Krankenhaushygiene up2date 2011; 6(3): 171
DOI: 10.1055/s-0030-1256846
Meldungen und Meinungen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nosokomiale Infektionen auf Intensivstationen

Further Information

Publication History

Publication Date:
08 September 2011 (online)

Lambert ML et al. Clinical outcomes of health-care-associated infections and antimicrobial resistance in patients admitted to European intensive-care units: a cohort study. Lancet Infect Dis 2011; 11: 30 – 38

Patienten, die auf Intensivstationen aufgenommen werden, sind einem erheblichen Risiko für nosokomiale Infektionen ausgesetzt, deren Entstehung durch eine Reihe von intrinsischen und extrinsischen Faktoren begünstigt wird. Lambert und Kollegen gingen in einer großen, prospektiven Multicenter-Kohortenstudie der Frage nach, inwieweit antimikrobielle Resistenzen für die Mortalität und Verlängerung der Verweildauer verantwortlich gemacht werden können.

In den Jahren 2005 – 2008 wurden 119 699 Patienten von 537 Intensivstationen aus 10 europäischen Ländern in die Studie aufgenommen. Analysiert wurde das Auftreten von nosokomialen Pneumonien und Blutstrominfektionen, die durch S. aureus, E. coli, A. baumannii oder P. aeruginosa verursacht wurden. Dabei wurden sensible und resistente Isolate getrennt erfasst, wobei für die Definition der Resistenz folgende Antibiotika berücksichtigt wurden: Oxacillin (S. aureus), Cephalosporine der 3. Generation (E. coli) und Ceftazidim (A. baumannii, P. aeruginosa). Analysiert wurde das Outcome von Patienten mit einer Infektion durch einen bestimmten Erreger, beispielsweise einer MRSA-bedingten Pneumonie, verglichen mit dem Rest der Kohorte. Für die statistische Analyse wurde ein zeitabhängiges Regressionsmodell verwendet, um ein sog. Time-dependent-Bias zu vermeiden.

Bei Auswertung der Daten zeigte sich, dass 7 % der Patienten während Ihres Aufenthalts eine Pneumonie (davon 90 % beatmungsassoziiert) und 4 % eine Blutstrominfektion erlitten. Dabei ging das Auftreten einer Pneumonie mit einem etwa 2-fach erhöhten Sterblichkeitsrisiko einher. Für Blutstrominfektionen ergab sich sogar eine Verdreifachung des Risikos, jeweils bezogen auf alle 4 untersuchten Mikroorganismen. Wurden Infektionen mit sensiblen gegenüber resistenten Bakterien verglichen, so ergab sich eine etwa 20 %ige zusätzliche Steigerung der Letalität durch resistente Mikroorganismen. Statistisch signifikant waren die Ergebnisse allerdings nur in Bezug auf Pneumonien (Hazard Ratio 1,2; 95 %-Konfidenzintervall 1,1 – 1,4). Nosokomiale Pneumonien verlängerten die Verweildauer bei Infektionen mit sensiblen Mikroorganismen um 7,2 Tage bzw. bei resistenten Isolaten um 6,3 Tage ohne statistisch signifikante Unterschiede aufzuweisen. Für Blutstrominfektionen ergab sich eine deutlich geringere zusätzliche Verweildauer von 1,1 Tagen bei sensiblen und 2,5 Tagen bei resistenten Mikroorganismen als Verursacher der Infektion. Statistisch signifikant war hier allerdings nur der Vergleich von exponierten und nicht exponierten Patienten mit Bakteriämien durch Oxacillin-sensible S. aureus (MSSA).

Fazit: Die Autoren liefern mit Ihrer Studie, die auf einer großen Fallzahl basiert und aktuelle statistische Methoden anwendet, gute Daten aus 10 europäischen Ländern. Dabei zeigt sich, dass das Auftreten nosokomialer Infektionen mit einem erheblichen Sterblichkeitsrisiko und einer mehr oder minder deutlichen Verlängerung der Verweildauer einhergeht. Das zusätzlich zur Infektion entstehende, allein durch die antimikrobielle Resistenz bedingte Mortalitätsrisiko ist jedoch vergleichsweise gering. Die Studie könnte fast dazu verleiten, Infektionen durch multiresistente Erreger zukünftig als weniger problematisch anzusehen. Doch auch wenn die Verlängerung der Liegedauer und das Risiko, an einer solchen Infektion zu sterben nach dieser Untersuchung durch die Resistenz nicht oder kaum messbar erhöht wird, sollte die Bedeutung multiresistenter Erreger nicht unterschätzt werden: Die therapeutischen Optionen bei Infektionen mit multiresistenten Erregern sind bereits heute stark eingeschränkt und werden sich in absehbarerer Zeit nicht verbessern. Insofern sollte das eigentliche Ziel nosokomiale Infektionen sowohl mit resistenten als auch mit weniger resistenten Erregern zu verhindern weiterhin mit Nachdruck verfolgt werden.

Dr. Patrick Weißgerber, Tübingen

    >