Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2011; 7(04): 182-183
DOI: 10.1055/s-0031-1300979
Aktuell diskutiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme – Früherkennung und frühe Behandlung sind entscheidend für die Senkung der Brustkrebssterblichkeit

Cornelis Biesheuvel
1   Referenzzentrum Mammographie am Universitätsklinikum Münster
,
Hans-Werner Hense
2   Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität
,
Stefanie Weigel
1   Referenzzentrum Mammographie am Universitätsklinikum Münster
3   Institut für Klinische Radiologie des Universitätsklinikums Münster
,
Walter Heindel
1   Referenzzentrum Mammographie am Universitätsklinikum Münster
3   Institut für Klinische Radiologie des Universitätsklinikums Münster
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Publication Date:
03 January 2012 (online)

Ergebnisse von randomisiert kontrollierten Studien zeigen eindeutig, dass das Mammografie-Screening die Brustkrebsmortalität in der Zielbevölkerung um etwa 25 %–30 % senken kann.

Prospektive Studien aus Routine-Screening-Programmen bestätigen diese Ergebnisse [ 1 ]-[ 3 ]. Durch ein bevölkerungsbezogenes und qualitätsgesichertes Brustkrebs-Früherkennungsprogramm werden sehr kleine Karzinome erkannt, bevor sie tastbar sind oder andere Symptome hervorrufen. In der Folge verbessern sich durch eine entsprechend frühe Behandlung die Heilungschancen für betroffene Frauen erheblich. Auf der Grundlage einer gründlichen wissenschaftlichen Abwägung empfehlen die Europäische Kommission, die International Agency of Research on Cancer und die US Preventive Services Task Force das reguläre Screening für Frauen im Alter von 50–69 (oder sogar bis 74) Jahren (4-6).

Andererseits gibt es eine seit vielen Jahren eine bestehende Diskussion über Qualität und Güte der vorhandenen wissenschaftlichen Evidenz, auf die die Empfehlungen beruhen [ 7 ], [ 8 ]. Zwei kürzlich veröffentlichten Studien von Kalager et al. und Autier et al. stellen nun die Auswirkung des Mammografie-Screenings auf die brustkrebsbedingte Sterblichkeit erneut in Frage [ 9 ], [ 10 ].

Kalager et al. haben in ihrer Studie versucht, die Daten des norwegischen Mammografie-Screening-Programms auf die Effekte des Screenings, Fortschritte in der Brustkrebsbehandlung und auf die Brustkrebssterblichkeit hin auszuwerten. In Norwegen wurde das Screening-Programm von 1996 bis 2005 schrittweise eingeführt. Seitdem werden alle Frauen im Alter von 50–69 Jahren im 2-Jahres-Intervall zum Screening eingeladen. Um die kombinierten Effekte des Screenings und der verbesserten Therapie, aber auch anderer möglicher Einflüsse wie z. B. dem gestiegenen Bewusstsein, beurteilen zu können, haben Kalager et al. die verschiedenen Screening-Gruppen untersucht. Dabei verglichen sie die Brustkrebsmortalität aus einer Screening-Gruppe bestehend aus Frauen, die im Zeitraum von 1996–2005 beteiligt waren und einer Prä-Screening-Gruppe, bestehend aus Frauen der gleichen Region im Screening-Alter, aber in einem anderen Zeitraum am Screening teilnahmen(1986-1995). Zur Beurteilung der alleinigen Auswirkung von verbesserter Therapie / verändertem Bewusstsein wurde eine Nicht-Screening-Gruppe, bestehend aus Frauen im Screening-Alter, die jedoch (noch) nicht zum Screening eingeladen wurden (von 1996–2005) mit einer Prä-Nicht-Screening-Gruppe, bestehend aus Frauen im Screening-Alter der gleichen Regionen wie die Nicht-Screening-Gruppe, jedoch aus einem anderen Zeitraum (1986–1995) verglichen. Die Autoren berichten, dass die Brustkrebsmortalität in der Screening-Gruppe um 7,2 Todesfälle pro 100 000 Lebensjahre niedriger war als in der Prä-Screening-Gruppe, während die entsprechende Differenz beim Vergleich der Nicht-Screening-Gruppe mit der Prä-Nicht-Screening-Gruppe 4,8 Todesfälle pro 100 000 Lebensjahre betrug. Daraus schlossen sie, dass der Überschuss in der Brustkrebsmortalitätsreduktion von 2,4 Todesfällen pro 100 000 Lebensjahre einer Screening-Wirkung zuzuweisen sei, was etwa einem Drittel der Gesamtreduktion der Brustkrebsmortalität entspräche.

Verschiedene Faktoren haben die Analyse dabei beeinflusst. So ist eine durchschnittliche Beobachtungszeit nach Inzidenz der Brustkrebsfälle von 2,2 Jahren zu kurz, um damit Mortalitätseffekte zu evaluieren (in randomisierten Studien war ein Zeitraum von mehr als 4 Jahren notwendig, um ein Einsetzen der Mortalitätseffekte nachzuweisen). Des Weiteren offenbart die Tabelle 1 der Anlage erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen bezüglich des Mortalitätsrisikos und der Lebensjahre. Eine einzige Region lieferte mehr als 80 % aller Brustkrebstodesfälle und mehr als 60 % der absoluten Lebensjahre in den Screening-Gruppen. In der Nicht-Screening-Gruppe waren Mortalität und Lebensjahre der beteiligten Regionen deutlich ausgewogener. Die methodischen Ausführungen berücksichtigen dieses Ungleichgewicht nicht. Ferner sind auch nach Erreichen des Alters von 69 Jahren positive Effekte des Screenings zu erwarten, die aber nicht berücksichtigt werden.

Kalager et al. gehen davon aus, dass ein Drittel der beobachteten Brustkrebsmortalitätsreduktion (entspricht einer absoluten Reduktion von 10 %) den Effekten des Mammografie-Screenings zuzuschreiben ist. Wir würden aber vermuten, dass der tatsächliche Nutzen des Screenings wahrscheinlich höher anzusiedeln ist, da die angewandten Untersuchungsmethoden tendenziell zu einer Abschwächung der Resultate geführt haben dürften.

 
  • Literatur

  • 1 Tabar L, Vitak B, Chen TH, Yen AM, Cohen A, Tot T et al. Swedish two-county trial: impact of mammographic screening on breast cancer mortality during 3 decades. Radiology 09/2011; 260 (Suppl. 03) 658-663
  • 2 Otto SJ, Fracheboud J, Looman CW, Broeders MJ, Boer R, Hendriks JH et al. Initiation of population-based mammography screening in Dutch municipalities and effect on breast-cancer mortality: a systematic review. Lancet 26.04.2003; 361 (Suppl. 9367) 1411-7
  • 3 Schopper D, de Wolf C. How effective are breast cancer screening programmes by mammography? Review of the current evidence. Eur J Cancer 07/2009; 45 (Suppl. 11) 1916-1923
  • 4 Council of the European Commission. Council Recommendation on Cancer Screening. Official Journal of the European Union 2003; (2003/0093).
  • 5 IARC Working Group on the Evaluation of Cancer Preventive Strategies. IARC Handbook of Cancer Prevention. 2007. 7.
  • 6 US Preventive Services Task Force. Screening for breast cancer: U.S. Preventive Services Task Force recommendation statement. Ann Intern Med 17.11.2009; 151 (Suppl. 10) 716-26 W-236.
  • 7 Olsen O, Gotzsche PC. Screening for breast cancer with mammography. Cochrane Database Syst Rev 2001; (04) CD001877.
  • 8 Duffy S, Tabar L, Smith RA. The mammographic screening trials: commentary on the recent work by Olsen and Gotzsche. J Surg Oncol 12/2002; 81 (Suppl. 04) 159-62 discussion 162–6.
  • 9 Kalager M, Zelen M, Langmark F, Adami HO. Effect of screening mammography on breast-cancer mortality in Norway. N Engl J Med 09/2010; 363 (Suppl. 13) 1203-10
  • 10 Autier P, Boniol M, Gavin A, Vatten LJ. Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment: trend analysis of WHO mortality database. BMJ 28.07.2011; 343: d4411
  • 11 Hanley JA. Measuring mortality reductions in cancer screening trials. Epidemiol Rev 2011; 33 (Suppl. 01) 36-45