Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0030-1265185
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Chronischer Schwindel bei einem Schmerzpatienten – pharmakogenomische Identifizierung von Tramadol als Ursache
Chronic Dizziness in a Pain Patient – Pharmacogenomic Identification of Tramadol as CausePublication History
Publication Date:
07 December 2010 (online)
Zusammenfassung
In dieser Kasuistik wird über einen 59-jährigen Schmerzpatienten berichtet, der unter eher niedrig dosierter analgetischer Therapie mit Tramadol über mehr als 9 Monate an chronischem Schwindel mit konsekutiver Immobilisation litt. Bei Aufnahme in die stationäre Rehabilitation wurde Tramadol im Austausch gegen Morphinsulfat abgesetzt mit dem unerwarteten Ergebnis eines prompten und dauerhaften Sistierens der Schwindelsymptomatik. Eine molekulargenetische Untersuchung ergab, dass beim Patienten eine Duplikation im CYP2D6-Gen vorlag. Diese genetische Situation bedingte einen schnellen Metabolisierungsstatus für CYP2D6-abhängige Substanzen, zu denen Tramadol als Prodrug zählt. Durch die schnelle Metabolisierung kam es zu einem vermehrten Anfall aktiver Tramadol-Metabolite, die den chronischen Schwindel verursachten. Unter Morphinsulfat, das CYP2D6-unabhängig verstoffwechselt wird, ließ sich eine suffiziente analgetische Wirkung erzielen. Zu Schwindel kam es beim Patienten nicht mehr. Der Patient konnte im Verlauf der Rehabilitation wieder mobilisiert werden. Pharmakogenomische Kenntnisse trugen dazu bei, bei diesem schwer kranken Patienten ein tragfähiges Rehabilitationskonzept zu entwickeln und erfolgreich in die Praxis umzusetzen.
Abstract
This casuistic reports on a 59-year-old pain patient taking normal dosage Tramadol as analgetic drug, who suffered from chronic dizziness leading to immobilisation for more than 9 months. On admission to inpatient rehabilitation Tramadol was removed in exchange for morphine sulphate with the unexpected result of a prompt and lasting stop of dizziness. A molecular-genetic investigation showed a duplication in the CYP2D6 gene. This genetic situation caused a quick metabolizing-status for substances dependent on CYP2D6 like Tramadol, which is a prodrug. The quick metabolizing-status resulted in an increased rate of active Tramadol-metabolites which caused the chronic dizziness. Under morphine sulphate which is metabolized independently of CYP2D6, a sufficient analgetic outcome could be achieved. Dizziness did not appear in the patient any longer, and he could be mobilised during rehabilitation. Pharmacogenomic knowledge has helped develop a sustainable concept for rehabilitation of this seriously ill patient, and to put it into practise successfully.
Schlüsselwörter
Schwindel - Schmerztherapie - Tramadol - Pharmakogenomik
Key words
dizziness - pain therapy - tramadol - pharmacogenomics
Literatur
- 1 Schäfer M, Fellermeier M. Arzneimittelinteraktionen im Praxisalltag. Risiken erkennen – Sicherheit verbessern. Der Hausarzt. 2006; 8 1-10
- 2 Gerloff T, Roots I. Bedeutung der Pharmakogenetik für die tägliche Praxis. Internist. 2005; 46 1270-1277
- 3 Rosskopf D, Meyer zu Schwabedissen HE, Kroemer HK, Siegmund W. Pharmakogenomik in der Praxis. Dtsch Med Wochenschr. 2010; 135 133-144
- 4 Rosskopf D, Kroemer HK, Siegmund W. Pharmakokinetische Probleme in der Praxis. Rolle von Arzneimitteltransportern. Dtsch Med Wochenschr. 2009; 134 345-356
- 5 Ostgathe C, Radbruch L, Nauck F, Elsner F. Tumorschmerztherapie. Z Palliativmed. 2007; 8 13-30
1 Siehe Rote Liste Service unter:http://www.fachinfo.de – Tramadol.
2 Siehe Rote Liste Service unter: http://www.fachinfo.de – Morphinsulfat.
3 Insbesondere bei Tamoxifen besteht auch eine umgekehrte Problematik in der Form, dass bei niedrigem Metabolisierungsstatus aufgrund eines zu geringen Anfalls aktiver Metabolite die für die adjuvante Therapie des Mammakarzinoms gewünschte antihormonelle Wirkung nicht eintritt [3].
Korrespondenzadresse
Dr. Andreas Eichhorn
Klinik Nordfriesland
Fachklinik für
onkologische Rehabilitation
und Anschlussheilbehandlung
Wohldweg 9
25826 St. Peter-Ording
Email: dr.eichhorn@hamm-kliniken.de