Der Klinikarzt 2011; 40(12): 591
DOI: 10.1055/s-0031-1299641
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ticagrelor in ESC-Leitlinien empfohlen – Signifikante Vorteile für neuen Plättchenaggregationshemmer

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Publication Date:
27 December 2011 (online)

 

Die koronare Herzkrankheit ist weltweit [ 1 ] sowie in Deutschland [2] die häufigste Todesursache. Jährlich werden in deutschen Krankenhäusern 400 000 Patienten wegen des akuten Koronarsyndroms (ACS) behandelt: etwa 80 Prozent nach einem Herzinfarkt und 20 Prozent mit einer instabilen Angina Pectoris [ 3 ]. Nach einem ersten Herzinfarkt ist das Risiko für einen weiteren und potenziell tödlichen Anfall sehr hoch. Die duale Plättchenhemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel ist die bisherige antithrombotische Standardtherapie bei ACS-Patienten. Wie Studiendaten zeigen kann die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse mit dem neuen Plättchenaggregationshemmer Ticagrelor (Brilique™) noch effektiver gesenkt werden als mit Clopidogrel [ 4 ], was sich auch in den neuen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) widerspiegelt [ 5 ], [ 6 ]. Anfang Oktober erkannte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) für Ticagrelor einen beträchtlichen Zusatznutzen in der Indikation NSTE-ACS an.

PLATO-Studie mit überzeugenden Ergebnissen

Grundlage dieser Bewertungen ist die Studie PLATO (Platelet Inhibition and Patient Outcome Study) mit über 18 600 ACS-Patienten mit instabiler Angina pectoris (IAP), Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt (NSTEMI) oder STEMI (ST-Strecken-hebungsinfarkt) [ 4 ]. Die Patienten erhielten zusätzlich zu ASS eine Standardtherapie mit Clopidogrel (initial 300–600 mg, dann 75 mg einmal täglich) oder Ticagrelor (180 mg loading dose, anschließend 90 mg zweimal täglich).

Wie Prof. Hugo Katus, Heidelberg, im Rahmen eines Symposiums in Düsseldorf am 7. Oktober 2011 ausführte, überzeugten die Ergebnisse von PLATO. Der kombinierte primäre Endpunkt nach 12 Monaten Therapie – kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall – trat bei 9,8 % der Patienten in der Ticagrelor- und bei 11,7 % in der Clopidogrel-Gruppe auf. Dies bedeutet eine 16 %ige relative Risikoreduktion zugunsten von Ticagrelor. Auch bei den sekundären Endpunkten zeigten sich Vorteile für Ticagrelor: die Herzinfarktrate lag unter Ticagrelor niedriger als unter Clopidogrel (5,8 vs. 6,9 % = 16 %ige relative Risikoreduktion) ebenso wie die kardiovaskuläre Sterblichkeit (4,0 vs. 5,1 % = 21 %ige relative Risikoreduktion) [ 4 ].

Wie Katus weiter erläuterte, zeigte sich der Nutzen der Behandlung mit Ticagrelor noch 12 Monate nach dem akuten Ereignis. Bereits 30 Tage nach Beginn der Therapie ergaben sich Wirksamkeitsvorteile gegenüber Clopidogrel, die im Verlauf der Studie weiter zunahmen [ 4 ].

Beim primären Sicherheitsendpunkt, der Gesamtrate schwerer Blutungen, wurden keine signifikanten Unterschiede beobachtet (Ticagrelor 11,6 % vs. Clopidogrel 11,2 %). Mit Ticagrelor behandelte Patienten hatten häufiger leichte Blutungen wie Nasenbluten sowie Hämatome und zeigten ein erhöhtes Risiko für schwere Blutungen, die nicht auf eine koronare Bypass-Operation zurückzuführen waren. Zu den Nebenwirkungen von Ticagrelor gehören Dyspnoe und bradykarde Ereignisse [ 4 ].


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Empfehlung der ESC-Leitlinien

Der P2Y12 Inhibitor Ticagrelor hat auch in den neuen NSTE-ACS-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) eine Klasse I und Evidenzgrad B Empfehlung erhalten, sagte Prof. Christian Hamm, Bad Nauheim [ 6 ]. Darin heißt es, dass Ticagrelor (180 mg Initialdosis, 90 mg zweimal täglich) für alle Patienten mit mittlerem bis hohem Risiko für ischämische Ereignisse geeignet ist, unabhängig von der initialen Behandlungsstrategie. Dies gilt auch für Patienten, die mit Clopidogrel vorbehandelt wurden. In den Leitlinien wird die Therapie mit Clopidogrel zur dualen Plättchenhemmung mit ASS nur noch dann empfohlen, wenn für Ticagrelor oder Prasugrel Kontraindikationen bestehen.

Bei Ticagrelor handelt es sich um den ersten Wirkstoff der neuen chemischen Klasse der Cyclo-Pentyl-Triazolo-Pyrimidine [ 7 ]. Ticagrelor wirkt auf den P2Y12 ADP-Rezeptor und unterbindet die ADP-vermittelte Thrombozytenaktivierung und -aggregation [ 8 ].

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Abb. 1 In der PLATO-Studie trat der kombinierte primäre Endpunkt – kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall – bei 9,8 % der Patienten in der Ticagrelor- und bei 11,7 % in der Clopidogrel-Gruppe auf.

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Erste frühe Nutzenbewertung

Mit dem Bericht zu Ticagrelor hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Oktober das erste Gutachten zur frühen Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) veröffentlicht. Aus dem vom IQWiG erstellten Gutachten geht hervor, dass die Behandlung mit Ticagrelor einen beträchtlichen Zusatznutzen für Patienten mit Herzinfarkt ohne ST-Streckenhebung (NSTEMI) und für solche mit instabiler Angina pectoris (NSTE-ACS) hat. Dies betrifft nach Daten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) etwa 3/4 und damit die überwiegende Mehrheit der Patienten mit ACS [ 9 ].

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt

Quelle: Symposium "Was Sie schon immer über das ACS wissen wollten – aber bisher nicht zu fragen wagten!" am 7. Oktober 2011 in Düsseldorf. Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch AstraZeneca.


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Abb. 1 In der PLATO-Studie trat der kombinierte primäre Endpunkt – kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall – bei 9,8 % der Patienten in der Ticagrelor- und bei 11,7 % in der Clopidogrel-Gruppe auf.