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DOI: 10.1055/s-0031-1287635
Schnittstellenproblematik in der rehabilitativen Versorgung
Publication History
Publication Date:
21 September 2011 (online)
- Zusammenfassung
- Einleitung
- Übersicht der aktuellen Schnittstellenprobleme
- Bedeutung der Schnittstellenproblematik für die rehabilitative Versorgung
- Lösungsmöglichkeiten
- Schlussbemerkung
- Literatur
Zusammenfassung
Die Segmentierung des deutschen Gesundheitssystems führt an vielen verschiedenen Stellen zu Kooperations- und Koordinationsproblemen. Das System der medizinischen Rehabilitation ist davon nicht ausgenommen. Im hier beschriebenen Projekt werden erstmals alle an der Rehabilitationskette beteiligten Personen- bzw. Institutionengruppen (betroffene Rehabilitanden, Kostenträgervertreter, niedergelassene Ärzte und Rehabilitationskliniker) getrennt voneinander, aber auch gemeinsam befragt, wo sie in ihrem jeweiligen Bereich solche Probleme wahrnehmen, um die Barrieren einer möglichst effizienten und konfliktfreien Kooperation und Kommunikation sowie deren Ursachen zu identifizieren und Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. Im vorliegenden Artikel diskutieren Nadine Pohontsch und Ruth Deck die von den einzelnen Gruppen genannten Probleme und deren aufgezeigte Lösungsmöglichkeiten.
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Vita
Nadine Pohontsch ist Diplom-Psychologin. Sie arbeitet seit 2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialmedizin der Universität zu Lübeck. Ihr Forschungsschwerpunkt ist qualitative Forschung in der medizinischen Rehabilitation.
Dr. Ruth Deck ist Diplom-Soziologin und hat ihren Schwerpunkt im Bereich der Reha-Wissenschaft. Sie leitet das wissenschaftliche Sekretariat des Vereins zur Förderung der Rehabilitationsforschung (vffr) in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern und ist Leiterin der Qualitätsgemeinschaft medizinische Rehabilitation in Schleswig-Holstein (QGmR).
Einleitung
Dass die Segmentierung des deutschen Gesundheitssystems an vielen Stellen zu Kommunikations- und Koordinationsproblemen führt, ist keine neue Erkenntnis. Die Aufrechterhaltung starrer Sektorengrenzen (z. B. zwischen ambulanter und stationärer Versorgung) und eine starke Orientierung an sektoralen Budgets kennzeichnen dieses System [1]. Die daraus resultierende unzureichende Abstimmung und Vernetzung von Versorgungsabläufen ist seit längerem Gegenstand der Diskussion um die Zukunft des Gesundheitswesens [12]. Dies zeigt sich auch und besonders im System der medizinischen Rehabilitation, das aufgrund des demografischen Wandels und den damit einhergehenden Veränderungen des Krankheitsspektrums noch stärker zu einem tragenden Element der Gesundheitsversorgung geworden ist [3], [11], [17]. Die Rehabilitationskette hat viele Schnittstellen: die niedergelassenen Ärzte (Haus- und/oder Fachärzte), die Kostenträger (allen voran Rentenversicherungen und gesetzliche Krankenkassen), die Rehabilitationskliniken/r und nicht zuletzt die Rehabilitanden selbst. Die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Akteure verläuft nicht immer reibungslos. Neben ökonomischen Interessen sind auch unterschiedliche Werte- und Deutungsmuster der einzelnen Handelnden dafür verantwortlich. Die Folgen dieser Reibungsverluste können z. B. in geringer Ergebnisqualität oder mangelnder Wirtschaftlichkeit bestehen [12]. Seit über zwei Jahrzehnten werden Anstrengungen unternommen, die Schnittstellenprobleme, die durch die Iterativität und mangelnde Linearität des Rehabilitationsprozesses (d. h. schrittweises, sich wiederholendes und oft nicht auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtetes Vorgehen) entstehen, zu identifizieren und Lösungen zu finden [2], [3], [16], [18].
„Ja, bei mir war es so, dass ich, hm, ja, arg am Untergehen war. Hatte einige Probleme schon das ganze letzte Jahr und hatte denn bei meiner privaten Krankenversicherung ‘n Antrag gestellt, um nach Bad A in die Klinik zu kommen. Die private Krankenversicherung hat‘s dann abgelehnt, weil sie gesagt, das ist ganz klar das Reha-Thema. Für Reha sind wir nicht zuständig.
Wir sind zuständig für akute Erkrankungen. Aber das Schnittstellenproblem war das, dass die Psychologin ja keine Überweisung schreiben darf. Die Psychologin darf beraten, darf Gespräche führen. Und der Hausarzt ist quasi der, der darf die Pillen verschreiben und darf krankschreiben […] und noch den Reha-Antrag. Hat aber im Grunde genommen keine Ahnung, was wirklich los ist“ (Abschnitt 11, Fokusgruppe mit Rehabilitanden mit psychosomatischen Indikationen, während des Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik (FG 1)).
All diese Anstrengungen haben bisher jedoch noch nicht zu einer optimalen Verzahnung der Bemühungen von niedergelassenen Ärzten, Kostenträgern und Rehabilitationsklinikern geführt [5]. Informations- und Kommunikationsdefizite und die Zusammenarbeit erschwerende Vorurteile lassen sich bei allen am Rehabilitationsprozess Beteiligten ausmachen. Der Hausarzt oder auch der Facharzt (z. B. der Orthopäde oder Psychotherapeut) ist für Personen, die ein Heilverfahren anstreben, die erste Bezugsperson auf dem Weg zur Rehabilitation [7]. Sie entscheidet mit, ob ein Patient einen Rehabilitationsantrag stellt. Des Weiteren kann sie geeignete Informationen zur Vorbereitung einer möglichst effektiven Rehabilitationsmaßnahme an den Reha-Antragsteller weitergeben. Auch die Erstellung von Befundberichten, die für den jeweiligen Kostenträger die Grundlage für die Entscheidung über den Antrag auf Rehabilitation darstellen und den Rehabilitationsklinikern als Basis der Therapieplanung dienen, fällt in den Aufgabenbereich der niedergelassenen Ärzte. Obwohl die Mehrheit der niedergelassenen Ärzte eine generell positive Einstellung zur Rehabilitation hat, beklagen sie im Vorfeld der Rehabilitation den vermeintlich hohen Aufwand, den eine Rehabilitationsantragstellung für sie bedeutet [3], [18], und in diesem Zusammenhang auch die Intransparenz der Prozesse beim Kostenträger bezüglich des Bearbeitungsstands und des Ergebnisses des gestellten Antrags. Nach der Rehabilitation üben die Fachärzte oft Kritik an den wenig nachvollziehbaren Therapieempfehlungen oder Therapieumstellungen der Rehabilitationskliniken [4], [5].
Wechselseitige Kritik erschwert den Versorgungsablauf
Zu den Schnittstellenproblemen, die sich aus Sicht der anderen Beteiligten, der Kostenträger und Rehabilitationskliniker ergeben, wissen wir nur wenig. Die bislang vorliegenden Untersuchungen fokussieren hauptsächlich auf die Rolle des Hausarztes im Rehabilitationsprozess. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Kostenträger die Funktionen des niedergelassenen Arztes im Rehabilitationsgeschehen ebenso kritisch beurteilen. So wird den niedergelassenen Ärzten (speziell den Hausärzten) etwa eine mangelnde Befähigung zur Erkennung von Rehabilitationsbedarf, mangelndes Interesse an Konzept und Inhalten der Rehabilitation und fehlende Kooperationsbereitschaft attestiert. Rehabilitationskliniker auf der anderen Seite kritisieren vor allem die mangelnde Kooperation bezüglich der Befundberichte und die unzureichende Vorbereitung der Patienten auf die Rehabilitation.
Diese, in der Regel nicht direkt thematisierte, wechselseitige Kritik kann Störungen im Versorgungsablauf verursachen und nahtlose Übergänge ohne Reibungsverluste zwischen den unterschiedlichen Stationen des Systems (ambulante, rehabilitative und dann wieder ambulante Versorgung) verhindern. Auch die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure der Rehabilitationskette (niedergelassene Ärzte, Kostenträger, Rehabilitationskliniker und betroffene Patienten) wird durch diese „Sollbruchstellen“ erschwert [15]. Die Opfer sind vor allem die betroffenen Patienten, deren Versorgung durch diese Probleme nicht optimal gewährleistet ist. Sie erreichen die Rehabilitation zu spät oder gar nicht, sind schlecht aufgeklärt und nicht motiviert, was Adhärenzprobleme zur Folge haben kann [6]. Schließlich leidet eine ausreichende, einen längerfristig anhaltenden Rehabilitationserfolg gewährleistende Nachsorge darunter. Die Patienten sind jedoch nicht die einzigen Leidtragenden, auch den „Professionellen“ wird eine effektive und effiziente Arbeit schwieriger gemacht als nötig.
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Übersicht der aktuellen Schnittstellenprobleme
Die folgenden Daten erhoben die Autorinnen in einem vom Verein zur Förderung von Rehabilitation in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern e. V. (vffr) geförderten Projekt, welches im [Kasten „Projektbeschreibung“] kurz erwähnt ist. Trotz der Verortung der Befragten in den Systemen der orthopädischen und psychosomatischen Rehabilitation sind die erwähnten Probleme auch für andere Bereiche der rehabilitativen Versorgung, z. B. der Neurologie, relevant.
„Optimierung der Zusammenarbeit von Reha-Kostenträgern, Reha-Einrichtungen und ambulanter Versorgung“, Antragsteller: Dr. R. Deck, Prof. Dr. J.-M. Träder, Prof. Dr. M. Scherer
Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen die Barrieren einer effizienten und konfliktfreien Kooperation und Kommunikation in der Rehabilitationskette sowie deren Ursachen identifiziert und Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden. Ziel des Projekts ist die Etablierung neuer Begegnungs- und Kommunikationsformen zur Optimierung der Zusammenarbeit aller an der Rehabilitation Beteiligten.
Es wurden 10 leitfadengestützte Gruppengespräche zur getrennten Befragung von niedergelassenen Ärzten, Kostenträger-Vertretern, Rehabilitationsklinikern und Rehabilitanden durchgeführt. Diese wurden aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Es sind drei weitere interdisziplinäre Fokusgruppen zur Vorbereitung einer Abschlusskonferenz geplant. Probleme und Lösungsvorschläge werden synoptisch aufgearbeitet und in dieser institutionsübergreifenden Abschlusskonferenz vorgestellt, die Praktikabilität der potenziellen Lösungsansätze diskutiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet. Die institutionenübergreifende Problematisierung von Schnittstellenproblemen und die gemeinsame Erarbeitung von Handlungsstrategien sollen zu einer Optimierung der formalen Abläufe, einer Erhöhung der inhaltlichen Transparenz und einer Verstärkung des Austauschs zwischen allen Beteiligten an der Rehabilitationskette führen.
Schnittstellenprobleme stellen sich aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich dar. Dabei ist der Blick der Akteure oft durch ihre professionsbedingten bzw. institutionellen Werte- und Deutungsmuster gefärbt. Häufig sind die Beteiligten einer Schnittstelle versucht, dem jeweils anderen Beteiligten den „schwarzen Peter“ zuzuschieben. Umso wichtiger ist es, alle Mitglieder der Rehabilitationskette nach ihrer Sicht auf die gemeinsame Arbeit am Rehabilitationsprozess zu befragen. Der [Kasten „Auszug aus dem Gesprächsleitfaden“] zeigt als Beispiel für die Rehabilitationskliniker, wie relevante Fragen zu Schnittstellenproblemen aussehen können.
Beispiel: Rehabilitationskliniker
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Wie sieht Ihre persönliche Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten aus? Wie würden Sie diese Zusammenarbeit beurteilen? An welchen Stellen gibt es Probleme?
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Werden die Befunde bzw. bisherigen Behandlungen des niedergelassenen Arztes berücksichtigt? Wenn nein, warum nicht? Was hindert Sie daran?
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Kommunizieren Sie mit den niedergelassenen Ärzten über die Nachsorge für Ihre Rehabilitanden? Gibt es Schwierigkeiten bei der Kommunikation?
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Was müsste sich Ihrer Meinung nach verändern, damit die Probleme bezüglich der Fortführung der Behandlung/der Nachsorge durch die niedergelassenen Ärzte, die wir gerade diskutiert haben, weniger würden?
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Was könnten Sie sich vorstellen, selbst anders zu machen? Was müsste sich dafür ändern?
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Lassen Sie uns jetzt noch einen Blick auf die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern, also Rentenversicherung und Krankenkassen, werfen. Gibt es hier Probleme? Welche?
Blickwinkel der Rehabilitanden
Rehabilitanden haben kaum Probleme mit der für sie relevantesten direkten Schnittstelle, dem niedergelassenen Arzt. Hier funktioniert die Zusammenarbeit fast immer problemlos. In der Zusammenarbeit mit den Kostenträgern, also hauptsächlich den Rentenversicherungen und den gesetzlichen Krankenkassen, sowie den Rehabilitationskliniken zeichnet sich ein anderes Bild ab ([Tab. 1]). Im aktuellen Projekt werden von den Rehabilitanden etwa vor allem die langen Wartezeiten auf einen Platz in einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik, häufig in Kombination mit einer schließlich sehr kurzfristigen Einbestellung beklagt. Noch wichtiger als die Wartezeit an sich scheint jedoch der Umgang mit diesen Wartezeiten von Seiten der Kostenträger und Rehabilitationskliniken zu sein. Die (zukünftigen) Rehabilitanden erhalten aus ihrer Sicht nur wenig Auskunft über die Abläufe bezüglich der Aufnahme in die psychosomatische Klinik, z. B. der Dauer der voraussichtlichen Wartezeit, der Möglichkeiten eines Eilantrags und der notwendigen Eigenaktivitäten (z. B. Nachfragen in der bewilligten Klinik).
Im Vorfeld der Reha beklagen die Rehabilitanden die schlechte Erreichbarkeit der Ansprechpartner der Rentenversicherung; telefonische Kontaktaufnahme wird z. B. durch lange Warteschleifen, elektronische Kontaktaufnahme durch nicht zugängliche E-Mail-Adressen erschwert. Auch scheinen häufiger die Zuständigkeiten verschiedener Kostenträger (z. B. für die Nachsorge) aus Rehabilitandensicht nicht klar zu sein. Schon aus anderen Projekten sind die Kommunikationsprobleme mit den Kostenträgern bekannt, z. B. bei der Bescheidung zu geäußerten Klinikwünschen im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts [14].
Der Austausch von Unterlagen (z. B. Befunden und Entlassungsberichten) weist in den Augen der Rehabilitanden ebenfalls Defizite auf. Hier fallen den Betroffenen vor allem Mängel bei der Weitergabe von Befundberichten durch die niedergelassenen Ärzte an die Rehabilitationskliniken sowie der zeitliche Verzug bei der Übermittlung von Entlassungsberichten der Rehabilitationskliniken an die niedergelassenen Ärzte auf.
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Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte
Auch die niedergelassenen Ärzte berichten keine Probleme in der Zusammenarbeit mit ihren Patienten, die eine Rehabilitation in Anspruch nehmen möchten. Aus ihrer Sicht zeigen sich die Probleme ebenfalls vor allem an den Schnittstellen zu den Kostenträgern und Rehabilitationsklinike(r)n ([Tab. 2]). Die niedergelassenen Ärzte berichten in der Zusammenarbeit mit den Kostenträgern vor allem über Probleme, die sich unter die Kategorien „Bürokratie bzw. Formularwut“, Schwierigkeiten/Intransparenz bei der Antragstellung und Bewilligung sowie nicht zumutbare Belastungen subsumieren lassen. Oftmals resultieren diese Probleme, besonders die subjektiv empfundene Intransparenz bezüglich Bewilligungs- bzw. Ablehnungskriterien, in dem Gefühl, dass die geleistete Arbeit hinsichtlich der Antragstellung nur sehr geringe Wertschätzung erfährt.
Bezüglich der Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsklinike(r)n gibt es aus Sicht der niedergelassenen Ärzte vor allem Mängel in der Vernetzung. Ein systematischer Austausch über die Patienten fände nicht statt, weder im Vorfeld noch im Nachgang der Rehabilitation. Darüber hinaus geben die niedergelassenen Ärzte aber auch z. T. zu, dass ihnen selbst Informationen dazu fehlen, welche Patienten wirklich für die Rehabilitation geeignet sind und davon am meisten profitieren könnten (was auch von den Kostenträger-Vertretern als Defizit bei den niedergelassenen Ärzten wahrgenommen wird). Sowohl Rehabilitationskliniker als auch niedergelassene Ärzte betonen, dass es aufgrund der großen Einzugsgebiete der Kliniken keinen regelmäßigen Kontakt zwischen ihren Gruppen gäbe. Die niedergelassenen Ärzte halten außerdem die hohe personelle Fluktuation in den Kliniken für problematisch.
An den Rehabilitationsentlassungsberichten beklagen die niedergelassenen Ärzte vor allem die Länge und die „Text-Bausteinitis“. Umstände, die auch die Rehabilitationskliniker selbst an den Pranger stellen. Zuweilen seien auch die Angaben in den Entlassungsberichten, vor allem zu den durchgeführten Therapien, nicht konsistent mit dem, was die Rehabilitanden nach der Reha-Maßnahme berichten.
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Wahrnehmung der Kostenträger-Vertreter
An der Schnittstelle Rehabilitationsantragsteller – Kostenträger wurden kaum Probleme benannt. Lediglich die Selbstauskunftsbögen seien oftmals nicht sorgfältig ausgefüllt, was die Arbeit des Medizinischen Diensts erschwere. Kostenträger beklagen allerdings ihrerseits Probleme mit niedergelassenen Ärzten und Rehabilitationsklinike(r)n. [Tab. 3] zeigt eine Übersicht der Nennungen ([Tab. 3]). Bei der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten entstehen Probleme vor allem dort, wo der niedergelassene Arzt nur über ein mangelndes Wissen über Rehabilitations- und Vorsorge-Indikationen verfüge und Rehabilitationsbedarf nicht rechtzeitig oder zu spät erkenne. Hinsichtlich der psychosomatischen Indikationen treten Schwierigkeiten auf, wenn Rehabilitationsmaßnahmen beantragt werden, obwohl keine Einbindung in eine ambulante psychologische oder psychiatrische Betreuung vorhanden ist. Ein weiteres Problemfeld stellen hier „F“-Diagnosen (nach ICD 10) dar, die bei Patienten mit primär somatischen Störungen an die Stelle der Erstindikation rutschen und somit zu Fehlzuweisungen in psychosomatische Rehabilitationskliniken führen. Lange Wartezeiten auf psychosomatische Rehabilitationsplätze kämen u. a. auch durch solche Problemkonstellationen bzw. Fehlzuweisungen zustande.
Aus Sicht der Krankenkassenvertreter stellt der Fakt, dass die Rehabilitations-Entlassungsberichte seit der Entscheidung des GBA nicht mehr direkt an sie weitergeleitet werden, ein Hindernis für die kontinuierliche Versorgung der Patienten im Rehabilitationsprozess dar. Der niedergelassene Arzt könne nicht als alleiniger Ansprechpartner und Organisator für die Nachsorge dienen. Wenn von der Rehabilitationsklinik Empfehlungen zur Weiterbehandlung, wie z. B. Ernährungsberatung, gegeben werden, so müsse die Krankenkasse davon erfahren, um geeignete Schritte einzuleiten bzw. eine zweckmäßige Beratung durchführen zu können.
Die Zuweisung von Patienten zur Rehabilitation laufe oft aufgrund der kurzen (vom Gesetzgeber vorgegebenen) Bearbeitungsfristen nicht optimal ab. Wenn es an Unterlagen von den niedergelassenen Ärzten fehle, kämen schon einmal nichtrehabilitationsfähige bzw. -bedürftige Patienten in die Rehabilitation. Des Weiteren kann der Medizinische Dienst die Rehabilitationskliniken nicht immer mit vollständigen Unterlagen ausstatten, da die engen Bearbeitungsfristen eine umfassende Diagnostik von Gesundheitsstörungen nicht zuließen. Dieser Mangel wurde auch von den Rehabilitationsklinikern benannt, denen die fachgerechte Aufnahme und Therapieplanung dadurch erschwert wird.
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Aus Sicht der Rehabilitationskliniker
Die Rehabilitationskliniker berichten bezüglich der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten vor allem Probleme, die sich unter den Kategorien Bürokratie, Kommunikationsdefizite, reharelevante Vorarbeiten und Nachsorge subsumieren lassen. Oft scheitert eine reibungslose Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten daran, dass zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um (vor allem) telefonische Kontaktpflege zu betreiben. Gründe dafür sind zum einen, wie oben erwähnt, die großen Einzugsgebiete der Kliniken und damit die große Zahl der potenziellen Kontaktpartner sowie zum anderen die schlechte telefonische Erreichbarkeit der Hausärzte. Die Kommunikation zwischen Rehabilitationsklinik und niedergelassenen Ärzten erfolgt meist „ausschließlich per Brief“. Viele Probleme bestehen aufgrund der bürokratischen Zwänge, die den Rehabilitationsprozess beherrschen. Von den Entlassungsberichten, die die Rehabilitationskliniker aufgrund der Qualitätssicherungsanforderungen sehr ausführlich verfassen, würde der niedergelassene Arzt nur wenige, für ihn relevante Teile (z. B. Empfehlungen) rezipieren. Wichtige Informationen, wie z. B. Begründungen für Therapieumstellungen, werden dabei manchmal übersehen. Die vom Hausarzt oftmals nur unzureichend gelieferten Befunde oder Dokumentationen über erfolgte Behandlungen und die aktuelle Medikation sind Folge der aufwendig auszufüllenden Formulare. Diese Formulare bieten offensichtlich weder genug Raum noch passenden Anlass, die Vorbehandlung des Patienten ausführlich zu erläutern. Fehlende Daten und Informationen werden andererseits von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen und Rentenversicherungen auch nicht in ausreichendem Maß im Antragsprozess korrigiert bzw. ergänzt.
Die Rehabilitationskliniker sehen die niedergelassenen Ärzte (noch) nicht zwingend als Ansprechpartner (des Patienten) für die Nachsorge an. Entsprechende Empfehlungen für die Zeit nach der Rehabilitation werden den Rehabilitanden von den Rehabilitationsklinikern verordnet bzw. nahegelegt. Im Fall der ambulanten psychosomatischen Weiterbehandlung wird versucht, diese, falls notwendig, anzubahnen. Über diesen Prozess wird der niedergelassene Arzt lediglich im Entlassungsbericht informiert, aber nicht in ihn eingebunden. Die Rehabilitationskliniker und Kostenträger-Vertreter befürworten dieses Vorgehen zum Teil sogar. Es wird kein Bedarf an einer engeren Einbindung des niedergelassenen Arztes in diesen Prozess gesehen.
… niedergelassenen Ärzten |
… Kostenträgern |
Tabelle modifiziert nach Pohontsch & Deck [13] |
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Bedeutung der Schnittstellenproblematik für die rehabilitative Versorgung
Die aufgeführten Schnittstellenprobleme haben unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Mitglieder der Rehabilitationskette und den Rehabilitationsprozess. Während für die Rehabilitanden vermutet werden muss, dass diese Problematiken vor allem Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Reha-Maßnahme und den Rehabilitationserfolg haben, bedeuten für die niedergelassenen Ärzte und Rehabilitationskliniker Schnittstellenprobleme eher zusätzliche Belastungen und Frustrationsquellen. Den Kostenträgern entstehen hauptsächlich unnötige Kosten.
Unzufriedenheit mit den Abläufen
Bei den psychosomatischen Rehabilitanden stellen vor allem die langen Wartezeiten auf die Aufnahme in der Rehabilitationsklinik einen starken Belastungsfaktor dar. Die resultierende Behandlungslücke ist unter dem Aspekt, dass häufig psychosomatische Rehabilitationsmaßnahmen beantragt werden, ohne dass die Betroffenen in eine ambulante psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung eingebunden sind, als besonders kritisch zu beurteilen. Neben dem Problem der mangelnden Kontinuität der Behandlung entstehen für diese Rehabilitanden auch oft Schwierigkeiten im Bereich der Entgeltfortzahlung bzw. durch lange Fehlzeiten auch Probleme mit dem Arbeitgeber. Im Vorfeld der Rehabilitation stellt die, im Anschluss an lange Wartezeiten zum Teil sehr kurzfristige Einbestellung in die Klinik für psychosomatische Rehabilitanden oft einen destabilisierenden Faktor dar. Neben ihren psychischen Beeinträchtigungen fühlen sie sich zusätzlich durch den erforderlichen, subjektiv als hoch empfundenen Organisationsaufwand in kurzer Zeit belastet. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Aspekte einen eher abträglichen Einfluss auf den Rehabilitationserfolg haben.
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Erhöhte Belastung im Arbeitsalltag
Unklare Zuständigkeiten und die schlechte Erreichbarkeit von Ansprechpartnern der Rentenversicherung führen zu Verzögerungen in den formalen Abläufen und erschweren den Austausch von Unterlagen bzw. Informationen. Aus diesen Verzögerungen heraus resultieren auch für die Rehabilitationskliniker Erschwernisse für ihre Arbeit, z. B. durch Verzögerung der Therapieplanung und Behandlung der Rehabilitanden. Die mangelnde Aufklärung der Rehabilitanden über die Zuständigkeiten der Kostenträger im Bereich der Nachsorge führen zu unnötigen Eigenleistungen der Rehabilitanden („Selbstzahler“-Nachsorge) oder zur Nichtinanspruchnahme existierender Angebote. Hinzu kommt, dass durch die Nichteinbindung der niedergelassenen Ärzte als Beratungs- und Kontrollinstanz für die Nachsorge wichtige vorhandene Ressourcen zur Festigung und Verstetigung des Rehabilitationserfolgs nicht genutzt werden.
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Zuweisungsprobleme und Zuweisungsfehler
Die unzureichende Informiertheit niedergelassener Ärzte (hier wahrscheinlich vor allem der Hausärzte) führt immer wieder dazu, dass die falschen Patienten in die Rehabilitation gelangen und solche, die eine Rehabilitation nötig hätten, zu spät oder gar nicht an Reha-Maßnahmen teilnehmen. Ohne Aufklärung bleiben eventuelle Vorurteile gegen die Rehabilitation und damit auch die „Zuweisungsprobleme“ weiter bestehen. Das Gefühl, keine Kontrolle über die Prozesse (vor allem die Bewilligung oder Ablehnung) des Rehabilitationsantrags zu haben, führt zusammen mit dem Gefühl der geringen Wertschätzung der ärztlichen Expertise zur Frustration und mangelnden Motivation der niedergelassenen Ärzte, sich mit der Materie zu beschäftigen. Den Kostenträgern wiederum entstehen durch zu späte, falsche oder gar nicht erfolgte Rehabilitationsanträge hauptsächlich Kosten. Diese Kosten können durch fehldiagnostizierte oder in den falschen Kliniken durchgeführte Maßnahmen oder schlimmstenfalls durch frühzeitige Berentungen der Betroffenen aufgrund zu spät oder gar nicht initiierter Maßnahmen entstehen.
Fehlzuweisungen durch den Kostenträger, die durch mangelnde Unterlagen vom niedergelassenen Arzt und zu kurze Fristen zur Behebung dieses Mangels entstehen, stellen sowohl für den betroffenen Patienten als auch für den Kostenträger und die Rehabilitationskliniker ein Problem dar. Der betroffene Patient erfährt nicht die richtige Therapie am richtigen Ort, während dem Kostenträger auch hier unnötige, vermeidbare Kosten entstehen. Den Rehabilitationsklinikern fehlen notwendige Unterlagen zur Therapieplanung und ggf. die Expertise, den Rehabilitanden richtig zu behandeln.
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Entlassungsbriefe gleichen einem Labyrinth
Unter den ausführlichen Entlassungsbriefen, deren Länge auch den Qualitätssicherungsanforderungen geschuldet ist, leiden sowohl die Verfasser (die Rehabilitationskliniker) als auch die Leser (niedergelassene Hausärzte und Rehabilitanden). Den Rehabilitationsklinikern geht wertvolle Zeit für die Rehabilitanden verloren, während sich die niedergelassenen Ärzte durch ein Labyrinth von Informationen kämpfen müssen. Relevante Informationen zu Gründen von Therapieumstellungen oder notwendigen Weiterbehandlungen sind unsystematisch über die Entlassungsbriefe verteilt und laufen so auch Gefahr, vom weiterbehandelnden Arzt nicht rezipiert zu werden.
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Lösungsmöglichkeiten
Schnittstellen zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen, unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern oder sektoralen Zuständigkeiten erschweren komplexe patientenorientierte Behandlungspfade und insbesondere auch die der medizinischen Rehabilitation. Die demografische Entwicklung und die Zunahme an chronischen Erkrankungen erfordert eine Abkehr von einer Orientierung an Sektoren und Kostenträgern. Eine erfolgreiche medizinische Rehabilitation muss sich sektorenübergreifend an den Patienten mit ihren individuellen Krankheitsverläufen orientieren. Erfolgversprechende Ansätze liefern z. B. Modelle der integrierten Versorgung und Managed Care [9], [10]. Lösungen auf Systemebene sind allerdings nicht einfach und nicht schnell zu realisieren. Als kurzfristig gangbarer Weg bietet sich zunächst der Ausbau einer interdisziplinären Kommunikationskultur an.
Das vorhandene Potenzial für diese interdisziplinäre Kommunikationskultur und ein gemeinschaftliches Arbeitsbündnis aller Akteure der Rehabilitationskette soll in diesem Projekt aus Sicht aller Beteiligten abgewogen werden. Für die Schaffung eines Common Grounds wird die Entwicklung und Implementation neuer Begegnungs- und Kommunikationsformen entscheidend sein. Kolloquien und ärztliche Qualitätszirkel könnten eine Begegnungsform für Rehabilitationskliniker und niedergelassene Ärzte darstellen. Auf Fortbildungsveranstaltungen für niedergelassene Ärzte könnten regelmäßig Vertreter der Rehabilitationsmedizin bzw. der Kostenträger (z. B. des Medizinischen Dienstes) zu Expertenvorträgen eingeladen werden. Niedergelassenen Ärzten sollte der Zugang zu rehabilitationsinternen Veranstaltungen ermöglicht und deren Besuch durch die Vergabe von Fortbildungspunkten gefördert werden.
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt ist die Einbindung der Betroffenen selbst. Patientenorientierung und partizipative Entscheidungsfindung (Shared Decision-Making) unterstützen den informierten und eigenverantwortlichen Umgang mit Krankheit, Therapie und (Selbst-)Management der gesundheitsbezogenen Versorgung [8]. Informierte Rehabilitanden, die mit ihrer individuellen Perspektive in die aktive Ausgestaltung der Versorgung einbezogen werden, können wesentlich zu Verbesserungen in der gesundheitlichen Versorgung beitragen. Die Ausgestaltung und Auswahl der jeweiligen Begegnungs- und Kommunikationsformen der verschiedenen Akteure in der Rehabilitation unter Einbezug der Betroffenen soll ein wesentliches Produkt unserer Forschungsarbeit sein.
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Schlussbemerkung
Aufgrund der sektoralen Einteilung von Versorgungsstrukturen und der arbeitsteiligen, größer werdenden Spezialisierung stellt die Überwindung von Schnittstellen eine enorme Herausforderung dar. Sie sollte gelingen, wenn die verschiedenen Akteure unvoreingenommen aufeinander zugehen, Kompetenzen teilen, statt abzugrenzen, und auch bereit sind, ungewöhnliche Wege zu gehen. Die Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten, ist da!
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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