Wissenschaftliche Preise und Ehrungen sind etwas Wunderbares. Zuerst und vor allen Dingen natürlich für die Ausgezeichneten selbst, deren wissenschaftliche Leistungen vor einem sach- und fachkundigen Publikum die ihr gebührende Anerkennung erfahren. Sie lenken allerdings auch den Blick der Öffentlichkeit und der Scientific Community auf die Fachgesellschaft, der die Ausgezeichneten angehören. Häufen sich solche Ehrungen und Auszeichnungen in kurzer Zeit, kann mit einem gewissen Recht davon ausgegangen werden, dass auf die Arbeit der Fachgesellschaft selbst etwas von dem Glanz der Ausgezeichneten abstrahlt. So ist es der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) in den letzten Wochen und Monaten ergangen, da eine stattliche Anzahl ihrer Mitglieder in den Genuss wichtiger Preise und Ehrungen kamen.
Professor Klaus-Michael Debatin erhielt im Januar 2012 aus den Händen von Fritz Pleitgen als Präsident der Deutschen Krebshilfe den Deutschen Krebshilfe Preis (gemeinsam mit Professor Dr. Peter Krammer, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg) für seine wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der Apoptose-Forschung. Professor Debatin ist seit 1997 Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Ulm, 2010 wurde er zum Vizepräsidenten für Medizin der Universität Ulm ernannt, und er war auch der langjährige Dekan des Fachbereichs Medizin. In ihrer Laudatio sagte Frau Professor Charlotte Niemeyer, dass die Deutsche Krebshilfe mit Professor Debatin einen Wissenschaftler auszeichnet, der die „Apoptoseforschung in Deutschland erheblich vorangebracht und insbesondere zur klinischen Anwendung geführt hat“. Die wegweisenden Arbeiten von Prof. Debatin aus den letzten Jahren wurden in höchstrangigen Fachzeitschriften wie Cancer Cell, Journal of Experimental Medicine, Blood und Cell publiziert [7]
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[31]. Prof. Debatin ist Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und auch schon vorher Träger mannigfaltiger Preise und Auszeichnungen.
Es ist gewiss kein Zufall, dass seine Laudatorin Professorin Charlotte Niemeyer kurze Zeit später den Deutschen Krebspreis 2012 der Deutschen Krebsgesellschaft aus den Händen von Professor Hohenberger entgegennehmen konnte. Professorin Niemeyer ist Ärztliche Direktorin der Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, war über 3½ Jahre Prorektorin der Universität und ist gegenwärtig Exzellenzbeauftragte des Rektors der Universität. Auch sie ist Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften und Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Fachgesellschaften. Sie wurde ausgezeichnet für ihre translationalen Arbeiten auf dem Gebiet der Erforschung von kongenitalen Knochenmarkerkrankungen, insbesondere der juvenilen myelomonozytären Leukämie und der Übertragung ihrer Erkenntnisse aus dem Labor in klinische Studien. Sie hat führend die Internationale Working Group für Myelodysplastische Erkrankungen im Kindesalter aufgebaut und mehrere klinische Studien, die wesentlich zum Erkenntnisgewinn beigetragen haben, auf den Weg gebracht. Ihre Arbeiten, für die sie ausgezeichnet wurde, wurden in Nature Genetics, Nature, Blood und Oncogene veröffentlicht [9]
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Kurz vor Jahresende erhielt Professor Alfred Reiter (gemeinsam mit Professorin Catherine Patte, Paris) den SIOP-Europe Life Time Achievement Award für sein Lebenswerk. Der Preis wurde in Stockholm auf der ECCO-Jahrestagung vergeben und für lebenslange klinische Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Non-Hodgkin Lymphome verliehen, die Professor Reiter zur internationalen Sichtbarkeit und Anerkennung geführt hat. Professor Reiter ist Direktor der Kinderklinik – Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der Justus-Liebig Universität Gießen und leitet seit mehr als zwanzig Jahren die NHL-BFM-Studiengruppe. Seine Arbeit hat maßgeblich zum dramatischen Anstieg der Überlebenswahrscheinlichkeit von Kindern und Jugendlichen mit Non-Hodgkin-Lymphomen in Europa und vermutlich weltweit beigetragen. Sie ist ein Beispiel für die unglaubliche Veränderung, die die pädiatrische Onkologie in den letzten Jahren erfahren hat [4]
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Eine Auszeichnung auf hohem internationalem Niveau hat Professor Christoph Klein im November 2011 auf dem ASH-Meeting in San Diego entgegennehmen können. Professor Klein ist Direktor der Universitätskinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München und erhielt den William Dameshek Preis für seine grundlegenden Beiträge zur Hämatologie. Wegweisend sind seine Entdeckungen der Mutationen von HAX1-Genen bei Patienten mit schwerer kongenitaler Neutropenie und seine Entdeckung der humanen P14/ROBLD3- und G6PC3-Defizienz. Auch diese Defekte führen zu schweren kongenitalen Neutropenien. Der William Dameshek Preis ist benannt nach dem ersten Herausgeber von Blood und früheren Präsidenten der American Society of Hematology. Der Preis wird an Forscher verliehen, die jünger als 50 Jahre sind und herausragende Beiträge zur Hämatologie geleistet haben. Professor Klein nahm den Preis aus den Händen des ASH-Präsidenten J. Evan Sadler entgegen, der in seiner Laudatio sagte, dass dieser Preis „for his pioneering research into the pathophysiology of rare diseases which has had a direct and profound impact on clinical medicine“ verliehen wird. Professor Klein und sein Team haben in den letzten Jahren erhebliche Beiträge zur Entdeckung von Mutationen geleistet, die z. B. den Interleukin-10-Rezeptor betreffen und mit der „severe early-onset inflammatory bowel disease“ kombiniert sind. Ein zweiter kürzlicher Beitrag war, die Behandlung von Wiskott-Aldrich-Syndrom-Patienten im Rahmen eines Gentherapieprogramms. Arbeiten von Professor Klein wurden in zahlreichen Fachzeitschriften wie New England Journal of Medicine, Nature Medicine, Nature Genetics, Immunity und Journal of Experimental Medicine publiziert [1]
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[28]. Schon vorher hat er renommierte Preise wie den Adalbert-Czerny Preis und den GlaxoSmithKline Award erhalten. 2010 war er der erste Pädiater, der den Gottfried-Wilhelm-Leibniz Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft entgegennehmen konnte.
Eine Auszeichnung besonderer Art ist Professorin Simone Fulda zuteil geworden: Professorin Fulda ist Direktorin des Instituts für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. Auch sie hat sich als frühere Mitarbeiterin von Professor Debatin einen Namen mit der Apoptoseforschung gemacht und in vielen Beiträgen nachweisen können, warum das Apoptoseprogramm bei Krebszellen nicht mehr funktioniert. Diese Beiträge münden mittlerweile in erste medikamentöse Behandlungen, um das Apoptoseprogramm wieder in Gang zu bringen [8]
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[31]. Für diese Beiträge hat sie bereits viele nationale und internationale Preise erhalten, u. a. war sie Heisenberg-Stipendiatin der DFG. Sie ist in zahlreichen internationalen Verbundforschergruppen tätig wie der DFG Klinischen Forschergruppe „Apoptoseregulation und ihre Störungen bei Krankheiten“, im Marie Curie Research Training and Network „Apop Train“(gefördert durch die EU FP6), BMBF-Netzwerk „Apoptose als Target in der Tumortherapie“ im TranSarNet des BMBF und im KOSA-Netzwerk der Deutschen Krebshilfe. Trotz allem ist es noch eine besondere Anerkennung und Auszeichnung ihrer Arbeit, dass sie durch den Bundespräsidenten kürzlich als ordentliches Mitglied in den Wissenschaftsrat berufen wurde.
Der Wissenschaftsrat ist eines der wichtigsten wissenschaftspolitischen Beratungsgremien in Deutschland. Er berät die Bundesregierung und die Regierung der Länder in allen Fragen der inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Wissenschaft und in der Forschung des Hochschulbereichs. Es gehört auch zu seinen Aufgaben zur Sicherung der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Wissenschaft in Deutschland im nationalen und europäischen Wissenschaftssystem beizutragen (www.wissenschaftsrat.de). Er gibt Empfehlungen und Stellungnahmen zu den Aufgabenfeldern der Wissenschaftspolitik, insbesondere zu den wissenschaftlichen Institutionen (Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen) und zu übergreifenden Fragen des Wissenschaftssystems. Der Wissenschaftsrat hat 24 berufene wissenschaftliche Mitglieder, von denen 4 Mediziner sind. Mitglied in einem solchen Gremium zu sein, bedeutet Ehrung und Herausforderung zugleich. Professorin Fulda wird also in einer ganz zentralen Schaltstelle der deutschen Wissenschaftspolitik tätig sein. Dort eine Vertreterin der Pädiatrie und insbesondere der pädiatrischen Onkologie zu wissen, ist für uns wichtig.
Diese letzten Monate mögen für die pädiatrische Onkologie besonders „fruchtbare Monate“ gewesen sein. Allerdings zeigt sich in der großen Anerkennung, die die 5 Mitglieder unserer Fachgesellschaft erfahren haben und zu der wir ganz herzlich im Namen aller unserer Mitglieder gratulieren, auch die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit und den wissenschaftlichen Stellenwert der Arbeit der pädiatrischen Onkologie in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Diese Ehrungen sind für die Geehrten eine große Anerkennung ihrer Leistungen, für uns als Fachgesellschaft Anerkennung und Herausforderung gleichzeitig.
Für den Erfolg der Exponenten der GPOH sprechen neben der herausragenden persönlichen Expertise der Forscher und ihres unmittelbaren Umfelds die wissenschaftliche Aufgeschlossenheit und die vielfältigen Fördermöglichkeiten. Alle vier Faktoren – Forscherpersönlichkeit, Umfeld und Kooperation, Aufgeschlossenheit und Mitarbeiter, Fördermöglichkeiten – sind notwendige Bedingungen für derartige Erfolge, ohne sie jedoch zu garantieren. Einen wesentlichen Beitrag hat sicher auch die Förderung durch die Bundesministerien, die Deutsche Krebshilfe [13], die deutsche Kinderkrebsstiftung, die lokalen Elternvereine, die Kompetenznetzförderung [6] und die Kind-Philipp-Stiftung [19] geleistet. Diese Förderer [17] haben über einen langen Zeitraum die besonderen Belange der pädiatrischen Onkologie und Hämatologie und deren Auseinandersetzung mit seltenen Erkrankungen [14]
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[18] erkannt und berücksichtigt und verdienen besonderen Dank. Den Preisträgern möchten wir weitere Erfolge, Gesundheit und Schaffenskraft zum Wohle unserer Patienten und unserer gemeinsamen Anliegen wünschen. Uns allen in der GPOH mögen diese Ehrungen Ansporn und Verpflichtung zugleich sein.