Handchirurgie Scan 2012; 01(01): 19-20
DOI: 10.1055/s-0032-1309489
Diskussion
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Transskaphoidale perilunäre Luxationsfraktur - Behandlung mittels perkutaner Fixierung

Transskaphoidale perilunäre Luxationsfrakturen (Skaphoidfraktur Typ B4 nach Herbert) treten vor allem nach Sturz auf das überstreckte Handgelenk auf. Eine Reihe von Untersuchungen hat positive Ergebnisse für eine offene Reposition und interne Fixierung gefunden, dies beinhaltet aber auch u. a. Verletzungen von Weichteilstrukturen und das Risiko von Wundinfektionen. Ein anderer Ansatz ist die perkutane Verschraubung, die eine taiwanesische Gruppe nun systematisch untersucht hat.
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Publication History

Publication Date:
08 November 2012 (online)

J Hand Surg Am. 2012; 37: 715 – 720

Die perkutane Verschraubung und Kirschnerdraht-Fixierung stellt eine erfolgreiche Behandlungsmöglichkeit von akuten transskaphoidalen perilunären Luxationsfrakturen dar. Das haben Ying-Chao Chou und Kollegen in einer retrospektiven Untersuchung an 24 Betroffenen herausgefunden, die zwischen 2004 und 2009 an einem Zentrum behandelt wurden. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 32 Jahren. Ursachen der Fraktur waren Motorradunfälle (11 Patienten), Sturz auf das überstreckte Handgelenk (9 Patienten) sowie Sportunfälle (4 Patienten). Die Diagnose wurde mit Röntgenaufnahmen gesichert. Radiologische und funktionelle Parameter (Bewegungsumfang der verletzen im Vergleich zur gesunden Hand, Schmerzen und Mayo-Wrist-Score) dienten als Ergebnisparameter.

Die Eingriffe wurden in Allgemeinanästhesie und unter Durchleuchtungskontrolle durchgeführt: Nach geschlossener Reposition der perilunären Luxationen erfolgte zunächst die axiale Spickung mit einem 2,0-mm-Kirschnerdraht zur Stabilisierung der kapitolunaren Gelenkfläche, die Skaphoidfraktur wurde dann mit einer kanülierten 3,0-mm-AO-Schraube (13 Patienten) oder Herbert-Whipple-Schraube (11 Patienten) versorgt.

Nach einem mittleren Follow-up von 45 Monaten fand sich eine Frakturheilung bei 23 Patienten im Mittel nach 18 Wochen. Die Beurteilung der Röntgenbilder zeigte bis zur 2-Jahres-Nachuntersuchung keine wesentlichen Unterschiede zwischen verletztem und gesundem Handgelenk, Instabilitäten traten nicht auf. Der Mayo-Score lag bei der letzten Nachuntersuchung im Mittel bei 83, entsprechend einer guten Beweglichkeit, die grobe Kraft unterschied sich nicht von der der unverletzten Hand. Allerdings fanden sich eingeschränkte Bewegungsumfänge für die Flexion und Separation im Gelenk. Komplikationen traten bei 3 Patienten auf: Frakturspalt ohne Kallusbildung bei 1 Patienten, Knochensporn um den Processus styloideus radii bei 1 Patienten und eine Reizung durch einen überstehenden Schraubenkopf bei einem 3. Patienten. Avaskuläre Nekrosen von Skaphoid oder Lunatum traten nicht auf.

Fazit

Die perkutane Fixierung scheint ein sinnvoller Ansatz, der Komplikationen des offenen Vorgehens vermeidet und zu guten funktionellen Ergebnissen führt. Eine Schwäche der Studie ist die retrospektive Auswertung, die Technik sollte daher in prospektiven Studien mit größerer Patientenzahl weiter untersucht werden.

Dr. Elke Ruchalla, Trossingen

Kommentar

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Dr. Berthold Bickert, Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, BG – Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwig-Guttmann-Str. 13, 67071 Ludwigshafen

Transskaphoidale perilunäre Luxationsfrakturen werden hierzulande standardmäßig durch offene Reposition der Luxation und Schraubenosteosynthese der Skaphoidfraktur von dorsal mit antegrad eingebrachter Doppelgewindeschraube sowie temporäre Transfixation des lunato-triquetralen (LT-) Gelenks mit einem K-Draht 1,4 mm behandelt. Essentiell ist hier die perfekte Skaphoidreposition.

Die Autoren aus dem Chang Gung Memorial Hospital, Taiwan, stellen in einer retrospektiven Studie die Ergebnisse ihres abweichenden Verfahrens vor, nämlich der Bildwandler-kontrollierten geschlossenen Reposition, retrograden perkutanen Schraubenosteosynthese des Skaphoids und retrograder Transfixation des Gelenks zwischen Capitatum und Lunatum. Als theoretischen Vorteil geben sie die Vermeidung einer ausgedehnten dorsalen Narbenbildung und resultierenden Bewegungseinschränkung an, die durch ein offenes Vorgehen immer hervorgerufen werde.

Wie sind die Ergebnisse? Zunächst einmal ist die Patientenauswahl adäquat, die perkutane OP wurde nur innerhalb von 24 h nach Unfall durchgeführt. Die Altersverteilung war typisch für die Verletzung (32 Jahre, Range 20 – 49 Jahre). 24 Patienten sind eine aussagekräftige Zahl, die Follow-up-Zeit von 45 Monaten (Range 25 – 67 Monate) ist adäquat. Die durchschnittliche Bewegungsfunktion war sehr gut mit 78-0-66° HG-Extension/-Flexion. Der Mayo-Wrist-Score war mit 83 Punkten (Range 66 – 93) bzw. mit 21/24 (87 %) guten oder exzellenten Resultaten sehr gut. Die skapho-lunären (SL-) Winkel werden normwertig und seitengleich angegeben. Auffälligerweise änderte sich der Mittelwert nicht im Verlauf von 2 Jahren, nur besserte sich die Standardabweichung (49° ± 9° post-op bzw. 49° ± 7° nach 2 Jahren). Da sich eine karpale Korrektur nicht verbessern, sondern nur nachgeben kann, ist dieser Wert erklärungsbedürftig.

Den als sehr gut berichteten klinischen Daten stehen die abgebildeten Röntgenaufnahmen entgegen. Auch wenn die Qualität der Abbildungen nur mäßig ist, so zeigt der Verlauf des einen Patienten erkennbar eine initial unzureichende Skaphoidreposition, eine suboptimale Schraubenlage und einen mit 2 mm sehr kräftigen, zwischen Skaphoid und Lunatum fehlplatzierten K-Draht. Im Verlauf meint man insbesondere in der lateralen Projektion einen deutlichen Korrekturverlust mit karpaler Gefügestörung zu erkennen. Eine computertomografische (CT) Kontrolle der Frakturheilung des Skaphoids erfolgte nicht, wäre aber gerade wegen der oft schwierigen Reposition dieser Frakturen sehr interessant gewesen, vor allem im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie.

Außerdem sind die verwendeten Schrauben (kanülierte 3,0 mm-AO-Schraube (ohne Washer) und Herbert-Whipple-Schraube) inzwischen veraltet.

Die gezeigten Röntgenbilder sind so wenig überzeugend, dass die Validität der sehr guten klinischen Daten fraglich scheint. Die vorliegende Arbeit reicht also nicht aus, den eingangs skizzierten Standard eines offenen Vorgehens ernsthaft in Frage zu stellen. Wegen der theoretischen Vorteile einer perkutanen Versorgung dieser Verletzungen sollte das Verfahren jedoch im Auge behalten werden, am besten in einer prospektiv randomisierten Studie (Reposition mit Joystick-K-Drähten, perkutane antegrade Schraube, perkutane LT-Transfixation; im Vergleich zum offenen Vorgehen; mit Skaphoid-CT nach 3 Monaten).

Literatur beim Verfasser

E-Mail: bickert@bgu-ludwigshafen.de


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