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DOI: 10.1055/s-0031-1286635
Pulmonales Paragangliom: Fallbericht und Literaturübersicht
Pulmonary Paraganglioma: Case Report and Literature ReviewKorrespondenzadresse
Publication History
eingereicht 16 May 2011
akzeptiert nach Revision 16 July 2011
Publication Date:
02 November 2011 (online)
Zusammenfassung
Hintergrund: Das pulmonale Paragangliom ist ein sehr seltener Tumor, über den es in der Literatur nur etwa 40 Fallberichte gibt und dessen korrekte Diagnose schwierig ist.
Fallbeschreibung: In dem hier vorgestellten Fall fand sich in der Computertomografie ein solitärer pulmonaler Rundherd. Dieser wurde reseziert, und die intraoperative Schnellschnittuntersuchung ergab einen niedrig differenzierten neuroendokrinen Tumor, sodass eine Komplettierung zur Lobektomie erfolgte. In der endgültigen Histologie fand sich weiterhin ein neuroendokrin differenzierter Tumor, jedoch nur mit wenigen Mitosen und der immunhistochemischen Konstellation eines Paraganglioms.
Schlussfolgerungen: Eine der Besonderheiten des pulmonalen Paraganglioms ist es, dass in den allermeisten Fällen keine korrekte präoperative Diagnose vorliegt und dass die intraoperative Schnellschnittuntersuchung diese auch nicht zu erbringen vermag. Die Schnellschnittuntersuchung führt zur Diagnose neuroendokriner Tumor mit mehr oder weniger Mitosen, meistens jedoch zur Diagnose Karzinoid. Da das biologische Verhalten von Karzinoid und pulmonalem Paragangliom ähnlich ist, resultiert meist ein korrekter Resektionsmodus.
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Abstract
Background: Pulmonary paraganglioma is a very rare condition with 40 cases reported in the literature. In the vast majority of cases the correct diagnosis could not be yielded preoperatively.
Case Presentation: We report a case of paraganglioma of the lung. Computed tomographic scan showed a solitary pulmonary nodule. Diagnostic thoracotomy was performed and a tumor in the left lower lobe was resected. Frozen section evaluation showed an epithelial tumor with neuroendocrine differentiation and low grade features. Accordingly, lobectomy was performed. The study of the paraffin-embedded specimen yielded furthermore a neuroendocrine differentiated tumor, but mitotic figures were rare. Immunhistochemically the final diagnosis paraganglioma was made.
Conclusion: In patients with pulmonary paraganglioma, the correct preoperative diagnosis is in general not available. Solitary pulmonary nodules or minor tumors of unknown histology are resected by wedge resection and sent to frozen section evaluation. Frozen section evaluation results in the diagnosis neuroendocrine tumor with more or less mitoses and mostly specified as carcinoid tumor.
According to the literature biologic behaviour of carcinoid tumor and pulmonary paraganglioma is similar and thus the incorrect result of frozen section evaluation leads to a correct resection mode. If frozen section evaluation shows low grade features, surgical overtreatment may occur.
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Fallbeschreibung
Eine 58-jährige Raucherin mit 20 pack years Belastung erhielt wegen persistierenden Hustens nach einer oberen Atemwegsinfektion eine Thoraxröntgenaufnahme. Diese zeigte einen solitären Rundherd der linken Lunge. Im Computertomogramm fand sich im Bereich der basalen Segmente des linken Lungenunterlappens eine solide Gewebsformation, glatt berandet und 2 cm im Durchmesser groß ([Abb. 1]).
Die Bronchoskopie war unauffällig und erbrachte keine Diagnose. Zur Zeit der Untersuchungen zeigte die Patientin keine Hypertension und keine anderen systemischen Symptome.
Da aufgrund der Anamnese und der Größe und Kontrastmittelaufnahme des Rundherdes die Wahrscheinlichkeit der Malignität im mittleren Bereich lag und da es dem Wunsch der Patientin entsprach, eine chirurgische Diagnose und Therapie anzustreben, wurde in der interdisziplinären Thoraxkonferenz die Indikation zum primären operativen Vorgehen ohne weitere Diagnostik gestellt.
Da der Rundherd zentral im Segment 10 lag und die genaue Identifizierung und Abgrenzung eine Palpation erforderte, erfolgte der Zugang über eine modifizierte axilläre Minithorakotomie.
Der Tumor wurde zunächst atypisch reseziert. Er war von weicher Konsistenz und zeigte an seiner Oberfläche eine erhebliche Vaskularisierung.
Mittels Schnellschnittuntersuchung wurde ein epithelialer Tumor mit Zeichen einer neuroendokrinen und gleichzeitig niedrigen Differenzierung diagnostiziert, sodass die Operation zur Lobektomie komplettiert wurde.
Die Untersuchung der Paraffinschnitte bestätigte einen neuroendokrin differenzierten Tumor mit epitheloiden bis spindelförmigen Zellen und „Zellballen“-Formationen. Der Tumor zeigte wenig Mitosen, eine Pseudokapsel fehlte gänzlich ([Abb. 2]; HE 5 × Objektivvergrößerung).
Immunhistochemisch waren die Tumorzellen stark positiv für neuroendokrine Marker wie Chromogranin, Synaptophysin und CD 56 (NICAM, neural cell adhesion molecule) und negativ für Cytokeratin 5, 7, 20 und TTF-1. Die Sustentacularzellen exprimierten S100 Protein ([Abb. 3]; Immunhistochemie 20 × Objektivvergrößerung). Ki67 zeigte eine Proliferationsrate von weniger als 2 %.
Entsprechend wurde die Diagnose Paragangliom gestellt.
Die Familienanamnese war bezüglich eines hereditären Paraganglioms negativ. Da auch genetisch keine für ein hereditäres Paragangliom spezifische Mutation gefunden werden konnte, wurde das Paragangliom als sporadisch klassifiziert.
Aktuell besteht nach einem Zeitraum von fünf Jahren seit der Operation kein Anhalt für ein Rezidiv.
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Diskussion
Paragangliome sind seltene Tumoren, die von den extraadrenalen Paraganglien ausgehen und in Tumoren der parasympathischen und der sympathischen Ganglien unterteilt werden.
Tumoren der parasympathischen Ganglien findet man entlang der supradiaphragmalen Äste von Nervus vagus und Nervus glossopharyngeus. Sie sezernieren typischerweise keine Katecholamine. Der Prototyp eines parasympathischen Ganglions ist das Glomus caroticum.
Die Tumoren der sympathischen Ganglien produzieren Katecholamine und liegen typischerweise im Abdomen. Wenn sie im Nebennierenmark wachsen, heißen sie Phäochromozytome [1].
Intrathorakale Paragangliome repräsentieren etwa 5 – 10 % aller Paragangliome. Man unterteilt sie in pulmonale und mediastinale Tumoren.
Heppleston [2] publizierte 1958 den ersten Fall eines solitären pulmonalen Paraganglioms. Bis 2011 sind etwa 40 Fälle von primären pulmonalen Paragangliomen beschrieben [3] [4] [5]. Lediglich einer der berichteten Fälle zeigte eine Katecholaminproduktion, die es dann auch erlaubte, die Diagnose Paragangliom vor der Tumorresektion zu stellen [6].
Bei den mediastinalen Paragangliomen liegt dagegen oft (50 – 100 %) eine Katecholaminsekretion vor [4] [7].
Endokrinologisch stumme pulmonale Paragangliome werden in der Regel inzidentiell entdeckt. Sie präsentieren sich meist als solitäre Rundherde, und nur wenige der in der Literatur berichteten Fälle fielen durch klinische Symptome auf, wie z. B. Thoraxschmerzen aufgrund der Tumorgröße und -lage [8] [9]. Nur in drei Fällen wurde präoperativ endobronchiales Fremdgewebe gesehen und biopsiert [10] [11] [12], aber nur in einem dieser Fälle konnte anhand der Biopsie die korrekte Diagnose gestellt werden [12].
Generell werden somit solitäre Lungenrundherde oder kleinere Tumoren unbekannter Histologie während einer diagnostischen Thorakotomie atypisch reseziert und zur Schnellschnittdiagnostik gesandt. Makroskopisch erscheinen die meisten Paragangliome umschrieben und gut abgegrenzt, sodass man sie prima vista als eher benigne Tumoren einschätzt.
Die folgende Schnellschnittuntersuchung zeigt dann meist einen Tumor mit neuroendokriner Differenzierung und unterschiedlicher Mitosenrate und einer unklaren Dignität. In den meisten Fällen wird der Verdacht auf ein Karzinoid, weniger häufig auf ein neuroendokrines Karzinom ausgesprochen.
Auch in der Histologie am Paraffinschnitt ist es nicht möglich, ein Paragangliom von einem Karzinoid zu unterscheiden. Eine definitive Unterscheidung gelingt aber immunhistochemisch durch Cytokeratine und die Gegenwart von S100 exprimierenden Sustentacularzellen.
Darüber hinaus ist die histologische Untersuchung allein nicht in der Lage, zwischen einem malignen und einem benignen Paragangliom oder zwischen Primärtumor oder Metastase zu unterscheiden.
Entsprechend der aktuellen WHO-Klassifizierung ist die Malignität eines Paraganglioms nur durch den Nachweis von Metastasen definiert und nicht durch die lokale Invasion [1]. In den bisher veröffentlichten Fallbeschreibungen wurden 5 Fälle eines pulmonalen Paraganglioms mit Lymphgefäßinfiltration und Lymphknotenmetastasen berichtet. Nur diese Tumoren können als maligne Paragangliome angesehen werden [5] [6] [13] [14] [15], denn mitotische Aktivität, vaskuläre Infiltration und Kapselinfiltration korrelieren schlecht mit dem metastatischen Potenzial des Paraganglioms.
Beim Studium der Literatur zeigt sich, dass Lymphknotenmetastasen nur dann nachgewiesen werden konnten, wenn aufgrund der Größe und Lage des Tumors zur potenziell kurativen Behandlung eine Lobektomie erfolgen musste, und dass nach Resektion eines solitären pulmonalen Rundherdes nie Lymphknotenmetastasen beschrieben sind. Dies könnte bedeuten, dass die Größe des Tumors ein Hinweis auf Malignität ist. Andererseits sind bei den Fällen von atypischen Resektionen nie dezidiert Lymphadenektomien beschrieben.
Der Zeitpunkt einer ersten Gewebsdiagnose und der Entscheidung über den Resektionsmodus liegt fast immer intraoperativ, jedoch ist die Diagnose durch Schnellschnittuntersuchung fast immer falsch und lautet meistens „Karzinoid“. Wenn man das biologische Verhalten von Karzinoid und pulmonalem Paragangliom vergleicht, scheint es ähnlich.
Aktuell ist eine Lobektomie die übliche operative Therapie des Karzinoids. Kleinere und peripher lokalisierte Karzinoide, die ein einziges Segment betreffen, können aber auch durch Segmentresektion oder atypische Resektion behandelt werden. Dieser modus operandi kann auch bei der Therapie des pulmonalen Paraganglioms als zulässig angesehen werden.
Es ist eine weit verbreitete Annahme, die meisten Paragangliome seien sporadisch und nur 10 % seien hereditär. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch generell höhere Prozentsätze von Mutationen. Speziell bei Patienten mit multifokalen Tumoren oder bei jungen Patienten liegt die hereditäre Form der Erkrankung bei 84 bzw. 59 % [16].
Im Falle der hereditären Form können Phäochromozytom und Paragangliom Komponenten der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (durch Mutation des RET-Gens), der von-Hippel-Lindau-Erkrankung (durch Mutation des VHL-Gens), der Neurofibromatose Typ 2, des Paraganglien-Syndroms Typ 1 und Typ 2 (durch Mutation von SDHD bzw. SDHB) sein.
Es ist heute Standard, dass klinisch-onkologische Genetiker den Patienten, die das Risiko einer Mutation von mindestens 10 % haben, eine genetische Untersuchung anbieten. Das bedeutet, dass bei Patienten mit Paragangliom eine genetische Untersuchung indiziert ist, zumal die Identifizierung einer Paragangliom-assoziierten Mutation nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die weitere klinische Behandlung und für die prädiktive genetische Beratung von Bedeutung ist [16] [17].
Zusammenfassend sind pulmonale Paragangliome fast immer endokrinologisch stumme Tumoren, deren Histologie präoperativ nicht bekannt ist und die zu einer diagnostischen Thorakotomie führen. Die intraoperative Schnellschnittdiagnose lautet neuroendokriner Tumor, meistens Karzinoid. Da das biologische Verhalten von pulmonalem Paragangliom und Karzinoid ähnlich ist, ist der konsekutive Resektionsmodus meist korrekt.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Tischler AS. Pheochromocytoma and extra-adrenal paraganglioma: updates. Arch Pathol Lab Med 2008; 132: 1272-1284
- 2 Heppleston AG. A carotid-body-like tumour in the lung. J Pathol Bacteriol 1958; 75: 461-464
- 3 da Silva RA, Gross JL, Haddad FJ et al. Primary pulmonary paraganglioma: case report and literature review. Clinics (Sao Paulo) 2006; 61: 83-86
- 4 Erickson D, Kudva YC, Ebersold MJ et al. Benign paragangliomas: clinical presentation and treatment outcomes in 236 patients. J Clin Endocrinol Metab 2001; 86: 5210-5216
- 5 Skodt V, Jacobsen GK, Helsted M. Primary paraganglioma of the lung. Report of two cases and review of the literature. APMIS 1995; 103: 597-603
- 6 Brown ML, Zayas GE, Abel MD et al. Mediastinal paragangliomas: the Mayo Clinic experience. Ann Thorac Surg 2008; 86: 946-951
- 7 Shibahara J, Goto A, Niki T et al. Primary pulmonary paraganglioma: report of a functioning case with immunohistochemical and ultrastructural study. Am J Surg Pathol 2004; 28: 825-829
- 8 Arom KV, Trinkle JK. Solitary pulmonary paraganglioma: case report and literature review. Am Surg 1977; 43: 689-691
- 9 Saeki T, Akiba T, Joh K et al. An extremely large solitary promary paraganglioma of the lung: report of a case. Surg Today 1999; 29: 1195-1200
- 10 Aubertine CL, Flieder DB. Primary paraganglioma of the lung. Ann Diagn Pathol 2004; 8: 237-241
- 11 Kim KN, Lee K-N, Roh MS et al. Pulmonary paraganglioma manifesting as an endobronchial mass. Korean J Radiol 2008; 9: 87-90
- 12 Hangartner JRW, Loosemore TM, Burke M et al. Malignant primary pulmonary paraganglioma. Thorax 1989; 44: 154-156
- 13 Eckert H. Primary malignant chemodectoma of lung. Z Erkr Atmungsorgane 1979; 152: 135-140
- 14 Lemonick DM, Pai PB, Hines GL. Malignant primary pulmonary paraganglioma with hilar metastasis. J Thorac Cardiovasc Surg 1990; 99: 563-564
- 15 Neumann HPH, Bausch B, McWhinney SR et al. Germ-line mutations in nonsyndromic pheochromocytoma. N Engl J Med 2002; 346: 1459-1466
- 16 Neumann HPH, Pawlu C, Peczkowska M et al. Distinct clinical features of paraganglioma syndromes associated with SDHB and SDHD gene mutations. JAMA 2004; 292: 943-951
- 17 Kavakli K, Ozturk M, Ongoru O et al. Primary pulmonary paraganglioma with Hodgkin’s lymphoma. Thorac Cardiovasc Surg 2009; 57: 375-377
Korrespondenzadresse
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Literatur
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