Der Klinikarzt 2011; 40(06/07): 280
DOI: 10.1055/s-0031-1283108
Medizin & Management
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erhebliche Preisunterschiede

EU-Arzneimittelmarkt uneinheitlich
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Petra Spielberg
Fachjournalistin für Gesundheits- und Sozialpolitik
Wiesbaden/Brüssel
Fax: 0611/98818512   

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Publication Date:
20 July 2011 (online)

 
 

Einer vom Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebenen Studie zufolge zahlen deutsche Patienten im Schnitt 23 % mehr für Medikamente als Versicherte in Italien. Generika sind dagegen in Staaten wie Griechenland erheblich teurer als in Deutschland oder anderen EU-Ländern. Außerdem profitieren die Patienten nicht überall in gleichem Maße von Arzneimittelinnovationen. Die Gründe für die unterschiedlichen Preisniveaus und den unterschiedlichen Zugang zu Medikamenten in den einzelnen EU-Staaten sind vielfältig. Dies erschwert zugleich den direkten Vergleich. Dennoch fordern einzelne Europaabgeordnete eine Harmonisierung der Arzneimittelpreise.

Ein europäischer Binnenmarkt für Arzneimittel ist bislang nur in Teilen Realität. Zwar durchlaufen die meisten Medikamente eine zentrale Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur in London. Wie teuer die Produkte sind und inwieweit die Patienten Anspruch auf -Erstattung der Kosten haben, entscheiden die einzelnen EU-Länder aber nach wie vor selbst. Das führt dazu, dass die Apothekenabgabepreise in den 27 Mitgliedstaaten teilweise stark voneinander abweichen.

Dies sind Ergebnisse einer aktuellen Studie im Auftrag des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments (EP).

Deutschland ist Hochpreisland

Der Studie zufolge zählt Deutschland nach wie vor zu den Hochpreisländern im europäischen Arzneimittelmarkt. Die vergleichende Analyse eines Warenkorbs von 150 rezeptpflichtigen Medikamenten ergab, dass die Produkte hierzulande im Untersuchungsjahr 2008 in der Regel 23 % teurer waren als im kostengünstigsten Land Italien.

Der Bericht zeigt allerdings auch, dass dies nicht für alle Medikamente gilt.

Bestimmte Krebstherapeutika kosten beispielsweise in Ungarn oder Finnland mehr als hierzulande. Im Schnitt wichen die Preise zwischen den 11 untersuchten Ländern um 25 % voneinander ab.

"Generell scheinen die Preise für patentgeschützte Arzneimittel in Mitgliedstaaten mit höherem Pro-Kopf-Einkommen höher zu sein. Zudem wird in diesen Ländern offenbar mehr für Arzneimittel ausgegeben", heißt es in dem Bericht. Auch hätten Patienten in kleineren und ärmeren EU-Mitgliedstaaten einen eingeschränkteren Zugang zu Arzneimitteln, da diese Märkte für die Hersteller offensichtlich weniger attraktiv sind, so eine weitere Schlussfolgerung.

Bei den Nachahmerpräparaten sind die Unterschiede noch deutlicher. Beispiel Ramipril: das Generikum kostet in Griechenland das 16-fache dessen, was Patienten in den Niederlanden für das Präparat bezahlen müssen.

Das IQWiG hat dazu randomisierte kontrollierte Studien gesucht, die 2 Therapiestrategien bei Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes miteinander verglichen: In einer Gruppe sollten die Maßnahmen darauf zielen, den Blutzucker langfristig auf normnahe Werte zu bringen. In der Vergleichsgruppe sollte es diese Absicht nicht oder nicht in gleichem Maße gegeben haben. Maßgebliche Kriterien waren dabei die Sterblichkeit (Gesamtsterblichkeit), Diabetes-Folgekomplikationen (Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nieren- oder Augenschädigungen u.a.) sowie die Lebensqualität.


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Unterschiedliche Preisregulierung

Als einen entscheidenden Faktor für die Unterschiede führen die Autoren der Studie national unterschiedliche Preisregulierungsmethoden an. Während in den meisten EU-Staaten der Gesetzgeber den Preis bestimmt oder die Firmen den Preis mit dem Staat aushandeln, zählte Deutschland bis Anfang dieses Jahres neben Malta und Dänemark zu den einzigen 3 EU-Ländern, in denen die Pharmaindustrie selbst festlegen konnte, wie teuer ein Medikament ist. Seit 1. Januar müssen die Hersteller hierzulande die Preise mit dem GKV-Spitzenverband abstimmen.

Positiv auf die Preisbildung wirken sich nach Ansicht der Autoren Ausschreibungen für patentfreie Arzneimittel in der ambulanten Versorgung aus, wie es sie in den Niederlanden und Deutschland gibt. Dies könne zu deutlichen Preissenkungen führen, so das Fazit. Auch trage der von 24 EU-Staaten genutzte sogenannte externe Preisvergleich zu sinkenden Arzneimittelpreisen bei, insbesondere wenn sich der Vergleich an den niedrigsten Preisen in anderen Ländern orientiert und nicht an den Durchschnittskosten.

Entscheidend für Preisunterschiede seien ferner die Gewinnspannen der Groß- und Einzelhändler sowie unterschiedlich hohe Mehrwertsteuersätze und Erstattungsmöglichkeiten. In Schweden und Großbritannien fällt gar keine Mehrwertsteuer an, während der Satz hierzulande 19 % beträgt, in Dänemark sogar 25 %.

Die Studie zeigt aber auch, dass die unterschiedlichen Regulierungssysteme und Distributionswege einen direkten Vergleich der Preise und der Arzneimittelausgaben sehr schwer machen.


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Bessere Koordinierung durch Informationsaustausch

Eine Harmonisierung der Arzneimittelpreise hätte nach Ansicht des CDU-Europaabgeordneten Dr. Peter Liese Vorteile. Das System würde fairer, da für alle Bürger die gleichen Preise gelten würden. Zudem ergäben sich enorme Effizienz-gewinne. "Die Unternehmen unterhalten riesige Mitarbeiterstäbe, um die Preise in den unterschiedlichen Ländern auszuhandeln oder um auf anderem Wege auf die Preisbildung politisch Einfluss zu nehmen." Die Kosten hierfür seien in der Forschung und Entwicklung neuer Medikamente besser aufgehoben, meint Liese.

Der CDU-Politiker Dr. med. Thomas Ulmer hält dagegen nichts von einer Preisangleichung. "Nach wie vor liegt die Gesundheitspolitik in der Kompetenz der Nationalstaaten. Insofern können wir nur Empfehlungen abgeben", so der Arzt. Auch fürchtet er, dass eine Änderung der Distributionswege den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge hat.

Ulmer spricht sich dafür aus, dass die Mitgliedstaaten ihre Arzneimittelpolitik besser aufeinander abstimmen und sich an bewährten einzelstaatlichen Verfahren orientieren sollten.

In diese Richtung gehen auch die Empfehlungen der Verfasser der Studie. Aus ihrer Sicht könnten am ehesten ein verstärkter Informationsaustausch über die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln sowie ein umfassender und frühzeitiger Einsatz von Generika dazu beitragen, die Preise zu senken und die Preisniveaus einander anzunähern. Auch sollte der Nutzen des Parallelhandels intensiver untersucht werden.


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