Neuroradiologie Scan 2011; 1(1): 25
DOI: 10.1055/s-0030-1256923
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Steens SCA, Pondaag W, Malessy MJA et al. Obstetric brachial plexus lesions: CT myelography. Radiology 2011; 259:508–515

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Publication Date:
12 October 2011 (online)

Geburtstraumatische Brachialplexusläsion: Vor der Operation sollte immer eine CT-Myelografie erfolgen

Geburtstraumatische Brachialplexusläsionen (OBPL) treten bei bis zu 3 von 1000 Geburten auf. Der Schweregrad reicht von einer Neuropraxie oder Axonotmesis bis hin zu Neurotmesis und Wurzelausriss. Eine CT-Myelografie gibt Aufschluss über das Ausmaß der Verletzung und hilft so bei der Operationsindikation und -planung.

Zu Läsionen des Brachialplexus kommt es während der Geburt, wenn die obere Schulter im Bereich der Symphyse blockiert ist. Ein zusätzliches Ziehen am Kopf des Kindes durch den Geburtshelfer kann die Zerrung des Plexus dann noch verstärken.

Während sich die Funktion des Brachialplexus bei Neuropraxie und Axonotmesis im Laufe der Zeit meist spontan erholt, ist bei vollständiger Nervendurchtrennung oder Wurzelausriss in der Regel ein neurochirurgischer Eingriff erforderlich. Problematisch ist dabei, dass sich das Ausmaß der Läsion bei den Neugeborenen nur schwer klinisch erkennen lässt und die Effektivität der rekonstruktiven Operation im Laufe der Zeit abnimmt. Durch das zu lange Warten auf eine Spontanheilung kann somit wertvolle Zeit verloren gehen und der günstigste Operationstermin verpasst werden.

Stefan C. A. Steens aus den Niederlanden und seine Kollegen untersuchten bei 124 im Mittel 19 Wochen alten Patienten mit klinischem OBLP die diagnostische Aussagekraft einer präoperativen CT-Myelografie in Vollnarkose. 118 Kinder waren in Kopf- und 6 in Beckenendlage geboren worden. Bei allen Kindern lag ein Funktionsverlust verschiedener von C5 – T1 innervierten Muskeln vor und es war ein neurochirurgischer Eingriff geplant.

Wurzelausrisse bei mehr als der Hälfte der Kinder

In der CT-Myelografie zeigte sich bei 66 der 118 in Kopflage geborenen Kindern (56 %) und bei allen 6 Kindern mit Beckenendlage ein Wurzelausriss. Die meisten Wurzelausrisse fanden sich auf der Ebene C7–C8. Partielle Ausrisse waren insgesamt deutlich seltener als vollständige Ausrisse. Pseudozysten ließen sich bei 68 % der Ebenen der in Kopflage und 73 % der Ebenen der in Beckenendlage geborenen Kinder nachweisen.

Der präoperative Nachweis eines Wurzelausrisses ist von hoher Bedeutung, da in diesen Fällen ein anderes operatives Vorgehen erforderlich ist als bei einer Nervendurchtrennung, so die Autoren. Die präoperative CT-Myelografie ist dabei wesentlich weniger invasiv als die intraoperative Exploration, die einen zusätzlichen dorsalen Zugang zur Inspektion der intraduralen Kontinuität der Wurzelfilamente erforderlich macht. Das MRT hat zwar den Vorteil einer fehlenden Strahlenbelastung – für den Nachweis eines Wurzelausrisses ist hier aber das Vorhandensein einer Pseudozyste erforderlich. Diese war immerhin bei bis zu 30 % der Patienten nicht nachweisbar. Trotz der Nachteile, wie Strahlenbelastung und Notwendigkeit einer Vollnarkose, bleibt die CT-Myelografie in dieser Indikation somit die Methode der Wahl, schreiben die Autoren.

Fazit
Die Studie zeigt, dass bei mehr als der Hälfte der Kinder mit klinischem OBLP ein Wurzelausriss vorliegt, der nicht selten auch klinisch unauffällige Ebenen betrifft. Vor der Operation einer geburtstraumatischen Plexusläsion sollte nach Meinung der Autoren daher immer eine CT-Myelografie vorgenommen werden, um das Ausmaß der Läsion zu erfassen und die Operation von vornherein richtig planen zu können.

Maria Weiß, Berlin