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DOI: 10.1055/s-0030-1257116
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Geschlossene Absaugsysteme wirken nicht infektionspräventiv
Publication History
Publication Date:
21 December 2011 (online)
Jongerden IP et al. Effect of open and closed endotracheal suctioning on cross-transmission with gram-negative bacteria: A Prospective crossover study. Crit Care Med 2011; 39: 1313 – 1321
Eine Überlegenheit geschlossener Absaugsysteme gegenüber dem offenen Absaugen hinsichtlich der Reduktion beatmungsassoziierter Pneumonien konnte bislang nicht gezeigt werden. Die Autorengruppe um Irene Jongerden aus Utrecht hat sich nun mit der Frage beschäftigt, ob geschlossene Absaugsysteme die Umgebungskontamination und die Übertragung insbesondere gramnegativer Erreger aus der Atemwegsflora auf Mitpatienten verhindern bzw. reduzieren können.
Im Zeitraum von Januar 2007 bis Februar 2008 wurden insgesamt 1100 Patienten mittels extensiver mikriobiologischer Surveillance einschließlich Genotypisierung der gefundenen Erreger untersucht, um Übertragungen detektieren zu können. 585 Patienten wurden mittels geschlossener Absaugung behandelt, 525 wurden offen abgesaugt. Die Zuordnung der Patienten erfolgte abteilungsweit auf insgesamt 4 Intensivstationen im Crossover-Design.
Eine Übertragung wurde definiert als Nachweis des genotypisch identischen Erregers bei Patienten mit epidemiologischer Verbindung zu einem Indexpatienten. Eine erworbene Kolonisation wurde definiert als Erregernachweis frühestens 48 Stunden nach Aufnahme auf die Intensivstation und einem negativen Vorbefund.
Die Rate erworbener Kolonisationen mit gramnegativen Erregern lag mit geschlossener Absaugung bei 35,5/1000 und mit offener Absaugung bei 32,5/1000 Patiententage (Hazard ratio [HR] 1,14; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,9 – 1,4). Während die Akquisition von Pseudomonas aeruginosa mit geschlossener Absaugung abnahm (HR 0,66; KI 0,45 – 0,97) erhöhte sie sich für Acinetobacter spec. (HR 2,03; KI 1,15 – 3,57). Die Rate nachgewiesener Übertragungen für gramnegative Erreger betrug 5,9/1000 Patiententage mit dem geschlossenen System vs. 4,7/1000 Patiententage mit dem offenen System.
Die Autoren betonen, dass die große Mehrzahl der beobachteten Besiedlungen (80 %) endogener Natur war. Sie beschreiben als mögliche Ursache ihre Beobachtungen einer schlechteren Einhaltung der Händehygienestandards beim geschlossenen Absaugen, insbesondere hinsichtlich der Durchführung einer Händedesinfektion vor dem Beginn des Manövers.
Fazit: Diese Studie hält für den Praktiker 2 wichtige Erkenntnisse bereit: 1. Die überwiegende Mehrzahl der respiratorischen Besiedlungen und Infektionen mit gramnegativen Erregern bei beatmeten Patienten sind endogener Natur, was die Notwendigkeit von Antiotic-Stewardship-Programmen zur Reduktion von Selektionsdruck und Maßnahmen zur Verhinderung von Mikroaspirationen betont.2. Bei den Übertragungswegen scheinen einmal mehr die Hände des Personals und weniger technische Hilfsmittel im Vordergrund zu stehen und geschlossene Absaugsysteme können hier sogar in falsche Sicherheit wiegen. Ihre Indikation ergibt sich daher weniger aus infektionspräventiven als aus organisationspraktischen und beatmungstechnischen Gründen.
PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Freiburg