert ([Abb. 1 a]). In vielen malignen Tumoren sind diese durch Mutationen fehlreguliert zugunsten von Proliferation, Antiapoptose und Invasion, d. h. zugunsten des Tumorwachstums. Ein solcher Signaltransduktionsweg, der sogenannte Mitogen-aktivierte Proteinkinase-Weg (MAP-Kinase-Weg) ist wesentlich bei der Induktion und Progression von malignen Tumoren [1], der über eine Reihe von Tyrosinkinasen läuft ([Abb. 1 b]). Derzeit kennt man 90 humane Tyrosinkinasen, die Zellwachstum regulieren und durch verschiedene Mechanismen aktiviert werden:

  • Überexpression von Rezeptor-Tyrosinkinasen auf der Oberfläche von Tumorzellen ([Abb. 1 b])

  • Mutationen, die eine Daueraktivierung nach sich ziehen ([Abb. 1 b])

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Abb. 1 a Regulation der Gewebshomöostase: Gleichgewicht. Mitogenaktivierter Proteinkinase-Signaltransduktionsweg (MAPK-Signalling). b Regulation in Tumoren: Ungleichgewicht. Intrazelluläre Blockierung durch small molecules (z. B. Erlotinib, Gefitinib), extrazelluläre Blockierung durch EGFR-Antikörper (z. B. Cetuximab).

Solche Daueraktivierungen führen zur Progression bei Karzinomen z. B. des Kolons und der Lunge [2]. In neuerer Zeit ist ihre selektive Hemmung möglich geworden und bereits in der Therapie verschiedener Karzinome etabliert. Es werden Tyrosinkinase-Inhibitoren eingesetzt, die direkt die Tyrosinkinasen intrazellulär blockieren, wie z. B. Erlotinib, Gefitinib und Antikörper gegen die Rezeptor-Tyrosinkinasen auf der Zelloberfläche (z. B. Cetuximab, Panitumumab). Daneben gibt es Antikörper gegen die Liganden der Rezeptoren, oft Wachstumsfaktoren, z. B. wird der Gefäßwachstumsfaktor VEGF von Bevacizumab blockiert. Bedingt durch ihre gezielten Angriffspunkte (targeted therapy) und ihre hohe Wirksamkeit werden diese Medikamente oft jahrelang gegeben. Jedoch spielen diese Signalwege naturgemäß genauso in gesunden Zellen eine wichtige Rolle und dadurch verursacht ihre Hemmung in rasch proliferierenden Geweben wie z. B. der Haut und Schleimhäute obligatorisch Schäden ([Abb. 1 a]) [3].

Hier sollen die Nebenwirkungen an der Haut einiger wichtiger neuer Medikamente beschrieben und ihr dermatologisches Management erläutert werden.

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EGFR-Inhibitoren

Die Überexpression von EGF-Rezeptoren (EGFR; [Abb. 1 b]) ist für eine Reihe von Karzinomen (z. B. 80 % der Kolonkarzinome) ein wichtiger Schritt in der Aktivierung des MAP-Kinase-Weges und damit des Tumorwachstums [2] [4]. Ein rekombinanter monoklonaler EGFR-Antikörper, der diese Aktivierung inhibiert, erwies sich in diversen Studien bei Patienten mit Kolonkarzinom, aber auch bei nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen (NSCL) und Plattenepithelkarzinomen der Kopf- und Halsregion als sehr effektiv [4]. Auch sog. small molecules (z. B. Erlotinib, Gefitinib) blockieren selektiv den EGFR, allerdings dessen intrazelluläre Tyrosinkinase-Domäne ([Abb. 1 b]). Therapien mit diesen beiden Typen von EGFR-Inhibitoren sind im Vergleich zu klassischen Chemotherapien gut verträglich. Aber der EGFR auf basalen Keratinozyten der Epidermis und der äußeren Wurzelscheide – dort essenziell für die Gewebehomöostase ([Abb. 1 a]) – wird genauso inhibiert, was eine Vielzahl neuer Nebenwirkungen an Haut und Haaren und bei 10 – 32 % der Patienten einen Therapieabbruch induziert [5] [6].

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Papulopustulöses Exanthem

Die häufigsten Nebenwirkungen der EGFR-Inhibitoren sind papulopustulöse, „akneiforme“ Exantheme mit follikulären Papeln und Pusteln im Bereich der seborrhoischen Areale (Gesicht, vordere und hintere Schweißrinne, behaarter Kopf), die oft konfluieren und verkrusten [7] [8]. Komedonen fehlen, weshalb hier die Bezeichnung papulopustulöses Exanthem bevorzugt wird ([Abb. 3 a]). Nahezu alle Patienten sind – zumindest geringgradig – betroffen. Das Exanthem tritt sehr früh, meist um die 2. Behandlungswoche auf, ist progredient und später in den meisten Fällen langsam spontan rückläufig ([Abb. 2]). Die Einteilung in vier Grade erfolgt gemäß NCI-CTCAE (National Cancer Institute, Common Terminology Criteria for Adverse Events; Schweregrad 1 – 4). Wahrscheinlich sind stark ausgeprägte Hauterscheinungen mit einem günstigen Antitumoreffekt korreliert und umgekehrt [9]. Eine Dosisreduktion oder ein Absetzen der EGFR-Inhibitoren ist daher – wenn möglich – zu vermeiden. Vielmehr sind konsequente dermatologische Therapien nötig.

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Abb. 2 Verlauf der Hautnebenwirkungen von EGFR-Inhibitoren.

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Abb. 3 Nebenwirkungen der Therapie mit dem EGFR-Antikörper Cetuximab. a Papulopustulöses, follikulär betontes Exanthem im Gesicht, am oberen Thorax und behaarten Kopf: Der Patient zeigte eine deutliche Regression des Kolonkarzinoms!

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b Ausgeprägte Xerosis cutis, teils mit Eczema craquelé am Oberschenkel.

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c Hand-Fuß-Syndrom, Erytheme und ausgeprägte Schuppenbildung.

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d Unguis incarnatus mit Paronychie der Großzehe.

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e Onychodystrophia canaliculiformis mediana mit deutlichen Paronychien.

Extrem wichtig sind Aufklärung der Patienten vor Beginn der onkologischen Therapie und Prävention. Es sollten nur milde, feuchtigkeitsspendende Cremes angewendet, Traumatisierungen und Irritationen (Wärme, Kälte, Schweiß) vermieden werden. Wegen der gesteigerten Fotosensibilisierung ist ein sehr konsequenter UV-Schutz mit LSF 50+ absolut nötig für alle Patienten.

Mit Metronidazol-, Nadifloxacin- oder Erythromycin-haltigen wässrigen Cremes/Gelen bessert sich das Exanthem meist und bildet sich allmählich spontan zurück ([Abb. 2]). Zur Hautreinigung sind milde Syndets anzuwenden, da die Haut sehr reizbar ist, zu Rötungen und Austrocknung neigt. Daher sind die klassischen Aknetherapeutika zu vermeiden!

Bei Therapieresistenz und in schweren Fällen ist zusätzlich eine systemische Antibiose indiziert. Günstig hat sich Doxycyclin 2 × 100 mg (mit Reduktion auf 1 × 100 mg) für mehrere Wochen erwiesen, evtl. kurzfristig kombiniert mit lokalen Steroiden, z. B. Prednicarbat- oder Triamcinolonacetonid-Creme. Eine längerfristige Behandlung mit Isotretinoin bleibt sehr schweren Fällen vorbehalten [8].

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Xerosis cutis

4 – 6 Wochen nach Therapiebeginn wird die Haut zunehmend trockener, leicht irritierbar und oft entzündlich verändert ([Abb. 2]) [8]. Die Patienten sollten sehr konsequent Hautreizungen und mechanische Beanspruchungen meiden sowie Lichtschutzpräparate anwenden. Nicht selten entsteht ein Eczema craquelé, das stark juckt ([Abb. 3 b]). Die trockenen Ekzemherde sind konsequent zu fetten, kurzfristig mit Steroidcremes, im weniger entzündlichem Zustand mit harnstoffhaltigen Pflegeprodukten. Zur Reinigung sind Dusch- und Badeöle und milde Syndets geeignet.

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Paronychien und Rhagaden

Weiterhin kommt es an Fingern und Zehen zu schlecht abheilenden, schmerzhaften Rhagaden und Paronychien, zunächst der Großzehe, aber alle Finger und Zehen können betroffen sein ([Abb. 3 c]). Nicht selten bildet sich Granulationsgewebe wie bei einem Unguis incarnatus ([Abb. 3 d]).

Rhagaden und Fissuren heilen im feuchten Milieu besser ab, daher empfehlen sich dünne Hydrokolloid-Verbände oder Nafloxacin-haltige Cremes mit Gaze-Verbänden. Die Paronychien sind mit lokaler Desinfektion, z. B. Octenidin-, Polyvidonjod-haltigen oder auch Ciclopirox-haltigen Präparaten zu behandeln. Das Granulationsgewebe des Unguis incarnatus wird abgetragen und regelhaft mit AgNO3 touchiert. Zusätzlich sind bei ausgeprägten Entzündungen oder bullöser Paronychie systemische Antibiotika rezidivierend notwendig, deren Gabe sich nach vorheriger Keim- und Resistenzbestimmung empfiehlt.

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Haarveränderungen

Das follikuläre papulopustulöse Exanthem (s. o.) betrifft in vielen Fällen auch den behaarten Kopf, teils mit langwierigen nässenden Entzündungen ([Abb. 4 a]).

Als weniger störende Nebenwirkung beginnt nach ca. 10-wöchiger Behandlung die Veränderung der Haare ([Abb. 2]). Das Kopfhaar ist kräuseliger, dünner, brüchiger und insbesondere das Wachstum lässt stark nach ([Abb. 4 b]). Hingegen tritt in vielen Fällen eine Verlängerung und Verdickung der Wimpern, oft auch der Brauen, auf ([Abb. 4 c]), seltener auch eine Velushaar-Hypertrichose im Gesichtsbereich [9] [10]. Dies sollte den Patienten erklärt werden, damit sie rechtzeitig Wimpern kürzen, da sonst eine Konjunktivitis entsteht.

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Abb. 4 Nebenwirkung der Therapie mit Cetuximab und Sunitinib. a Exanthem, nur teils follikular betont am behaarten Kopf nach Cetuximab. b Kräuselhaar in circumskriptem Areal nach Cetuximab.

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c Hypertrichosis der Wimpern und Dystrophie der Brauen nach Cetuximab.

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d Grau-Gelb-Verfärbung der Haare, teils auch Kräuselhaare nach Sunitinib.

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Multikinase-Inhibitoren

Sie inhibieren ([Abb. 1 b]) jeweils mehrere intrazelluläre Tyrosinkinasen mit etwas unterschiedlichem Spektrum. Sorafenib hemmt die RAF-Kinase und die Signaltransduktionswege von VEGF und PDGF, Sunitinib blockiert den c-kit-Rezeptor und ebenfalls VEGF und PDGF ([Abb. 1 b]). Häufig eingesetzt werden Sorafenib und Sunitinib bei Nierenzellkarzinom, hepatozellulärem Karzinom und gastrointestinalem Stromatumor sowie Dermatofibrosarcoma protuberans. Insgesamt ist die Verträglichkeit dieser Medikamente sehr günstig. Beide werden über den Zytochrom P 450-Weg verstoffwechselt, was zu Interferenzen mit Medikamenten führt, die bei dermatologischen Patienten häufig eingesetzt werden wie Ketokonazol, Itrakonazol, Erythromycin und Clarithromycin u. a. Dies sollte unbedingt beachtet werden!

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Hand-Fuß-Syndrom (Palmoplantares Erythrodysästhesiesyndrom)

Charakteristisch ist das Hand-Fuß-Syndrom, das jedoch weniger ausgeprägt und deutlich seltener (ca. 20 %) ist als bei Capecitabin und daher dort besprochen wird (s. u. [11]). Es ist häufiger hyperkeratotisch und betrifft die Plantae mehr als die Palmae und kann erst sehr spät, nach vielen Therapiewochen, auftreten [12].

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Makulopapulöses Exanthem

Es betrifft ca. 20 % der Patienten, meist am Rumpf und an den proximalen Extremitäten und kann assoziiert sein mit einem vorausgehenden Erythema faciei ([Abb. 5]) [12]. Das Exanthem ist meist selbst limitiert, verläuft jedoch sehr unterschiedlich, manchmal sehr schwer. Im Vergleich zum papulopustulösen Exanthem nach EGFR-Antikörper (s. o.) ist es deutlich weniger ausgeprägt und betrifft weniger Gesicht und behaarten Kopf.

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Abb. 5 Erythrosis faciei nach Einnahme von Sunitinib.

Insbesondere bei Erythema faciei – aber auch prophylaktisch – sind jegliche Hautirritationen, z. B. Temperaturschwankungen, Reibungen, mechanische Belastungen, zu meiden und ein sehr konsequenter Lichtschutz zu betreiben. Die Pflege sollte zunächst blande, evtl. mit harnstoffhaltigen Präparaten erfolgen. Bei Juckreiz oder Entzündungen eignen sich Thesit-haltige u. ä. Präparate, Harnstoff dann weniger. Intermittierend sind lokale Steroide (z. B. Prednicarbat, Triamcinolonacetonid) angezeigt. Längerfristig empfiehlt es sich, Metronidazol- oder Ketokonazol-haltige Cremes anzuwenden. Insgesamt ist der Verlauf aber meist kurz und selbstlimitiert [13] [14].

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Stomatitis

Schon zu Therapiebeginn kann eine Stomatitis auftreten, häufig mit Sekundärinfektionen. Daher sind immer antiseptische Spüllösungen angezeigt, z. B. mit Octenidin, Polyvidonjod, bei ausgeprägten Schmerzen auch Anästhetika-haltige Lösungen, z. B. Lidocain. Obwohl die Stomatitis meist limitiert ist, sollten prophylaktisch Mundspüllösungen während der gesamten Therapie angewendet werden.

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Farb- und Strukturveränderungen an Haut und Haar

In allen Fällen führen Sorafenib und Sunitinib zu einem Effluvium, Verdünnung des Haarschaftes und häufig zu Kräuselbildung, jedoch deutlich weniger als EGFR-Inhibitoren (s. o). Unter Sunitinib kann es zu einer Grau-Verfärbung des Haarschaftes kommen, teils in scheckiger Streifung ([Abb. 4 d]). Wahrscheinlich beruht dies auf einer Inhibition der Tyrosinkinase c-kit, welche eine Funktion bei der Melanogenese von Haut und Haaren besitzt [15]. Sunitinib kann – bedingt durch die gelbe Farbe eines aktiven Metaboliten – auch eine Gelbfärbung der Haut bewirken. Im Unterschied zum Ikterus sind jedoch die Skleren frei!

Therapeutisch kommt neben Färben der Haare und kosmetischen Prozeduren Minoxidil als Therapieversuch in Betracht.

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Capecitabin

Hand-Fuß-Syndrom ist eine lange bekannte, häufige Nebenwirkung bei Chemotherapien, z. B. 5-FU, Doxorubicin, Paclitaxel und neuerdings aber besonders häufig bei Capecitabin, meist schon kurzfristig nach Beginn der Chemotherapie [16] [17] [18]. Daher wurde es früher auch Chemotherapie-induziertes akrales Erythem genannt. Capecitabin ist ein Fluoropyrimidin, das durch die Thymidinphosphorylase in 5-FU, den eigentlichen chemotherapeutischen Wirkstoff, und andere Substanzen umgebaut wird ([Abb. 6]). Diese werden weiter durch Dihydropyrimidindehydrogenase und andere Enzyme über Fluoroalanin u. a. in Urea abgebaut. Diese pharmakologische Prozessierung gibt Hinweise auf die Pathogenese des Hand-Fuß-Syndroms nach Capecitabin. Die Thymidinphosphorylase ist an Palmae und Plantae stark erhöht, die Dihydropyrimidindehydrogenase an Palmae und Plantae eher vermindert mit ausgeprägter genetischer Variabilität. Beides erhöht 5-FU in Palmae und Plantae ([Abb. 6]). Auch verschiedene Abbauprodukte wie z. B. Fluoroalanin sind toxisch und werden im Schweißdrüsenepithel angereichert. Weiterhin werden direkte Effekte von Capecitabin, Steigerung der COX-2-vermittelten Entzündungsreaktionen, Endothelschäden in der Dermis und neurotoxische Schäden diskutiert [18] [19]. Hinzu kommt die hohe Proliferationsrate der Keratinozyten in Palmae und Plantae, welche deren Empfindlichkeit steigert. Diese Pathogenesemechanismen werden derzeit favorisiert.

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Abb. 6 Stoffwechselwege von Capecitabin.

Das klinische Bild wird meist nach NCI-Terminologie in Grad 1 – 3 ([Abb. 7 9]) eingeteilt. Mehr als 60 % sind geringgradig (Grad 1,2), 24 % stark befallen (Grad 3). Bereits bei Grad 1 besteht häufig eine deutliche Minderung der Lebensqualität durch die permanenten Dysästhesien, Grad 3 bedingt eine schwerste Behinderung im täglichen Leben. Für die Patienten sind eine Aufklärung vor Therapiebeginn und Präventionsmaßnahmen wichtig. Sämtliche groben manuellen Tätigkeiten, unbequeme Schuhe und starke Temperaturschwankungen sind strikt zu meiden. Falls eine ausgeprägte pAVK besteht, ist mit akralen Nekrosen und Ulzerationen zu rechnen, daher sind vor der Therapie orientierende Untersuchungen nötig.

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Abb. 7 Hand-Fuß-Syndrom (Erythrodysästhesiesyndrom) nach Capecitabin, Grad 1.

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Abb. 8 Hand-Fuß-Syndrom nach Capecitabin, Grad 2.

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Abb. 9 Hand-Fuß-Syndrom, Grad 3. a mit deutlicher Schuppung, meist nach Sorafenib, b mit Rhagaden und Paronychien, keine Schuppung (nach Capecitabin).

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Die Haut ist regelmäßig zur Aufrechterhaltung der Barrierefunktion zu fetten, z. B. mit Eucerin cum aqua, Vaseline u. ä. Bei Grad 1 und 2 ([Abb. 7], [8]) ist eine intensive tägliche lokale Pflege empfohlen. Allerdings konnte ein wirklich präventiver Effekt mit einer Urea pura (12 %)- und Milchsäure (6 %)-haltigen Creme nicht belegt werden [20]. Zusätzlich sind Steroidcremes kurzfristig zur Entzündungsreduktion oder lokale Anästhetika (z. B. Emla®-Creme, Anästhesin®-Salbe, Olbas®-Kältespray), zusammen mit Bädern in Gerbstoff-Lösungen zur Reduktion der Schmerzen zu empfehlen. Nikotinpflaster wurden erprobt zur Vasokonstriktion und damit zur Linderung der 5-FU-Nebenwirkungen bei Infusionen. Als systemische Therapie werden immer wieder Steroide in mittlerer Dosierung, Pyridoxin (100 – 300 mg/die) und Celecoxib gegeben, deren Wirkungen jedoch umstritten und in einzelnen Studien widersprüchlich sind [21] [22]. In ausgeprägten Fällen sollten diese Therapien erwogen werden. Bei Chemotherapien per infusionem (z. B. 5-FU) kann versucht werden, durch Kältehandschuhe die Gefäße zu verengen und damit das Hand-Fuß-Syndrom zu mindern.

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BRAF-Inhibitoren

Derzeit werden unterschiedliche BRAF-Inhibitoren, z. B. Vemurafenib, ([Abb. 1 b]) von verschiedenen Herstellern in klinischen Studien erprobt. Induktionen von kutanen Plattenepithelkarzinomen, vorwiegend Keratoakanthome, wurden beobachtet, die bereits nach 8 Wochen auftreten. Wahrscheinlich handelt es sich um die häufigste Nebenwirkung. In verschiedenen experimentellen Modellen konnten BRAF-Inhibitoren eine Aktivierung des RAF-MEK-ERK-Signalweges induzieren in Zellen ohne BRAF-Mutation wie z. B. in den Keratinozyten. Diese paradoxe Aktivierung des MAP-Kinase-Signalweges in Keratinozyten könnte das Wachstum von Keratoakanthomen erklären ([Abb. 1 b]) [23]. Auch BRAF/CRAF-Dimerisierungen unter dem Einfluss von RAS könnten eine Rolle bei der Entstehung von kutanen Plattenepithelkarzinomen spielen [24]. Weitere häufige Nebenwirkung scheinen Fotosensitivität und ein mäßig ausgeprägtes Hand-Fuß-Syndrom (s. o.) zu sein [24]. Das Nebenwirkungsmuster von BRAF-Inhibitoren ist noch limitiert, da diese aktuell meist noch auf Studien beschränkt sind und erst die breitere Anwendung alle Nebenwirkungen zeigen wird.

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Prof. Dr. Ingrid Moll

Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Direktorin der Klinik

Martinistraße 52
20246 Hamburg

Email: sek-derma@uke.de

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Abb. 1 a Regulation der Gewebshomöostase: Gleichgewicht. Mitogenaktivierter Proteinkinase-Signaltransduktionsweg (MAPK-Signalling). b Regulation in Tumoren: Ungleichgewicht. Intrazelluläre Blockierung durch small molecules (z. B. Erlotinib, Gefitinib), extrazelluläre Blockierung durch EGFR-Antikörper (z. B. Cetuximab).

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Abb. 2 Verlauf der Hautnebenwirkungen von EGFR-Inhibitoren.

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Abb. 3 Nebenwirkungen der Therapie mit dem EGFR-Antikörper Cetuximab. a Papulopustulöses, follikulär betontes Exanthem im Gesicht, am oberen Thorax und behaarten Kopf: Der Patient zeigte eine deutliche Regression des Kolonkarzinoms!

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b Ausgeprägte Xerosis cutis, teils mit Eczema craquelé am Oberschenkel.

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c Hand-Fuß-Syndrom, Erytheme und ausgeprägte Schuppenbildung.

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d Unguis incarnatus mit Paronychie der Großzehe.

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e Onychodystrophia canaliculiformis mediana mit deutlichen Paronychien.

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Abb. 4 Nebenwirkung der Therapie mit Cetuximab und Sunitinib. a Exanthem, nur teils follikular betont am behaarten Kopf nach Cetuximab. b Kräuselhaar in circumskriptem Areal nach Cetuximab.

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c Hypertrichosis der Wimpern und Dystrophie der Brauen nach Cetuximab.

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d Grau-Gelb-Verfärbung der Haare, teils auch Kräuselhaare nach Sunitinib.

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Abb. 5 Erythrosis faciei nach Einnahme von Sunitinib.

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Abb. 6 Stoffwechselwege von Capecitabin.

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Abb. 7 Hand-Fuß-Syndrom (Erythrodysästhesiesyndrom) nach Capecitabin, Grad 1.

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Abb. 8 Hand-Fuß-Syndrom nach Capecitabin, Grad 2.

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Abb. 9 Hand-Fuß-Syndrom, Grad 3. a mit deutlicher Schuppung, meist nach Sorafenib, b mit Rhagaden und Paronychien, keine Schuppung (nach Capecitabin).

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