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DOI: 10.1055/s-0031-1275838
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Blutzucker-Senkung und kardiovaskulärer Vorteil: Was wissen wir heute?
Glycemic control and cardiovascular benefit: What do we know today?Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
03. Mai 2011 (online)

Zum Beitrag aus der DMW 7/2010
Hanefeld und Kollegen stellen in ihrer Übersicht die großen Diabetes-Studien dar [5]. In ihrer Zusammenfassung der ACCORD- [1] und der ADVANCE-Studie [2] schreiben sie: „Insgesamt bestätigen die Ergebnisse, dass Typ-2-Diabetiker von einer normnahen HbA1c-Einstellung profitieren – unabhängig von den gewählten antidiabetischen Therapiemaßnahmen.”
Wie kommen die Autoren zu dieser Schlussfolgerung angesichts des vorzeitigen Abbruchs der ACCORD-Studie wegen einer Übersterblichkeit in der Interventionsgruppe und fehlender Senkung der Gesamtmortalität in ADVANCE und VADT? Hypoglykämien haben sich in ACCORD und VADT als wesentlicher Prädiktor für kardiovaskuläre Komplikationen erwiesen.
Die ADVANCE- und die VADT-Studie [4] interpretieren die Autoren so, dass hier „eine konsequente Optimierung des HbA1c-Wertes bei jüngeren Patienten mit kürzerer Diabetesdauer für das kardiovaskuläre Risiko wichtig” sei und „vor allem das mikrovaskuläre Risiko reduziere”. Tatsächlich standen in beiden Studien dem fraglich relevanten Surrogat-Endpunkt „Verschlechterung einer Albuminurie” klinisch relevante schwere Hypoglykämien gegenüber.
Die Original UKPD-Studien und die Follow-up-Studie können unter heutiger Sichtweise nicht als Studien mit normnaher Einstellung angesehen werden – der mittlere HbA1c der Interventionsgruppen lag in der UKPDS 33 bei 7,0, in der UKPDS 34 bei 7,4.
Die Metaanalyse von Ray et al. wird unzutreffend zitiert: mikrovaskuläre Ereignisse wurden darin aber nicht untersucht.
Die PROactive-Studie kann mit einem durchschnittlichen HbA1c von 7,0 schlecht als Beleg für eine „normnahe Einstellung” herangezogen werden. Diese Pioglitazon-Studie [3] bezeichnen die Autoren als „erste positive Studie für Langzeitdiabetes mit kardiovaskulären Hochrisikopatienten”. Auch diese Aussage erscheint als nicht durch die Ergebnisse der zitierten Studie gedeckt. Der primäre kombinierte Sammel-Endpunkt wurde nicht signifikant beeinflusst. Ein sekundärer Sammelendpunkt wurde knapp erreicht – allerdings ist heftig umstritten, ob die im Nachhinein vorgenommene Anpassung der Endpunkt-Definition nicht in Kenntnis der Ergebnisse erfolgte und damit unzulässig war. Zudem imponiert, wie es das begleitende Editorial im Lancet [9] herausstellt, auch das Überwiegen des signifikant unter Pioglitazon ansteigenden Risikos einer kardialen Dekompensation (+ 115 Fälle) gegenüber dem nicht signifikanten Rückgang kardiovaskulärer Ereignisse (- 58 Fälle).
Die Schlussfolgerung der Autoren: „Bei fortgeschrittenem Typ-2-Diabetes war nur unter Pioglitazon ein signifikanter Effekt auf kardiovaskuläre Endpunkte auch nach knapp 3 Jahren nachvollziehbar” halten wir deswegen für irreführend.
Dass die europäische Zulassungsbehörde EMA das andere Glitazon Rosiglitazon vom Markt ziehen würde, konnten die Autoren bei Drucklegung noch nicht wissen. Die zu dieser Entscheidung führenden Erkenntnisse [6] [7] [8] hätten sie aber kennen müssen.
Literatur
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Yki-Järvinen H.
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The
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2005;
366
1241-1242
MissingFormLabel
Dr. med. Günther Egidi
Arzt für Allgemeinmedizin, Lehrbeauftragter für
Allgemeinmedizin Universität Göttingen
Huchtinger
Heerstr. 41
28259 Bremen
Telefon: 0421
5797675
eMail: familie-egidi@nord-com.net
Dr. med. Uwe Popert
Arzt für Allgemeinmedizin, Lehrbeauftragter
für Allgemeinmedizin Universität Göttingen
Goethestr. 70
34119 Kassel
Telefon: 0561/770990
eMail: uwe.popert@t-online.de