B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2010; 26(5): 238-239
DOI: 10.1055/s-0030-1262568
WISSENSCHAFT

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Phänomen Präsentismus – Analyse, Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten in Unternehmen

F. Fiedler1
  • 1Geschäftsführender Gesellschafter der Motio Verbund GmbH
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Publication Date:
26 October 2010 (online)

„Präsentismus [Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit] beschreibt die Produktivitätsverluste, verursacht durch Mitarbeiter, die in ihrer Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz eingeschränkt sind.“ 

Das Phänomen Präsentismus hat immer stärkeren Einfluss in Unternehmen und wird dabei weitestgehend unterschätzt. Viele Führungskräfte sind froh, wenn Mitarbeiter trotz Krankheit anwesend sind, da die Arbeitsverdichtung und Arbeitsgeschwindigkeit sich, bei immer stärker reduzierenden Mitarbeiterzahlern, verstärken. „Zumindest schafft er dann ein paar Akten, als wenn er ganz abwesend wäre!“ Die Sicht ist verständlich, zeigt aber auch die Unwissenheit zu dem Thema in Unternehmen. 

Es gibt zwei grundlegende Motive des Präsentismus, die sich in Unternehmen aufzeigen lassen: 

Mitarbeiter, die krank zur Arbeit gehen, weil sie Angst vor Arbeitsplatzverlust oder dem schlechten Team- / Unternehmensklima haben. Mitarbeiter, die hoch motiviert sind, weil sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren oder weil sie glauben, die Arbeit würde ohne sie nicht funktioniert bzw. die ihr Team nicht im Stich lassen wollen.

Führungskräfte wissen oft nicht, wie sie mit diesen beobachteten oder vermuteten Verhaltensweisen von Mitarbeitern umgehen sollen. Dabei ist es eine immanente Führungsaufgabe, ein solches Verhalten anzusprechen, zu klären und bei Bedarf entsprechend einzugreifen.

Daher muss beim Thema Präsentismus das Augenmerk besonders auf die Aufgabe und Rolle der Führungskraft gelenkt werden. Sie haben – neben der Eigenverantwortung des Mitarbeiters – den höchsten Einfluss auf Präsentismus. Natürlich gehören Führungskräfte selbst zur stark betroffenen Gruppe, die zu Präsentismus neigen. 

Studien aus Amerika zeigen auf, dass Präsentismus gegenüber der „normalen kurzfristigen und langfristigen Erkrankung“ bis zu den 10-fachen Kosten für ein Unternehmen erzeugen können. Präsentismus kostet die deutsche Wirtschaft jährlich ca. 120 Milliarden Euro. 

Hinzu kommt noch die demografische Veränderung der Arbeitsumwelt. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter steigt kontinuierlich. Je älter die Menschen werden, umso häufiger und länger erkranken sie an chronischen Krankheiten, zu denen teilweise auch einige der psychischen Erkrankungen gehören. Präsentismus kann bei andauernder Belastung in letzter Konsequenz zum endgültigen Zusammenbruch, zum Burn-out führen. Studien belegen, dass die beruflichen Ursachen der psychischen Erkrankungen deutlich zugenommen haben. 

Die psychischen Erkrankungen spielen bei dem Phänomen Präsentismus eine wichtige Rolle. Die sog. F-Diagnosen sind in den letzten 10 Jahren um mehr als 80 % gestiegen. Gerade die psychischen Erkrankungen haben eine lange Präsentismus-Phase, bis sie erkannt und behandelt werden können. Viele Faktoren der Veränderung unserer Arbeitswelt haben Einfluss auf die Entwicklung von erhöhten Stressbelastungen und damit auf die Entstehung von einigen psychischen Erkrankungen. 

Führungskräfte können meist nur erahnen, ob ein Mitarbeiter eine psychische Erkrankung entwickelt oder schon hat. Erste Hinweise geben die Unternehmensberichte der Krankenkassen, die diese Diagnosen für Unternehmen erfassen und auswerten können. 

Wie können Unternehmen sich des Themas frühzeitig annehmen? 

Sie können zum einen durch ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement vorbeugen. Sie sollten ihre Führungskräfte zu diesem Thema aufklären und trainieren. Sie müssen analysieren, wie ihr Status in Bezug auf das Thema „Präsentismus“ ist.

Literatur

  • 1 Lofland J H, Pizzi L, Frick K D. A review of health-related workplace productivity loss instruments.  Pharmacoeconomics. 2004;  22(3) 165-184

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