Suchttherapie 2011; 12(2): 52-53
DOI: 10.1055/s-0031-1278678
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Für Sie gefragt – Substitution und Recht – Neues aus der Rechtsprechung

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Publication Date:
16 May 2011 (online)

 

Die Qualitätssicherungskommission verlangt in regelmäßigen Abständen eine Darlegung des Therapiekonzepts und -fortschritts bei zufällig ausgewählten Substitutionspatienten. In der Regel wird danach noch 1–2-mal nach den Resultaten aktueller Urinkontrollen und/oder Bescheinigungen für die psychosoziale Betreuung nachgefragt. Es ist mir aber schon einige Male passiert, dass die Kommission die weitere Substitution nach Stufe 4 beanstandete, was soviel bedeutet wie die letzte Warnung, bevor die GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) die Substitutionsbehandlung nicht mehr bezahlt. In diesen Fällen war meistens die psychosoziale Betreuung durch die Beratungsstelle nicht regelmäßig erfolgt, weil die Patienten entweder schwer krank waren und zeitweise stationär behandelt werden mussten oder an ihrem Arbeitsplatz nicht einfach fehlen durften. Ich habe in diesen Fällen Widerspruch gegen den Bescheid der Kommission eingelegt und dargelegt, dass bei diesen Patienten derzeit andere Dinge im Vordergrund stehen und dass die Einstellung der Substitution das baldige Ableben im einen, den Arbeitsplatzverlust im anderen Fall zur Folge haben könnte. Daraufhin wurde die Entscheidung vertagt. Meine Frage in diesem Zusammenhang: Die Kommission hat die Aufgabe, die ordnungsgemäße Durchführung der Substitutionsbehandlung zu überwachen. Das heißt, in erster Linie zu verhindern, dass Patienten Opiate bekommen, die sie nicht brauchen, um so einem Missbrauch vorzubeugen. Wie sieht es aber umgekehrt aus: Ist die Kommission auch mitverantwortlich dafür, dass opiatabhängige Menschen im ausreichenden Maß mit einem Substitut versorgt werden? Wie ist die Situation zu beurteilen, in der einem abhängigen Patienten die GKV-finanzierte Substitution verweigert wird und er, da er keine entsprechenden finanziellen Mittel zur Eigenfinanzierung hat, stirbt, rückfällig wird oder eine kriminelle Handlung begeht, um sich Opiate auf dem Schwarzmarkt zu besorgen?

Aufgabe der Kommission ist es, die Qualitätssicherung innerhalb der SubstitutiAufgabe der Kommission ist es, die Qualitätssicherung innerhalb der Substitutionsbehandlung durchzuführen. Entsprechendes ergibt sich aus § 9 Anlage I Nr. 2 RMvV (ehemals NUB). Die Qualitätssicherungskommission kann vom Vertragsarzt selbst zu einem Problem der qualifizierten substitutionsgestützten Behandlung mit der Bitte um Beratung kontaktiert werden. Damit soll diese Qualitätssicherungskommission letztlich erreichen, dass eine ordnungsgemäße, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechende Substitutionsbehandlung durchgeführt wird. Damit muss natürlich gleichzeitig die Kommission auch darauf achten, dass nicht nur ein Zuviel an Substitutionsmitteln kritisch betrachtet wird, sondern gleichzeitig auch ein Zuwenig.

Ein in der GKV versicherter Patient hat nicht immer und ewig einen Anspruch auf eine Substitutionsbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass in § 8 Anlage I Nr. 2 RMvV ausdrücklich die Abbruchkriterien zur Substitution festgehalten sind. Ferner ist auch § 5 Abs. 2 Satz 1 BtMVV zu berücksichtigen, wonach für einen Patienten ein Substitutionsmittel nur verschrieben werden darf, wenn und solange der Substitution keine medizinischen und allgemein anerkannten Ausschlussgründe entgegenstehen und die Behandlung erforderliche psychiatrische, psychotherapeutische oder psychosoziale Behandlungs-/Betreuungsmaßnahmen einbezieht. In Ziffer 4 von § 5 Abs. 2 Satz 1 BtMVV ist des Weiteren ausdrücklich die Untersagung der Substitutionsbehandlung bei Beigebrauch gesetzlich vorgesehen.

Auch dadurch wird deutlich, dass eine Substitutionsbehandlung nicht immer und ewig nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt werden darf.

Selbst wenn man im Einzelfall tatsächlich nachweisen könnte, dass die Entscheidungen der Kommission aus medizinischen Gründen nicht nur falsch, sondern schlechterdings unvertretbar sind, werden sich nur äußerst schwierig zu überwindende haftungsrechtliche Komponenten ergeben, die dazu führen könnten, dass die Kassenärztliche Vereinigung aus Amtshaftungsgesichtspunkten für die Umsetzung dieser unvertretbaren Entscheidung der Qualitätssicherungskommission in Anspruch genommen werden kann.

Unsere Substitutionsambulanz befindet sich in Hamburg. Eine komorbide (HIV-) Patientin, bei der sich auch im Rahmen eines stationären Aufenthalts herausgestellt hat, dass eine Splittung der Polamidondosis notwendig ist, da die Dosis sonst durch die HIV-Medikamente zu schnell abgebaut wird, hat von mir ein Rezept erhalten mit täglicher Einnahme der 1. Dosis in der Apotheke und der 2. Dosis als Take-Home-Gabe für abends.
a) Laut Apotheker ist eine solche Verordnung nicht zulässig. Wie soll ich es dann machen?
b) Laut Apotheke ist es außerdem nicht zulässig, ein Rezept mit täglicher Einnahme in der Apotheke an den Patienten auszuhändigen (nach seinen Angaben müsste dies Rezept direkt an die Apotheke abgegeben werden).
PS: Die Apotheke ist in Niedersachsen.

Die von Ihnen beschriebene Verfahrensweise ist so nicht als zulässig anzusehen. Es stellt sich nämlich grundsätzlich zunächst die medizinische Frage, ob die Patientin überhaupt Take-Home-fähig ist. Wenn dieses grundsätzlich bejaht wird, so wäre es dann nicht mehr erforderlich, dass die Patientin unter Sicht in der Apotheke einnimmt. Dann könnte grundsätzlich die Verordnung als Take-Home-Verordnung ausgestellt werden. Sollte die Patientin jedoch nicht Take-Home-fähig sein, dann ist es – bis auf die Ausnahmen aus § 5 Abs. 8 Satz 4 BtMVV – nicht zulässig, wenn der Patientin eine Take-Home-Gabe grundsätzlich ermöglicht wird.

Im Ergebnis dürfte auch der Apotheker hinsichtlich der Verordnungen recht haben. Bei einem Patienten, der nicht Take-Home-fähig ist, sieht § 5 Abs. 5 Satz 2 BtMVV ausdrücklich vor, dass die Verschreibung nur vom Arzt selbst, seinem ärztlichen Vertreter oder durch das entsprechend qualifizierte Personal der Apotheke vorgelegt werden darf. Ferner bestimmt § 5 Abs. 5 Satz 1 BtMVV, dass in diesen Fällen die Verschreibung nicht Patienten ausgehändigt werden darf. Im Übrigen sind Take-Home-Rezepte und -Verordnungen zur unmittelbaren Einnahme unterschiedlich zu kennzeichnen. Daher wären auch grundsätzlich 2 Rezepte auszustellen.

Das wahre Dilemma der gesamten Angelegenheit dürfte darin liegen, dass die Apotheke sich in Niedersachsen befindet. Dadurch taucht tatsächlich das Problem auf: Wie soll das Rezept unmittelbar zum Apotheker kommen, wenn eine Take-Home-Gabe nicht durchgeführt werden soll? In der Praxis wäre es daher empfehlenswert, das Versorgungssystem in Zusammenarbeit mit der Apotheke insgesamt umzustellen. Die einzige Lösung für Ihr Problem scheint uns zu sein, dass Sie entweder bei einem täglichen Vergabemodus selbst 2-mal tgl. die Vergabe durchführen (und nur 1-mal abrechnen) und/oder die Vergabe wahlweise 1-2-mal tgl. an die Apotheke ergänzend delegieren. Das Monatsrezept könnten Sie per Einschreiben schicken und entsprechend dokumentieren. Die Patientin muss mindestens 1-mal pro Woche von Ihnen gesehen werden.

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