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DOI: 10.1055/s-0031-1286559
Höhere Anforderungen an Ärzte – Widerruf der Approbation auch bei Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises
- Der Fall
- Gericht prüft Unwürdigkeit bzw. Unzuverlässigkeit
- Sachverhalt aus Strafbefehl wird zugrunde gelegt
- Handlungen außerhalb der Kerntätigkeit können zum Approbationsentzug führen
- Fazit
Ein Approbationsentzug muss nicht zwingend auf einem Fehlverhalten eines Arztes bei der Behandlung von Patienten basieren, sondern kann auch alle darüber hinaus berufsbezogenen, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und Unterlassungen und, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des gerichtlichen Wirkungskreises erfassen. Ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30.09.2010 (Az.: 21 BV 09.1279) macht sehr deutlich, dass an die Person eines Arztes im Rahmen des gesellschaftlichen Gefüges nach wie vor gesteigerte moralische Vorstellungen geknüpft sind.
Der Fall
Geklagt hatte ein Chefarzt einer Klinik gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt. Vorausgegangen war dem Widerruf ein rechtskräftiger Strafbefehl, in dem der Arzt wegen mehrerer Fälle der Vorteilsannahme, der Untreue und mehrerer Fälle des (versuchten) mittäterschaftlichen Betrugs eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten und einer Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen zu je 120 Euro verurteilt wurde. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde unter der Auflage, dass der Kläger insgesamt 250.000 Euro an karitative Einrichtungen bezahlt, zur Bewährung ausgesetzt. Diesem Strafbefehl wiederum lag zugrunde, dass der Kläger in seiner Funktion als Arzt und Mitglied bzw. Vorsitzender eines Vereins Zuwendungen von pharmazeutischen Unternehmen angenommen hatte, ohne die erforderliche wirksame Genehmigung der Klinikleitung zu haben. Gegenstand der Zuwendungen wiederum waren die Finanzierung eines Betriebsausflugs, einer Geburtstagsfeier, die Annahme von Geldzahlungen ohne gleichwertige Gegenleistung sowie die Mehrfachabrechnungen von einmal angefallenen Reisekosten gegenüber mehreren Firmen. Der Strafbefehl wurde vom Kläger akzeptiert.
Im Nachgang zu dem Strafbefehl wurde die Approbation des Klägers widerrufen. Der Widerruf wurde damit begründet, dass der Kläger unwürdig sei, den Beruf des Arztes weiterhin auszuüben. Hiergegen ging der Kläger zunächst zum Verwaltungsgericht in Klage, das jedoch die Klage abwies. Gegen dieses abweisende Urteil legte der Kläger Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein. Der Bayerische VGH bestätigte das Urteil des Verwaltungsgerichts und kam zu dem Ergebnis, dass die Behörde die Approbation des Klägers widerrufen musste, weil nachträglich die Voraussetzungen zur Erteilung der Approbation weggefallen waren.
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Gericht prüft Unwürdigkeit bzw. Unzuverlässigkeit
Voraussetzung für den Widerruf der Approbation eines Arztes ist gemäß der Bundesärzteordnung, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, aus denen sich die Unzuverlässigkeit oder die Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des Arztberufs ergibt. Der Widerruf einer Approbation stellt dabei nach Auffassung des Gerichts durchaus einen Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl dar, denn die freie Berufswahl umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf, sondern auch die Entscheidung darüber, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll. Diese Entscheidungsfreiheit wird dem betroffenen Arzt durch den Widerruf der Approbation genommen, so der Bayerische VGH.
Das Gericht führt dann aus, dass die Begriffe "Unzuverlässigkeit" und "Unwürdigkeit" jeweils eine eigenständige Bedeutung haben. Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird durch die Prognose gekennzeichnet, ob der Betroffene auch in Zukunft seine berufliche Pflicht nicht zuverlässig erfüllen wird. Demgegenüber entbehrt die Unwürdigkeit des prognostischen Elements. Ein Arzt ist zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Nach Auffassung der Richter verlangt dies ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt. Maßgeblicher Zeitpunkt ist hierbei die letzte Behördenentscheidung. Dieser Entziehungstatbestand stellt auch nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Störung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint. Unwürdigkeit liege demnach dann vor, wenn ein bestimmtes Fehlverhalten gegeben sei, das nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden könne, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Arztes gemeinhin verbunden wird. Der Begriff der Unwürdigkeit sei demnach daran gebunden, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arztes mit dem gesamten Berufsbild und den besonderen Vorstellungen übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein vom Arzt hat. Von einem Arzt, dem auch von seinen Patienten besonderes Vertrauen entgegengebracht werde, erwarte man nicht nur eine sorgfältige Behandlung der Patienten, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung. Nach Auffassung der Richter sind der Entzug der Approbation und damit der schwerwiegende Eingriff in die Berufsfreiheit sachlich gerechtfertigt, wenn eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs vorliegt. Es kommt dann nicht mehr auf die zusätzliche Auseinandersetzung mit individuellen Umständen, wie z.B. mit dem Alter des Betroffenen oder die Möglichkeiten einer anderen beruflichen Tätigkeit an. Ausgehend von diesen Grundsätzen kam das Gericht zu der Feststellung, dass der Kläger im hier maßgeblichen Zeitpunkt ein Verhalten gezeigt hat, aus dem sich jedenfalls seine Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs als Arzt ergebe.
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Sachverhalt aus Strafbefehl wird zugrunde gelegt
Im Strafbefehl werden Feststellungen zum Sachverhalt getroffen, die dann von der Behörde bzw. dem Gericht, das über den Entzug der Approbation zu entscheiden hat, zugrunde gelegt werden können. Häufig wird von Seiten der anwaltlichen Vertreter der betroffenen Ärzte im Approbationsentzugsverfahren angeführt, dass die Sachverhaltsfeststellungen nicht korrekt oder nur im Hinblick auf die Beendigung des strafrechtlichen Verfahrens mit verhältnismäßig glimpflichen Sanktionen akzeptiert wurden. Dem wird von den Gerichten regelmäßig entgegen gehalten, dass ein Strafbefehl zwar kein im ordentlichen Strafverfahren ergangenes Urteil sei, sondern eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung. Auch könne das Strafbefehlsverfahren, weil es vornehmlich der Vereinfachung und Beschleunigung diene, regelmäßig nicht das Maß an Ergebnissicherheit bieten wie ein Urteil. Weil der Strafbefehl aber aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Gericht ergeht, einen strafrechtlichen Schuldspruch enthält und eine strafrechtliche Rechtsfolge gegen den Beschuldigten festsetzt sowie die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangt, können die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung mit der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben. Die Behörden und Gerichte können daher Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl der Beurteilung der Unwürdigkeit im berufsrechtlichen Sinne zugrunde legen, ohne diese auf ihre Richtigkeit selbst überprüfen zu müssen.
Hierüber muss jeder Betroffene sich im Klaren sein. Die Akzeptanz eines Strafbefehls führt in der Regel dazu, dass die dort getroffenen Sachverhaltsfeststellungen als Fakten für das Approbationsentziehungsverfahren zugrunde gelegt werden. Nach Auffassung der Gerichte kommt es auch nicht darauf an, ob dem Arzt insoweit die möglichen berufsrechtlichen / approbationsrechtlichen Konsequenzen im Einzelnen bekannt gewesen sind. Insoweit ist zu beachten, dass im Falle des Einsatzes von Strafverteidigern im Strafverfahren auch die berufsrechtlichen Folgewirkungen vor Akzeptanz des Strafbefehls ausführlich diskutiert und bedacht werden.
Der Kläger hatte im konkreten Verfahren mehrere Einwendungen gebracht, die vom Gericht aber nicht als gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit gewertet wurden. Ein solcher gewichtiger Anhaltspunkt läge insbesondere dann vor, wenn ersichtlich Wiederaufnahmegründe vorlägen oder, wenn die Behörden und Verwaltungsgerichte den Sachverhalt nun besser als das Strafgericht aufklären können. Ein solcher Ausnahmefall sei hier nicht gegeben gewesen.
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Handlungen außerhalb der Kerntätigkeit können zum Approbationsentzug führen
Bei der Beurteilung der Unwürdigkeit wird nicht nur auf das Verhalten eines Arztes in seinem Kernbereich, der ärztlichen Tätigkeit, abgestellt, sondern es werden auch alle berufsbezogenen, d. h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und Unterlassungen, und, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises berücksichtigt. Die Unwürdigkeit kann dementsprechend auch Folge von Straftaten sein, die nicht unmittelbar die ärztlichen Pflichten gegenüber Patienten betreffen, so die Richter.
Das Gericht führt hierzu sehr deutlich aus: Die Ausübung des ärztlichen Berufs und die entsprechende Einschätzung durch die Patientenschaft und die Öffentlichkeit umfasse nicht nur eine fachlich beanstandungsfreie Behandlung des Patienten, sondern auch die Einhaltung der sonstigen ärztlichen Berufspflichten. Auch wenn möglicherweise von Angehörigen der Heilberufe nicht (mehr) eine in jeder Hinsicht integre Lebensführung als Berufspflicht verlangt werden könne, so gehöre doch im Hinblick auf das Merkmal der Berufswürdigkeit dazu auch, alles zu unterlassen, was das Ansehen des Berufsstandes gefährde. Dies sei, da das Ansehen und Vertrauen in die Ärzteschaft ein Element des wichtigen Gemeinschaftsgutes der Volksgesundheit sei, das als solches vor Gefährdung in Schutz genommen werden muss, zwar nicht um seiner selbst willen, sondern um des Vertrauens willen geschützt, das die Öffentlichkeit den Angehörigen des Arztberufs entgegenbringen solle. Gerade wegen der besonders vertrauensgeprägten Beziehung zwischen Arzt und Patient geht das Gemeinschaftsgut "Gesundheitsversorgung" und "Gesundheitsschutz" über den eigentlich medizinischfachlichen Bereich deutlich hinaus. Voraussetzung einer funktionsfähigen Gesundheitsversorgung sei eben auch, dass die Ärzteschaft als Ganzes und der einzelne Arzt das für die zuverlässige ärztliche Versorgung der Bevölkerung notwendige Vertrauen in eine nur am Wohl des Patienten orientierte ärztliche Berufsausübung besitze. Dementsprechend gehe im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Rechtsverstößen eines Arztes die Erwartung der Bevölkerung dahin, dass dieser einer anderen Person jedenfalls nicht willentlich Schaden zufügt, weil dies dem Bild vom helfenden und heilenden Arzt zuwiderliefe. Zu diesen vom Arzt einzuhaltenden Berufspflichten gehört auch die Pflicht, im Rahmen der Tätigkeit als Arzt Straftaten unter allen Umständen zu unterlassen. Nach Auffassung der Richter erweise sich der Kläger aufgrund seines Gesamtverhaltens als unwürdig für die weitere Ausübung seiner Tätigkeit als Arzt. Im Hinblick auf Art und Umfang der begangenen Straftaten und das hierin erkennbar werdende charakterliche Fehlverhalten sei der Kläger unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs; er habe in seinem Verhalten und in seiner Persönlichkeit nicht mehr der Erwartung der Öffentlichkeit an die Persönlichkeit und das Verhalten eines Arztes entsprochen. Durch sein Verhalten habe er sowohl sein eigenes berufsbezogenes Ansehen als auch tendenziell das der Ärzteschaft insgesamt mit entsprechend negativen Rückwirkungen auf die Einschätzung der persönlichen wie fachlichen Integrität der beruflichen Betätigung untergraben. Wegen der deswegen zu befürchtenden negativen Auswirkungen auf das Ansehen der Ärzteschaft als solcher ist seine weitere ärztliche Tätigkeit untragbar. Der Kläger besitze nicht mehr das für seine Berufsausübung erforderliche Ansehen und Vertrauen der Bevölkerung, weil ein solches Verhalten generell geeignet sei, die Wertschätzung, die der Arztberuf in der Gesellschaft genießt und das Vertrauen, das die Patienten in ihre Ärzte setzen, herabzuwürdigen. Das dem Kläger vorzuwerfende Fehlverhalten sei auch so schwerwiegend, dass auch der Zeitablauf seit den entsprechenden Handlungen, die dem Strafbefehl zugrunde liegen, nicht ausschlaggebend sein könne, um vom Widerruf seiner Approbation abzusehen.
Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei dadurch Rechnung getragen, dass ein Arzt dann, wenn die Verhaltensweise des Arztes nach Abschluss des entsprechenden Widerrufsverfahrens mit Blick etwa auf die Zuverlässigkeit eine günstige Prognose erlaubt, einen Antrag auf Wiedererteilung der Approbation stellen kann und unter Umständen zunächst eine Erlaubnis zu einer erneuten Ausübung des ärztlichen Berufs erhalten kann. Ob diese Möglichkeiten bei dem Kläger angesichts seines Alters konkret in Betracht kämen, sei nicht entscheidend für die Beurteilung des Widerrufs der Approbation des Klägers. Nach alledem habe der Kläger gezeigt, dass ihm die gebotene innere Haltung zur Beachtung seiner berufsspezifischen Pflichten als Arzt fehle. Er habe Charaktereigenschaften offenbart, die seiner weiteren Tätigkeit als Arzt – bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt – insgesamt entgegenstehen, sodass der Widerruf der Approbation angemessen und nicht unverhältnismäßig gewesen sei. Auf die Prüfung der Unzuverlässigkeit kam es entscheidungserheblich nicht mehr an. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen.
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Fazit
Das Urteil macht deutlich, dass an den Arzt besondere Anforderungen im Hinblick auf sein gesamtes Verhalten gestellt werden. Aufgrund dieser besonderen Position können auch Verhaltensweisen außerhalb der ärztlichen Tätigkeit mit und am Patienten approbationsrechtliche Folgen haben. Betroffenen Ärzten wird angeraten, nicht nur die "glimpfliche Lösung" in strafrechtlicher Hinsicht im Auge zu behalten, sondern auch den nächsten Schritt in den Blick mit einzubeziehen, nämlich die approbationsrechtlichen Folgen, da die Feststellungen eines Strafbefehls von den Approbationsbehörden und später von den Gerichten als nahezu "in Stein gemeißelt" der approbationsrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.
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Korrespondenz

