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DOI: 10.1055/s-0030-1262364
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Zur Entwicklung des neuen Vergütungssystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen nach §17d KHG 30.4.2010
Publication History
Publication Date:
05 July 2010 (online)
- Grundsätzliche Bewertung
- Definition sinnvoller Leistungs.anreize und Vermeidung von Fehlsteuerungen
- Berücksichtigung übergreifender Versorgungskonzepte und Aufhebung der sektoralen Zersplitterung des psychiatrischen Entgeltsystems
- Beseitigung von substanziellen Mängeln des gegenwärtigen Entgeltsystems: Quersubventionierung und Deckungsbeiträge
- Verbesserung des laufenden §17d-Entwicklungsprozesses
- Fazit
- Literatur
Verantwortlich für diese Rubrik: Karl H. Beine, Hamm
#Grundsätzliche Bewertung
Im Jahr 2007 haben sich 13 maßgebliche ärztliche und pflegerische Dach- und Fachverbände der Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie[*] auf das "Konzept für ein zukünftiges Entgeltsystem der Krankenhausbehandlung in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für alle Altersgruppen" verständigt (Konzept 2007). Dieses gemeinsam entwickelte und verabschiedete Konzept ist die einzige verbands- und berufsgruppenübergreifende Positionierung, die abgestimmte fachliche Empfehlungen zu den notwendigen Rahmenbedingungen des neuen Entgeltsystems gibt. ACKPA hält diese vor 3 Jahren formulierten und konsentierten Grundsätze auch im Jahr 2010 für gültig und setzt sich für die Umsetzung dieser Eckpunkte ein.
ACKPA hat vor dem Hintergrund dieses Grundsatzpapiers von Januar 2007 den bisherigen Entwicklungsprozess des neuen Entgeltsystems kritisch überprüft. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die im 13-Verbände-Konzept formulierten Eckpunkte im bisherigen Entwicklungsprozess unzureichend berücksichtigt wurden. Es sind Kurskorrekturen und Erweiterungen erforderlich, um die Expertise des 13-Verbände-Konzeptes in einem angemessenen Zeitrahmen aufzugreifen und umzusetzen.
ACKPA unterstützt nachdrücklich die Entwicklung eines neuen Vergütungssystems, das von den Behandlungsbereichen der Psychiatrie-Personalverordnung ausgeht, diese weiterentwickelt und unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit fallpauschalierten und einzelleistungsbezogenen Entgeltformen aus dem DRG-Bereich neue Vergütungselemente einbezieht. ACKPA sieht aber mit Sorge den bisherigen Verlauf der Entwicklung des neuen Entgeltsystems. Wir sind der Auffassung, das für eine derartig komplexe Herausforderung, die angesichts des Fehlens von einschlägigen Erfahrungen in anderen Ländern und in Deutschland Neuland betritt, in besonderem Maße fachliche Kompetenz und konstruktiv-kritische wissenschaftliche Begleitung erforderlich ist. Weil diese Voraussetzungen nach Auffassung von ACKPA aber bisher nicht im gebotenen Maß gegeben sind, empfehlen wir den Entscheidungsträgern, im Sinne dieser Empfehlungen möglichst umgehend Abhilfe zu schaffen.
#Definition sinnvoller Leistungs.anreize und Vermeidung von Fehlsteuerungen
Das 13-Verbände-Konzept befasst sich ausführlich mit Leistungsanreizen und der Vermeidung von Fehlsteuerungen. Aus ACKPA-Sicht ist dieser Themenkomplex von ganz grundsätzlicher Bedeutung. Angesichts der diagnostischen und therapeutischen Komplexität der Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie werden die aus dem neuen Vergütungssystem resultierenden Kosten/Aufwand-Relationen entscheidend die zukünftigen Angebotsstrukturen des gesamten psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystems bestimmen. Denn anders als in den meisten somatischen Fächern fehlen in vielen Bereichen – nicht zuletzt aufgrund der Heterogenität der Patientenklientel – die zwingend erforderlichen fachlichen Rahmenvorgaben (z.B. in Form von diagnostischen und therapeutischen Leitlinien), die für Zwecke des Entgeltsystems in ausreichend exaktem und operationalisierbarem Maß die im Einzelfall notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen vorgeben. Darüber hinaus ist ein wesentlicher Teil der gemeindepsychiatrisch zu versorgenden Patientinnen und Patienten auf eine längerfristige beziehungsorientierte komplexe Behandlung im Krankenhaus und vom Krankenhaus aus im konkreten Lebensumfeld angewiesen. Die (teil-)stationäre Behandlung ist nur ein Baustein, der in ein nachhaltig und langfristig ausgerichtetes Gesamtbehandlungskonzept eingefügt werden muss. Allein die (pseudo-)exakte Erfassung klinischer Therapieleistungen sagt noch nicht viel über das letztlich erreichte Behandlungsergebnis aus, bekommt aber in der gegenwärtigen Entwicklungsphase einen unverhältnismäßigen Stellenwert.
Wir erkennen bisher nicht, wie die schon gegenwärtig deutlich unterfinanzierten psychiatrischen Liaison- und Konsiliardienste in den somatischen Fachabteilungen berücksichtigt werden sollen. Keine sichtbaren Anreize werden bisher für Patienten gesetzt, die regionale psychiatrische Versorgung zu bevorzugen, eine möglichst weitgehende Beziehungskontinuität herzustellen oder für die Patienten die vernetzte Nutzung präventiver und komplementärer Angebote zu fördern. Weiterhin wird bisher nicht berücksichtigt die Forderung nach Anreizen für die Versorgungsverpflichtung sowie zur Versorgung gerichtlich eingewiesener Patienten. Keine bisher erkennbaren Überlegungen wurden in Bezug auf die Erfassung und Kalkulation des regional unterschiedlichen Morbiditätsrisikos und die daraus resultierenden Anforderungen an die Basisausstattung angestellt.
Wissend darum, dass es erklärtes methodisches Vorgehen ist, im Rahmen der Entgeltfindung nicht das vollständige Leistungsspektrum psychiatrischer Kliniken zu erfassen, sondern nur definierbare therapeutische Einzelleistungen abzubilden und die übrigen Leistungen in einem hypothetischen Leistungs-"Sockel" zusammenzufassen, sehen wir gerade darin die Gefahr einer gravierenden Fehlsteuerung.
Wenn die gegenwärtig (April 2010) gültigen OPS-Komplexcodes ab 2013 eine wesentliche Grundlage der Personalbemessung wären, würden beispielsweise die im Rahmen des fachlichen Ermessens beeinflussbaren Kriterien für eine besser vergütete Intensivbehandlung entscheidend für eine Verbesserung der Personalausstattung. Ausdruck eines falschen Leistungsanreizes wären z.B. die Erhöhung und Verlängerung der gesetzlichen Unterbringungen auf geschlossenen Stationen, die Therapie von Patienten in möglichst 9 Teilnehmer umfassenden Therapiegruppen, die fachlich unsinnige Fokussierung auf ein Vielfaches von 25-minütigen Interventionen, der möglichst weitgehende Einsatz von Einzeltherapeuten, auch wenn eigentlich im Einzelfall eine Therapieintervention in Anwesenheit mehrerer Therapeuten geboten wäre oder die verstärkte Übernahme medizinisch unkomplizierter Patienten aus der Somatik, die das Kriterium der Desorientiertheit erfüllen. Dagegen würden diejenigen Maßnahmen, die die zentrale Basis der therapeutischen Arbeit bilden, weder adäquat abgebildet noch für die Leistungsbemessung berücksichtigt. Dazu gehören insbesondere die Arbeit am Sta.tionsmillieu und insgesamt alle Maßnahmen, die dazu dienen sollen, dass etwas Unerwünschtes nicht passiert oder angewandt werden muss. Als Beispiel dafür sind Deeskalationsstrategien mit dem Ziel der Verhinderung von Gewalthandlungen oder Fixierungen zu nennen. Ebenfalls nicht berücksichtigt wird, dass die Schwere eines Falles und die Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen sehr ausgeprägt von den Interaktionen des Teams mit dem Patienten und von deeskalierenden Interventionen abhängt.
Es ist offensichtlich, dass ein solches Anreizsystem in weiten Teilen weder die objektiven Bedürfnisse des Patienten aufgreift, indem es fachlich sinnvolle Therapien auch zeit- und leistungsgerecht vergütet, sondern vor allem den Erhalt und die Vermehrung des stationären und teilstationären Personalbedarfs zur zentralen Steuergröße macht. Zwar werden – in Abhängigkeit vom Ergebnis der Erhebung des IneK – erhöhte Sockelleistungsvergütungen für die Psychiatrie in Aussicht gestellt, damit die unabdingbar notwendige Stellenausstattung für die regionale Vollversorgung sichergestellt werden kann (Klimke et al. 2010). ACKPA hat aber – angesichts der erheblichen Schwierigkeiten, trotz gesetzlicher Grundlage eine wenigstens flächendeckende 90%ige Stellenausstattung nach der PsychPV ab dem 1.1.2009 durchzusetzen – erhebliche Zweifel, dass letztendlich hierdurch eine angemessene Vergütung erreicht wird, die nicht zu einer Vernachlässigung chronisch psychisch Kranker und schwer gestörter Menschen führen muss. Denn derartige "Sockelleistungen" sind nur schwer quantifizierbar bzw. mit den Kostenträgern verhandelbar. Absehbar ist die Gefahr, dass eine Umverteilung stattfinden wird zulasten des Sockels hin zu Einzelleistungen, die in der OPS-Logik gut darstellbar sind.
ACKPA ersucht die Entscheidungsträger im Bundesministerium für Gesundheit, in der Selbstverwaltung aber auch die Fachgesellschaften und Verbände eindringlich, die regionale Pflichtversorgung angemessen aufzuwerten und dies im neuen Entgeltsystem erkennbar umzusetzen.
#Berücksichtigung übergreifender Versorgungskonzepte und Aufhebung der sektoralen Zersplitterung des psychiatrischen Entgeltsystems
In dem 13-Verbände-Konsenspapier von 2007 wird die Notwendigkeit der Entwicklung eines sektorenübergreifenden Finanzierungs- und Entgeltsystem mehrfach begründet. Stationärer und teilstationärer Sektor einerseits und ambulante langfristige Versorgung sowie Liaison- und Konsiliardienst stehen in einer engen Abhängigkeit zueinander. Sie sind für den Verlauf einer psychischen Erkrankung in hohem Maße relevant und daher für die Lebensqualität und den Ressourcenverbrauch bedeutsam und müssen daher gerade im Fachgebiet der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Zusammenhang betrachtet werden.
Besonders hervorzuheben sind die Auswirkungen eines neuen Entgeltsystems für die Befähigung des psychisch Kranken zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Es geht daher über Diagnostik, Therapie und Verweildauer im stationären und teilstationären Bereich hinaus, es geht um die die Wiederaufnahmeraten, den Ressourceneinsatz in den verschiedenen Behandlungsphasen. Deswegen muss die Behandlung im Lebensfeld des Betroffenen erleichtert und die Nutzung vernetzter, präventiver und komplementärer Angebote gefördert werden. Diese, fachlich unbestrittenen Ziele sind nur erreichbar, wenn sich die Entwicklung des neuen Entgeltsystems in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in einem ersten Schritt in den nächsten Jahren nicht auf die minutiöse Leistungserfassung und -kalkulation im (teil-)stationären Sektor beschränkt. Vielmehr muss unmittelbar der auch im Gesetz formulierte Prüfauftrag zur Entwicklung alternativer Versorgungsformen im Sinne regionaler Psychiatrie-Budgets, anderer innovativer Versorgungsformen bzw. integrierter Versorgungsmodelle durch Vergabe entsprechender Forschungsaufträge und konkrete Erhebungen zunutzen und breiterer Anwendbarkeit der vorhandenen Versorgungsmodelle umgesetzt werden.
#Beseitigung von substanziellen Mängeln des gegenwärtigen Entgeltsystems: Quersubventionierung und Deckungsbeiträge
Nicht zuletzt die Erhebung Aktion Psychisch Kranke (APK) zur Umsetzung der PsychPV hat gezeigt, dass in einem substanziellen Teil die Personalvorgaben bereits im Jahr 2005 zu weniger als 90% umgesetzt waren (Kunze et al. 2007). Die Deckelung der jährlichen Erhöhungsraten .einerseits und die demgegenüber überproportionale Erhöhung der Löhne ist jedoch nicht der einzige Grund für diese Fehlentwicklung.
Ein weiterer Grund liegt in der Tatsache, dass in einem Teil der psychiatrisch-psychotherapeutischen Kliniken die im Rahmen des sog. Abteilungspflegesatzes vereinbarten Personalkosten für das therapeutische Fachpersonal für andere Zwecke eingesetzt werden. Hierzu zählt die Finanzierung von Personal, das außerhalb des Geltungsbereiches der Psychiatrie-Personalverordnung tätig ist oder die Kompensation von anderweitigen Budgetdefiziten. Die bisherige Regelung im §6 (1) Nr. 4 der BPflVO, die vorschreibt, dass über die Psychiatrie-Personalverordnung finanziertes Personal nicht anderweitig eingesetzt werden darf, reicht nicht aus, um die in erheblichem Umfang und seit vielen Jahren stattfindende Quersubventionierung, die vielerorts auch als Deckungsbeitrag bezeichnet wird, wirksam zu unterbinden.
Im 13-Verbände-Konsenspapier von 2007 wird deshalb gefordert, administrative und gesetzliche Vorgaben zur Überprüfung der sachgerechten Mittelverwendung einzuführen. ACKPA fordert die Entscheidungsträger auf, hier unverzüglich tätig zu werden, und dieses Spannungsfeld nicht weiterhin allein der Selbstverwaltung und den Verhandlungspartnern vor Ort zu überlassen.
#Verbesserung des laufenden §17d-Entwicklungsprozesses
#Strukturelle Verbesserungen des Entwicklungsprozesses
Der seit mehr als einem Jahr laufende Prozess zur Entwicklung eines neuen Entgeltsystems wird nach Auffassung von ACKPA nicht den Ansprüchen gerecht, die zur Sicherstellung eines fachlich akzeptablen Ergebnisses an diese komplexe Aufgabe gestellt werden müssen.
Bisher und gegenwärtig kommt die Diskussion zur Entwicklung des neuen Entgeltsystems in den Fachgesellschaften und Verbänden deutlich zu kurz. Die Möglichkeiten für interessierte Experten, sich ohne allzu großen Zeitdruck aktiv an dem Entwicklungsprozess zu beteiligen, sind zu gering. Es kann nicht angehen, dass Anhörungen und Beteiligungen der Experten nicht verbindlich und transparent geregelt sind und die alleinige fachliche Entscheidungskompetenz insbesondere über "ICD und OPS" allein DIMDI und BMG zukomme (Haas und Leber 2010).
ACKPA ist deshalb der Auffassung, dass die psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgesellschaften und Verbände in wesentlich breiterem Maße und mit mehr Zeit als bisher an dem Entwicklungsprozess beteiligt und gehört werden müssen: Ein gutes Ergebnis ist viel entscheidender als das Einhalten eines zu knappen Zeitplans.
ACKPA spricht sich deshalb mit Nachdruck dafür aus, eine mit Fachleuten besetzte Entgeltkommission zu berufen, der von den wesentlichen Fachverbänden offiziell benannte Experten angehören, die in den 17d-Prozess nach KHG verbindlich einbezogen werden. Aufgabe dieser Expertenkommission sollte es sein, den gesamten Entwicklungsprozess konstruktiv-kritisch zu begleiten, die Auswirkungen auf die Versorgungsqualität zu analysieren und zu bewerten, andererseits mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und eigene Vorschläge zum zeitlichen und inhaltlichen Vorgehen zu machen.
#Verbesserung der OPS-Komplexcodes 2010
Nach dem Verständnis von ACKPA soll das zukünftige Entgeltsystem im Sinne des §17d KHG zunächst einmal auf einer Einstufung des Behandlungsbereichs und des Schweregrads im Sinne einer weiterzuentwickelnden PsychPV-Eingruppierung beruhen, die dann zur Berechnung einer landesweit gültigen, pauschalierten personellen Grundausstattung ("Sockelbe.trag") dienen soll. Den OPS-Komplex.codes kommt dabei eine wichtige ergänzende Bedeutung zu, weil hierdurch ausgewählte spezifische Mehraufwände abgebildet werden sollen, die durch die schweregrad- und behandlungsbereich-abhängige Grundausstattung nicht geleistet werden können.
OPS-Komplexcodes sollen deshalb nach ACKPA-Auffassung 1. einen gut definierbaren, über die durch Behandlungsbereich und Erkrankungsschwere nach PsychPV deutlich hinausgehenden therapeutischen Mehraufwand abbilden, 2. für die spätere Vergütung einer bestimmten OPS-Komplexleistung keine für eine wirtschaftliche und sachgerechte Behandlung kontraproduktive Leistungsanreize setzen und 3. muss die dafür notwendige Leistungserfassung auch ohne komplexe und kostenaufwendige IT-Lösungen im klinischen Alltag praktikabel durchführbar sein.
Die im November 2009 vom DIMDI veröffentlichten und seit dem 1.1.2010 gegen die Empfehlung der Selbstverwaltungspartner vom BMG bestätigten Komplexcodes 960 bis 964 erfüllen aus ACKPA-Sicht die vorstehend genannten Anforderungen noch nicht. Insbesondere eine initiale Leistungserfassung über die Anzahl der durch Ärzte, Psychologen, Spezialtherapeuten und Pflegefachkräfte durchgeführten 25-minütigen Therapieeinheiten verstärkt die Illusion, als sei der besondere Aufwand in Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik durch ein derartiges Instrument identifizierbar. Das Leistungsgeschehen mag sich darüber in Kliniken differenzieren lassen, in denen sich motivierte, steuerungs- und absprachefähige Patienten einer stationären Krankenhausbehandlung unterziehen. In der akuten gemeindepsychiatrischen Krankenhausbehandlung werden sich über die Therapieeinheiten keine Transparenz und keine Vergütungsgerechtigkeit herstellen lassen. Im Gegenteil: Der absehbar immense Dokumentationsaufwand wird keine brauchbaren Ergebnisse liefern. Die für die Kumulierung der Minutenwerte vorgegebenen 25-minütigen Therapieeinheiten sind willkürlich festgelegt und voraussehbar für die Erfassung häufiger und oftmals erkrankungsbedingt kürzerer Patientenkontakte in der Akutpsychiatrie nicht ausreichend aussagekräftig. Zudem finden bei Akutpatienten eine Vielzahl von zeitaufwendigen Leistungen (z.B. gerichtliche Anhörungen, klärende Angehörigengespräche, Hausbesuche und Regelung dringlicher sozialer Angelegenheiten durch den Sozialarbeiter, runde Tischgespräche mit gesetzlichem Betreuer, Unterbringungsbehörden oder psychosozialen Versorgungseinrichtungen einschließlich Hilfeplankonferenzen mit den außerstationären Kostenträgern, einzelfallbezogene psychotherapeutische Teamsupervisionen) nicht immer im Beisein der schwer kranken Betroffenen statt, sodass von vornherein wesentliche, für eine gemeindepsychiatrische Versorgung wichtige Therapieelemente unberücksichtigt bleiben.
Für die Anrechnung einer Gruppentherapie mit Therapieeinheit gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Aufwendige Einzelbetreuungen im Sinne des Komplexcode 9640 sind nicht anrechenbar, wenn mehr als ein Patient, z.B. im Überwachungszimmer, betreut wird. Für die Beschränkung der Leistungserbringung nach OPS 963 bzw. 9642 auf den Facharzt für Psychosomatische Medizin gibt es keine fachliche Begründung, zumal eine Vielzahl solcher Patienten in somatischen Kliniken von der psychiatrischen Fachabteilung mitbetreut wird und darüber hinaus viele psychosomatische Fachabteilungen von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie geleitet werden. Der administrative Aufwand zur Erhebung der geforderten Einzelleistungen und die daraus resultierenden Kosten stehen nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu dem zu erwartenden Nutzen.
#Fazit
ACKPA unterstützt die Entwicklung eines neuen Entgeltsystems für die Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik nachdrücklich. Wir haben aber die Sorge, dass die Entwicklung eines neuen Entgeltsystems allein auf der Grundlage einer sorgfältigen Aufwandskalkulation mit den bisherigen OPS-Komplexcodes den fachlichen Anforderungen an eine angemessene Krankenhausbehandlung in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik nicht gerecht wird. Durch die bisher getroffenen Entscheidungen werden nach Auffassung von ACKPA falsche Leistungsanreize gesetzt, die dringend notwendige Überwindung der sektoralen Zersplitterung kann auch unter der Annahme eines "selbstlernenden Systems" unter diesen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werden, und die Akzeptanz des neuen Entgeltsystems wird durch unsinnig anmutende flächendeckende Einzelleistungserfassung zusätzlich belastet.
ACKPA schlägt folgende Maßnahmen vor, um den §17d-Entwicklungsprozess zu verbessern und über die Optimierung der Leistungskalkulation hinaus ein innovatives und gesundheitspolitisch wegweisendes neues Entgeltsystem zu schaffen:
-
Nachdrückliche Orientierung des gesamten Entwicklungsprozesses an den Rahmenbedingungen, die von 13 Fachverbänden 2007 gemeinsam formuliert und konsentiert wurden.
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Einsetzung einer Entgeltkommission, der von den Fachgesellschaften und Verbänden nominierte Experten, Psychiatrieerfahrene und Angehörige angehören, die in den 17d-Entwicklungsprozess verbindlich einbezogen werden.
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Umgehende und wirksame Sicherstellung, dass die nach der PsychPV vereinbarten Personalmittel im Sinne des §6 (1) Nr. 4 BPflVO allein im Geltungsbereich der Psychiatrie-Personalverordnung eingesetzt werden und eine Zweckentfremdung (Quersubventionierung/Deckungsbeitrag) zuverlässig unterbunden wird.
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Aussetzung der flächendeckenden Erhebung der OPS-Komplexcodes und der damit verbundenen hochaufwendigen Einzelleistungserfassung, bis aussagekräftige Ergebnisse der Probekalkulation 2011 vorliegen.
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Beauftragung eines unabhängigen, auf dem Gebiet der regionalen und gemeindepsychiatrischen Versorgungsforschung ausgewiesenen Instituts mit der Prüfung vorhandener Ansätze zu regionalen Psychiatriebudgets bzw. integrierten Versorgungsansätzen und mit der Erarbeitung eines darauf aufsetzenden Entgeltsystems.
Autoren
Mitglieder der Arbeitsgruppe Entgelt des Arbeitskreises der Chefärztinnen und Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ACKPA)
Beine, K. Hamm; Böcker, FM. Naumburg; Bührig, M. Bremen; Deister, A. Itzehoe; Höffler, J. Bochum; Kieser, C. Potsdam; Klimke, A. Offenbach; Krauß, H. Dortmund; Küthmann, A. Memmingen; Munk, I. Berlin; Putzke, M. Friedberg; Schillen, Th. Hanau; Rommel, C. Treuenbrietzen; Schneider, U. Lübbecke; Serfling, R. Weimar.
#Literatur
-
01 Konzept für ein zukünftiges Entgeltsystem der Krankenhausbehandlung in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für alle Altersgruppen. In: Aktion Psychisch Kranke, Hrsg. Evaluation der Psychiatrie-Personalverordnung. Bonn: Psychiatrie Verlag, 83–89.
-
02 Online verfügbar:. http://www.ackpa.de/Hauptpraesenz/Dateien/Zukuenftiges_Entgeltsystem_2007_01_31.pdf
- 03 Haas A , Leber W D. Die Einigung auf Grundstrukturen aus der Sicht der Krankenkassen. Führen und wirtschaften im Krankenhaus (fw). 1/2010; 27. Jhrg. 43-49
- 04 Klimke A , Engfer R , Bauer M . Ein neues Entgeltsystem für die Psychiatrie: Chance auf leistungsgerechte Vergütung oder Einstieg in den Ausstieg aus der regionalen Vollversorgung?. Psychiat Prax. 2010; 37 (2) 92
- 05 Kunze H , Schmidt-Michel P . Zur Erosion der Psych-PV und zukünftigen Finanzierung der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie. Der Nervenarzt. 2007; 12 1460-1464
- 06 Beine K , Deister A , Heissler M , et al . Perspektiven der Krankenhauspsychiatrie – Posi.tionspapier 2008. Psychiat Prax. 2008; 35 205-209
01 *Aktion Psychisch Kranke e. V. Bonn; Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland, Hamm; Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Viersen; Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden MitarbeiterInnen des Pflege- und Erziehungsdienstes kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken und Abteilungen, Bremen; Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger Psychiatrischer Krankenhäuser, Kassel; Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie, Bonn; Deutsche Gesellschaft für Kinderund Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Berlin; Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Berlin; Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, Köln; Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Bonn; Konferenz der Ärztlichen Leiterinnen und Leiter deutscher Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie "Bundesdirektorenkonferenz", Berlin; Ständige Konferenz der Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an deutschen Universitäten, Kiel; Fachvertreterkonferenz für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Heidelberg.
Literatur
-
01 Konzept für ein zukünftiges Entgeltsystem der Krankenhausbehandlung in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für alle Altersgruppen. In: Aktion Psychisch Kranke, Hrsg. Evaluation der Psychiatrie-Personalverordnung. Bonn: Psychiatrie Verlag, 83–89.
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02 Online verfügbar:. http://www.ackpa.de/Hauptpraesenz/Dateien/Zukuenftiges_Entgeltsystem_2007_01_31.pdf
- 03 Haas A , Leber W D. Die Einigung auf Grundstrukturen aus der Sicht der Krankenkassen. Führen und wirtschaften im Krankenhaus (fw). 1/2010; 27. Jhrg. 43-49
- 04 Klimke A , Engfer R , Bauer M . Ein neues Entgeltsystem für die Psychiatrie: Chance auf leistungsgerechte Vergütung oder Einstieg in den Ausstieg aus der regionalen Vollversorgung?. Psychiat Prax. 2010; 37 (2) 92
- 05 Kunze H , Schmidt-Michel P . Zur Erosion der Psych-PV und zukünftigen Finanzierung der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie. Der Nervenarzt. 2007; 12 1460-1464
- 06 Beine K , Deister A , Heissler M , et al . Perspektiven der Krankenhauspsychiatrie – Posi.tionspapier 2008. Psychiat Prax. 2008; 35 205-209
01 *Aktion Psychisch Kranke e. V. Bonn; Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland, Hamm; Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Viersen; Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden MitarbeiterInnen des Pflege- und Erziehungsdienstes kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken und Abteilungen, Bremen; Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger Psychiatrischer Krankenhäuser, Kassel; Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie, Bonn; Deutsche Gesellschaft für Kinderund Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Berlin; Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Berlin; Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, Köln; Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Bonn; Konferenz der Ärztlichen Leiterinnen und Leiter deutscher Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie "Bundesdirektorenkonferenz", Berlin; Ständige Konferenz der Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an deutschen Universitäten, Kiel; Fachvertreterkonferenz für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Heidelberg.