Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2010; 7(2): 68-69
DOI: 10.1055/s-0030-1264998
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Interdisziplinäre Tumorkonferenz - Fälle aus dem Tumorboard – 66-jährige Patientin mit invasiv duktalem Mammakarzinom

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Publication Date:
13 August 2010 (online)

 

Unter dieser Rubrik werden Patientinnen vorgestellt, die in einem interdisziplinären Tumorboard tatsächlich diskutiert worden sind. Wir laden Sie ein, mit uns unsere Fälle zu begutachten! Wir erlauben uns, explizit darauf hinzuweisen, dass durch die Individualität einer jeden Erkrankung, unterschiedliche onkologische Erfahrungen der Therapeuten und subjektive Gewichtungen von Forschungsergebnissen auch andere Empfehlungen als die unseren zustande kommen und richtig sein können. Ein Tumorboard lebt von divergierenden Meinungen! Unsere Empfehlungen finden Sie auf der nächsten Seite. F. Schütz, H. P. Sinn, H. Hof, H. Junkermann, A. Schneeweiss, C. Sohn, Brustzentrum des Universitätsklinikum Heidelberg und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)

66-jährige Patientin, geboren in Südost-Asien

WHO-Status: 0, altersentsprechender AZ

Nebendiagnostisch: gut eingestellter Hypertonus

Familienanamnese: blande

Mammographie-Screeningprogramm: V. a. 2 cm großes Mammakarzinom links. Rechts radiologisch unauffällige Mamma.

Stanzbiopsie beim PVA: invasiv duktales Mammakarzinom, G2

Vorstellung präoperative Sprechstunde:

Inspektorisch beidseits unauffällig. links: Gut palpabler, verschieblicher, 2 cm großer Tumor im oiQ der kleinen linken Brust (Cup A) ohne Fixierung an Haut oder Brustmuskel. Keine palpablen Lymphknoten axillär und clavikulär. Rechts inspektorisch und palpatorisch keine Auffälligkeiten. im Ultraschall Mamma (14,5 MHz-Sonde) unsuspekte rechte Brust. Links stellte sich ein 21 mm großer malignomtypischer Tumor im oiQ bei 11 Uhr dar (Entfernung zur Mamille 6 cm).

Empfehlung präoperatives Tumorboard: Nachbestimmung der Hormonrezeptoren und des HER-2/Status, ggf. Empfehlung zur primären systemischen Therapie. Alternativ Segmentresektion nach Tastbefund.

Patientin lehnte primäre Chemotherapie ab.

Operation: Segmentresektion links nach Tastbefund über radiäre Schnittführung, Mastopexie mit internem Schwenklappen und Sentinel-Lymphknotenbiopsie.

Histologie: 45 g schweres Resektat. Tumorstadum pT2 (23 mm) pN0 (0/1sn) G2 L0 V0 R0 (minimaler Sicherheitsabstand 5 mm), ER 12 IRS, PgR 9 IRS, HER-2/neu 2+ (DAKO-Score) => FISH negativ, Ki67 15 %, p53 5 % =>> einem Luminal-B Phänotyp entsprechend

Staging: Lunge, Leber, Knochen klinisch und in bildgebenden Verfahren ohne Anzeichen von Metastasen.

Empfehlung postoperatives Tumorboard:

Wie würden Sie entscheiden?

Bestrahlung Chemotherapie Endokrine Therapie Bisphosphonate Weitere Nachsorge

Empfehlung postoperatives Tumorboard: Das Tumorboard geht bei dieser Patientin von einer mittleren Risikosituation aus. Die prädiktiven Faktoren zeigen eine endokrine Therapie an. Die Prognosefaktoren sind widersprüchlich: Nodalnegativität, L0, V0 vs. G2, erhöhtes Ki67.

Radiatio der Restbrust mit Boost auf das Tumorbett bei T2 (gemäß den Empfehlungen der AGO-Organkommission Mamma Stand 2/09). 4 Zyklen Docetaxel 75 mg/m2/Cyclophosphamid 600 mg/m2 können bei den vorhandenen Risikofaktoren pT2, G2, erhöhtes Ki67 und hohe HER-2/neu Expression (Dako-Score 2 aber FISH negativ) als zytostatische Therapie empfohlen werden, falls bei der Patientin ein maximaler Therapiewunsch vorliegt (nach US Oncology-Studie 9735, Jones et al. J Clin Oncol, 2009; Gesamtüberleben: 4 x DocC > 4 x AC). Adjuvant! Version 8.0 (http://www.adjuvant-online.com) errechnet gegenüber der reinen endokrinen Therapie (Benefit 4,5/100 Patientinnen in der 10-Jahres-Überlebensrate (JÜR)) einen um 3,6 % höheren Benefit nach Vorbehandlung mit einer anthrazyklinhaltigen Chemotherapie (Benefit Chemo- & endokrine Therapie 7,1/100 Patientinnen in der 10-JÜR). Kritisch muss hier jedoch gesehen werden, dass Adjuvant! nicht die Höhe der Hormonrezeptorexpression und das erhöhte Ki-67 berücksichtigt. Eine Adjustierung bezüglich des Risikos kann zwar durchgeführt werden, wäre aber rein subjektiver Natur. Des Weiteren ist die Kombinationschemotherapie 4 x Doc/Cyclo nicht in der Auswahl der Therapeutika vertreten, da sie momentan noch nicht als Standardtherapie zu werten ist. 4 x Doc/Cyclo erscheint uns aber eine vertretbare Empfehlung bei niedrigem bzw. mittlerem Risiko zu sein. Aromataseinibitor über 5 Jahre. Nach Chemotherapie (prospektiv stratifiziert) und erhöhtem Ki67 war in der BIG1-98 Studie ein besonders hoher Benefit für diese Patientinnen festgestellt worden (BIG-Collaborative Group. New Engl J Med 2005). Zoledronat 4 mg alle 6 Monate über 3 Jahre oder Clodronat 1600 mg/d über 2 Jahre im Off-label Use (gemäß den Empfehlungen der AGO-Organkommission Mamma Stand 2/09). Messung der Knochendichte jährlich mittels radiologischem Verfahren, Nachsorge gemäß der S3-Leitlinie der DGGG.

PD Dr. med. Florian Schütz

Universitätsfrauenklinik Heidelberg

Gynäkologische Abteilung Krankenhaus Salem der Stadtmission Heidelberg

Zeppelinstr. 11-33

69121 Heidelberg

Email: florian_schuetz@med.uni-heidelberg.de

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