Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(01): 1-2
DOI: 10.1055/s-0031-1301110
Forum
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zum Tod von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jörg-Dietrich Hoppe

Friedemann Nauck
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 January 2012 (online)

 

Mit großer Betroffenheit haben die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin die Nachricht vom Tod Jörg-Dietrich Hoppes aufgenommen. Der ehemalige Präsident der Bundesärztekammer, des Deutschen Ärztetages und der Ärztekammer Nordrhein hat uns über viele Jahre – zuletzt auf dem Ärztetag in Kiel im Juni 2011 – mit persönlichem Engagement und großer Überzeugungskraft bei der Etablierung der Palliativmedizin unterstützt.

Jörg-Dietrich Hoppe war ein sehr besonderer Mensch und glaubwürdiger Präsident, der mit Nachdruck, Leidenschaft und Menschlichkeit für die Belange der Ärzte und Patienten eingetreten ist. Der am 24. Oktober 1940 in Thorn geborene Jörg-Dietrich Hoppe war Arzt mit Leib und Seele und mit seiner breit gefächerten Ausbildung als Pathologe und Allgemeinmediziner bis 2006 Chefarzt des Instituts für Pathologie am Krankenhaus Düren. Nach seiner Pensionierung 2006 arbeitete er weiter als niedergelassener Pathologe.

Zoom Image

Er übernahm 1999 das Amt des Präsidenten der Bundesärztekammer und des deutschen Ärztetages. Mit Weitsicht, Integrationsfähigkeit und hartnäckiger Warmherzigkeit ist er für die Freiheitlichkeit des Arztberufs eingetreten und hat die Politik und das Ansehen der deutschen Ärzteschaft maßgeblich geprägt.

Unter den zahlreichen Themen, denen sich Jörg-Dietrich Hoppe oft auch trotz politischer Widerstände zuwendete, lagen ihm die ethischen Fragen in der Medizin besonders am Herzen. Schon früh engagierte er sich für eine kompetente ärztliche Sterbebegleitung. Mit großem Respekt vor der Würde des Menschen war er maßgeblich an den überarbeiteten Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung beteiligt. Seine beständige Beschäftigung mit ethischen Themen und seine Fähigkeit, unterschiedliche Persönlichkeiten, Fachrichtungen und Disziplinen – wie etwa Juristen und Philosophen – neben Vertretern aus der Politik in den Diskurs mit einzubinden, führte dazu, dass die Bundesärztekammer in Deutschland heute auch als eine bedeutende ethische Instanz angesehen ist.

Als Jörg-Dietrich Hoppe 1999 Präsident der Bundesärztekammer wurde, gab es auch die erste Professur für Palliativmedizin in Bonn, die mit Eberhard Klaschik besetzt wurde. Damals hatte wohl kaum jemand erwartet, dass es nicht nur weitere Lehrstühle für Palliativmedizin an deutschen Universitäten geben würde, sondern dass die Palliativmedizin – nur zehn Jahre später – in den Kanon der Pflichtlehr- und Prüfungsfächer aller Medizinstudierenden gehört. Jörg-Dietrich Hoppe hat immer wieder betont, dass wir Ärzte uns auch mit den schwierigen Themen wie dem Lebensende und somit mit der Palliativmedizin befassen müssen. Während des 106. Deutschen Ärztetages 2003 in Köln war das Thema Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland erstmals ein Schwerpunktthema auf einem Deutschen Ärztetag. Im gleichen Jahr war Jörg-Dietrich Hoppe Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin zum Thema Palliativmedizin und Hospizarbeit in Berlin und hat dort bereits ausdrücklich seine Forderung nach einer "Aufnahme der Palliativmedizin als Querschnittsbereich in die Approbationsordnung für Ärzte und ihre Zulassung als Wahlfach für die abschließende ärztliche Prüfung" vertreten. "Die Palliativmedizin gehört zum Aufgabenbereich jedes Arztes", war die feste Überzeugung von Jörg-Dietrich Hoppe. Später forderte er: "Mehr Palliativmedizin statt Legalisierung der aktiven Sterbehilfe". So sagte er 2010 in einem Interview: "Eine gute und flächendeckende Palliativmedizin wird den Ruf nach aktiver Sterbehilfe sicher verhallen lassen. Deshalb muss die Zahl der Palliativstationen und Hospize in Deutschland dringend weiter erhöht werden". Die Palliativmedizin müsse endlich ein fester Bestandteil der heutigen Medizin werden. In den vergangenen Jahren habe es in diesem Bereich zwar bereits große Fortschritte gegeben, doch noch immer würden viele der schwerstkranken und sterbenden Menschen von den Angeboten nicht erreicht: "Sie leiden unter Schmerzen und anderen schweren Symptomen und fühlen sich häufig an ihrem Lebensende alleingelassen". Eindeutig war seine Haltung zur aktiven Sterbehilfe. "Der Patient hat zwar das Recht auf einen würdigen Tod, nicht aber darauf, getötet zu werden." Die Palliativmedizin könne dazu beitragen, das Vertrauen der Menschen in eine fürsorgliche Medizin am Lebensende zu stärken. Das hohe Engagement, ohne dass sich die Palliativmedizin vielleicht nie hätte so rasch in Deutschland entwickeln können, zeigt sich auch darin, dass sich Jörg-Dietrich Hoppe persönlich für die "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen" stark gemacht hat. Zu den Trägern zählt, neben der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband, auch die Bundesärztekammer. Zur Verabschiedung der Charta in Berlin vor gut einem Jahr war Jörg-Dietrich Hoppe persönlich anwesend und machte unmissverständlich klar, dass "Schwerstkranken und Sterbenden ein Sterben unter würdigen Bedingungen ermöglicht werden müsse", die Behandlung und Begleitung müsse geprägt sein von einer "Perspektive der Fürsorge und des menschlichen Miteinanders".

In seinem letzten Amtsjahr lag ihm die erneute Überarbeitung der Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung sehr am Herzen. Es war ihm wichtig zu betonen, dass "ungeachtet der strafrechtlichen Bewertung die Grundsätze die Auffassung vertreten, dass die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe darstellt und die ärztliche Aufgabe der Sterbebegleitung dort endet, wo Beihilfe zum Suizid geleistet wird". Hierzu hatte sich Jörg-Dietrich Hoppe noch im Mai 2011 in einem Editorial für unsere Zeitschrift unmissverständlich geäußert (Z Palliativmed 2011; 12: 93-94).

Jörg-Dietrich Hoppe wird uns als Vordenker und als Mitstreiter fehlen. Mit großem Respekt verneigen wir uns vor einer charismatischen und zugleich bescheidenen, humorvollen und aufrichtigen Persönlichkeit, der wir viel verdanken.

Friedemann Nauck