Zeitschrift für Palliativmedizin 2011; 12(2): 52
DOI: 10.1055/s-0031-1274598
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Kommunikatives Handeln – Motivational Interviewing in der Palliativmedizin

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Publication Date:
11 March 2011 (online)

Theorie und Praxis des kommunikativen Handelns in der Palliativmedizin orientieren sich in Deutschland bis heute weitgehend an zwei theoretischen Konzepten. Zum einen am personzentrierten Ansatz im Anschluss an Carl R. Rogers. Dabei fällt auf, dass häufig auf dessen erstes Buch aus den 40er Jahren verwiesen wird, das noch von der non-direktiven Beratung handelt (1). Zum anderen an dem ihm – über die „Hamburger Schule“ der klientenzentrierten Beratung und Psychotherapie um Reinhard Tausch – nahestehenden und von Anfang der 80er Jahre stammenden kommunikationspsychologischen Modell des „Miteinander Redens“ von Friedemann Schulz von Thun (2).

Nahezu unbeachtet und auch in neueren Übersichtsarbeiten (3) nicht explizit genannt blieb bislang das Konzept des „Motivational Interviewing“ (MI) bzw. wie es im deutschen Sprachraum genannt wird: „Motivierende Gesprächsführung“ von William R. Miller und Stephen Rollnick (4). Dies erstaunt um so mehr, als Tausch in seiner enthusiastischen Rezension der 2. US-amerikanischen Auflage diesen Ansatz als bedeutsame Evolution der Gesprächspsychotherapie bezeichnet hat (5).

Denn beim MI geht es nicht nur um das Bemühen um eine wertschätzende, einfühlende und kongruente Grundhaltung der Behandelnden, sondern es kommen gerade mit Blick auf die Ziele der stationären und ambulanten Versorgung ganz direktive kommunikative Mittel wie Informationen, Hinweise und Empfehlungen zum Einsatz. Ursprünglich entwickelt für die Arbeit mit Abhängigkranken, wird MI in den USA mittlerweile in der Begleitung schwer kranker und sterbender Menschen angewendet (6).

Im Mittelpunkt von MI steht der therapeutisch angemessene Umgang mit Widerstand. Dieser wird als Gradmesser der Güte der Interaktion von Therapeut und Patient interpretiert. Widerstand gilt demnach nicht, wie etwa in der Psychoanalyse und den tiefenpsychologisch fundierten Ansätzen, als Eigenschaft des Patienten.

Noch wichtiger und zentral für MI ist der Umgang mit Ambivalenzen bzw. ambivalenten Einstellungen. Diese kommen in der Palliativmedizin zum Ausdruck, wenn Patienten beispielsweise zweifelnd fragen: „Ist diese Chemotherapie wirklich sinnvoll für mich?“ oder „Werde ich da nicht noch vom Morphium abhängig?“ Aber auch, wenn sich Ärzte, Pflegefachkräfte und nicht zuletzt Angehörige in einem Zwiespalt befinden, beispielsweise mit Blick auf die Anwendung von PEG-Sonden (7). Insoweit erscheint es im Hinblick auf die kommunikative Praxis in der Palliativmedizin außerordentlich sinnvoll, die Grundlagen mitsamt den spezifischen Kurzinterventionen des MI zu erlernen (8).

Literatur beim Autor

Dipl.-Soz. Siegfried Tasseit,
Universität Koblenz-Landau
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