Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(09): 447
DOI: 10.1055/s-0031-1298886
Korrespondenz | Correspondence
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Non-Compaction-Kardiomyopathie

Non-compaction-cardiomyopathy
J. Finsterer
1   Danube University Krems, Krems
,
C. Stöllberger
2   2nd Medical Department, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Vienna, Austria
› Author Affiliations
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Publication Date:
21 February 2012 (online)

Zum Beitrag aus DMW 16/2011

Mit großem Interesse haben wir den Fallbericht von Professor Hermann über einen Patienten mit linksventrikulärer Hypertrabekulierung/Noncompaction (LVHT) und Verkürzung des rechten Armes und rechten Beines sowie Syndaktylie gelesen [2]. Folgende Anmerkungen drängen sich zu diesem Fall auf:

Bei dem Patienten wird eine Muskelatrophie und Verkürzung des rechten Armes und des rechten Beines beschrieben und eine beidseitige Hörstörung, die eine Versorgung mit Hörhilfen notwendig machte. Gleichzeitig wird die klinisch neurologische Untersuchung als normal beschrieben. Dieser Widerspruch bedarf einer Erklärung.

Der Autor berichtet auch über eine Erhöhung der Kreatinkinase (CK) auf 413 U/l. Wurde dieser Wert kurz nach Implantation des ICD-CRT-Systems erhoben? Wurde dieser Wert kontrolliert? Wurden wiederholt erhöhte CK-Werte bei diesem Patienten gemessen? Wie ist dieser erhöhte Wert zu erklären?

Wurde der Neurostatus von einem Neurologen erhoben? Bestand im Bereich der Atrophien auch eine Parese? Waren die Muskeleigenreflexe gesteigert oder abgeschwächt? War der Muskeltonus rechts erhöht oder erniedrigt? Wurden unwillkürliche Bewegungen der Muskulatur beobachtet? Hat der Patient über Muskelkrämpfe oder Muskelkater berichtet? Wurde die CK-Erhöhung mittels Elektromyographie weiter abgeklärt? War die Familienanamnese bezüglich neuromuskulären Erkrankungen positiv? Wurden muskuläre Auffälligkeiten klinisch oder instrumentell auch bei anderen Familienmitgliedern gefunden?

Eine Trichterbrust wurde wiederholt bei Muskelerkrankungen wie der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie, die asymmetrisch verläuft [5] [7] [9], der kongenitalen Muskeldystrophie Fukuyama, die mit einer Hörstörung einhergehen kann [10], der kongenitalen myotubulären Myopathie [3] [8], oder der Arthrogryposis multiplex congenita [6] beschrieben. Wurden diese Muskelerkrankungen differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen?

Wie erklärt sich der Autor die Leistungsminderung? Wird dafür nur eine kardiale Ursache ins Treffen geführt oder kommt auch eine muskuläre Komponente in Frage? Ist die Leistungsminderung plötzlich aufgetreten? Hat sie sich nach kardialer Therapie zurückgebildet? Besteht sie weiterhin?

Hörstörung bei einem 49-jährigen Patienten ist eher ungewöhnlich. Lässt sich diese mit rezidivierenden Schalltraumata erklären oder gibt es dafür eine genetische Komponente? Hörstörung wurde auch bei einigen Muskelerkrankungen beschrieben [10]. Wurde dieser Zusammenhang in Betracht gezogen?

Die Feststellung, dass LVHT bisher nicht mit Dysmorphien des muskuloskelettalen Systems beschrieben wurde muss relativiert werden. LVHT wurde beispielsweise beim Roifmann-Syndrom beschrieben das unter anderem auch mit spondyloepiphysealer Dysplasia einhergeht [4]. Die chromosomale Aberration, die am häufigsten mit LVHT assoziiert ist das 1p36-Deletions-Syndrom. Auch dieses Syndrom ist durch Dysmorphien wie Microbrachycephalie, Brachydactylie, Camptodactylie oder kurze Füße charakterisiert [1]. Wurden diese Differenzialdiagnosen ausgeschlossen? LVHT wurde wiederholt bei chromosomalen Aberrationen beschrieben [1]. Wurde eine Chromosomenanalyse durchgeführt?

Im Gegensatz zu den Kriterien nach denen LVHT echokardiographisch diagnostiziert wird, sind die Kriterien für das kardiale MRI viel weniger präzise formuliert. Darüber hinaus kann LVHT auch im MRI übersehen werden oder echokardiographisch besser dargestellt werden. Bezüglich dem Arrhythmie-Risiko sollten keinesfalls alle Patienten mit LVHT automatisch einen ICD erhalten. Nur wenn die entsprechenden AHA-Kriterien erfüllt sind, sollte diese therapeutische Maßnahme erwogen werden. Die LVHT des beschriebenen Patienten ist im Lichte der Koronar-Anomalien keinesfalls als „isoliert“ zu betrachten.

Der Fall ist ausführlich und kompetent präsentiert, dennoch sollten noch einige offenen Fragen beantwortet werden und Ergänzungen vorgenommen werden. Insbesondere sollte geklärt werden ob es sich bei dem zu Grunde liegenden Syndrom um eine chromosomale Störung, eine primäre neuromuskuläre Erkrankung oder um beides handelt.

 
  • Literatur

  • 1 Battaglia A, Shaffer LG. 1p36 Deletion Syndrome. 2008 Feb 1 In: Pagon RA, Bird TD, Dolan CR, Stephens K, editors. GeneReviews [Internet]. Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993. Available from http://www.ncbi.nlm.nih.gov/bookshelf/br.fcgi?book=gene&part=del1p36
  • 2 Hermann HP. Non-Compaction-Kardiomyopathie. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 820-824
  • 3 Hung FC, Huang SC, Jong YJ. Neonatal myotubular myopathy with respiratory distress: report of a case. J Formos Med Assoc 1991; 90: 844-847
  • 4 Mandel K, Grunebaum E, Benson L. Noncompaction of the myocardium associated with Roifman syndrome. Cardiol Young 2001; 11: 240-243
  • 5 Nakayama T, Komiya T, Tyou E et al. Cardiac deformity and dysfunction in facioscapulohumeral dystrophy – electrocardiogram, ECG gate cardiac MRI studies. Rinsho Shinkeigaku 1999; 39: 610-614
  • 6 Rosenmann A, Arad I. Arthrogryposis multiplex congenita: neurogenic type with autosomal recessive inheritance. J Med Genet 1974; 11: 91-94
  • 7 Shigeto H, Tamura T, Oya Y et al. Facioscapulohumeral muscular dystrophy with sinus dysfunction. Rinsho Shinkeigaku 2002; 42: 881-884
  • 8 Tsai CH, Huang WS, Tsai FJ et al. X-linked recessive myotubular myopathy proven by muscle biopsy. J Formos Med Assoc 1996; 95: 153-156
  • 9 Wohlgemuth M, van der Kooi EL, van Kesteren RG et al. Ventilatory support in facioscapulohumeral muscular dystrophy. Neurology 2004; 63: 176-178
  • 10 Yamada H, Komiyama A, Suzuki Y et al. A case of non-Fukuyama type congenital muscular dystrophy with progression in early adulthood, ocular involvement, and sensorineural deafness. Rinsho Shinkeigaku 1993; 33: 405-410