Neonatologie Scan 2012; 01(02): 92-93
DOI: 10.1055/s-0032-1309533
Diskussion
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Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus: Gesamtgenomanalyse verbessert Spurensuche bei Ausbruch

Die herkömmliche Gentypisierung des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) erlaubt nur wenige Differenzierungen, wenn die Isolate vom gleichen Sequenzgrundtyp stammen. Mit der Analyse des Gesamtgenoms dagegen lassen sich gezielt Isolate bestimmen, die für den MRSA-Ausbruch auf einer neonatologischen Station verantwortlich sind.
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Publication History

Publication Date:
01 December 2012 (online)

New Engl J Med 2012; 366: 2267 – 2275

C. Köser et al. von der Universität Cambridge, England, analysierten retrospektiv DNA von verschiedenen MRSA-Isolaten, die im Jahr 2009 aus Blutkulturen oder Abstrichen gewonnen worden waren. Der Ausbruch von Infektionen mit diesem Keim hatte eine Schließung der neonatologischen Intensivstation notwendig gemacht.

Die Sequenz des Gesamtgenoms war mit einem kommerziellen Gerät genau bestimmbar. Es erfolgte eine Analyse von Single-Nucleotid-Polymorphismen. Als Referenz verwendeten die Autoren das Genom eines bestimmten Stammes des Sequenz-Typs 22, dem häufigsten epidemischen MRSA-Klon in Englands Kliniken.

Köser et al. untersuchten zunächst 7 MRSA-Isolate, die dem Ausbruch in der Kinderklinik zuzuordnen waren. Alle gehörten dem Sequenztyp 22 an. Von weiteren 7 Isolaten, deren Zusammenhang mit dem Ausbruch unwahrscheinlich war, wiesen nur 3 den Sequenztyp 22 auf.

Bei allen 10 Isolaten des Sequenztyps 22 erfolgte eine Analyse des Genoms der Bakterienwand. Sämtliche Isolate, die im Zusammenhang mit dem Ausbruch auf der neonatologischen Intensivstation standen, zeigten eine wesentlich engere genetische Übereinstimmung als die anderen Isolate, deren Genom sich unter„einander um mindestens 136 Single-Nucleotid-Polymorphismen (SNPs) unterschied. Zur letzteren Gruppe gehörte auch der Referenz-Sequenztyp.

Ein Bakterienstamm, der im Zusammenhang mit dem MRSA-Ausbruch der Kinderklinik stand, zeigte trotz der hohen Übereinstimmung mehr neue SNPs als die anderen 6 Stämme dieser Gruppe zusammen. Ihn stuften die Autoren als „Hypermutator“-Stamm ein.

Fazit Mit der Sequenzanalyse des Gesamtgenoms konnten die Autoren MRSA-Stämme, die einen Infektionsausbruch auf der neonatologischen Intensivstation verursacht hatten, von denen abgrenzen, die damit nicht in Zusammenhang standen. Mit konventioneller Typisierung ist dies nicht möglich. Die neue Sequenzanalyse könnte das Management von MRSA-Ausbrüchen entscheidend verbessern, wenn ihr Einsatz automatisiert und zeitnah möglich ist, so die Autoren.

Dr. Andreas Fischer, München

1. Kommentar

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Prof. Dr. Gerhard Jorch

Zentrum für Kinderheilkunde

Universitätskinderklinik Magdeburg

Leipziger Str. 44

39120 Magdeburg

Das Krisenmanagement bei Ausbrüchen und gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen mit Problemkeimen wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) in neonatologischen Einheiten ist hochkomplex, zeitkritisch und risikoreich. Allgemein bewährte Maßnahmen müssen ergänzt werden durch eine möglichst präzise und zeitnahe Analyse der Einzelsituation. Dabei ist die Identifikation des auslösenden multiresistenten Keims und seine exakte Zuordnung zu den Erkrankungsfällen eine unerlässliche Detektivarbeit. Eine wesentliche Basis ist die mikrobiologische Erregerdiagnostik mit möglichst weitgehender Differen„zierung des Erregertyps anhand seiner „Eigenschaften. Dazu steht ein breites „methodisches Standardarsenal zur Ver„fügung wie Kultur, Resistogramm, Charakterisierung durch Farbmarkierung und Antikörper, Pulsfeldelektrophorese, Standard-PCR, Rep-PCR etc.

Die Sequenzanalyse des Gesamtgenoms gehört bislang nicht zum Repertoire der krankenhaushygienischen Diagnostik bei nosokomialen Ausbrüchen. Mit der vorgelegten Arbeit konnte gezeigt werden, dass diese Methode Informationen liefern kann, womit Isolate, die aufgrund der mit anderen Methoden gewonnenen Ergebnisse dem für den Ausbruch verantwortlichen Keim zugeordnet wurden, als nicht verantwortliche Keime identifiziert werden können. Dadurch kann das Ausmaß der Schutzmaßnahmen ohne Risikoerhöhung eingeschränkt und die Quellensuche unterstützt werden. Allerdings räumen die Autoren selbst ein, dass vor Einsatz in der Routine noch Investitionen in die Automatisierung der Analyse und raschen Verfügbarkeit der Befunde getätigt werden müssen. Ferner muss Sorge getragen werden, dass die Ergebnisse der Genomanalyse im Hinblick auf die anstehenden Fragestellungen interpretiert, der klinischen Befundlage zugeordnet und in einer für den Kliniker nutzbaren Darstellung aufbereitet werden. All dies muss so organisiert sein, dass diese Leistungen ohne längere zeitliche Lücken und mit gesicherter gleichbleibender Qualität regional vorgehalten werden können.

Es wäre nützlich zu wissen, inwieweit die Gesamtgenomanalyse auch bei anderen Problemkeimen mit ähnlicher Effizienz anwendbar ist.

Hinsichtlich der Kosten sind die Autoren optimistisch und rechnen vor, dass bei fortschreitender Automatisierung die Kosten für diese Methode nicht um Grö„ßenordnungen über der von herkömm„lichen PCR-Methoden (Polymerase Chain Reaction) liegen. Sie legen allerdings nicht dar, ob dann die herkömm„lichen Methoden wenigstens teilweise eingespart werden können. MRSA sind nicht die einzigen und wohl auch nicht die wichtigsten Problemkeime auf neonatologischen Stationen. Es wäre nützlich zu wissen, inwieweit die Gesamtgenom„analyse auch bei anderen Problemkeimen, außer den in der Einführung genannten E. coli, mit ähnlicher Effizienz anwendbar ist. Nach Einschätzung des Kommentators sollte dieser methodische Ansatz mit der Zielstellung zum Routineeinsatz weiterverfolgt werden, ist aber derzeit noch keine Alternative zu den eingeführten Methoden.

E-Mail: gerhard.jorch@med.ovgu.de


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2. Kommentar

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PD Dr. Axel Hübler

Klinik für Kinder- und Jugendmedizin

HELIOS Klinikum Aue

Gartenstr. 6

08280 Aue

Im Jahre 2009 hatte ein Ausbruch von MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) zur Schließung einer neonatologischen Station im Universitäts„klinikum Cambridge geführt. Köser et al. untersuchten retrospektiv die DNA von 7 MRSA-Isolaten dieses Ausbruchs, einschließlich der Analyse von Single-Nucleotid-Polymorphismen. Die Ergebnisse wurden mit MRSA-Isolaten von Patienten anderer Lebensalter und Stationen verglichen, die nicht in Zusammenhang mit den Infektionen in der Neonatologie standen. Dabei beobachtete die Arbeitsgruppe interessanterweise das Auftreten unterschiedlicher MRSA-Typen in der vermeintlichen Kohorte und zusätzlich die Transmission von MRSA unterschiedlicher Genomtypen zwischen Patienten.

Von 2 Neugeborenen, bei denen auf der neonatologischen Station bereits vor dem Auftreten des Indexpatienten MRSA nachgewiesen wurde, wies eines den Typ 22 des Indexpatienten und aller weiteren im Verlauf von 13 Tagen betroffenen Neugeborenen auf, während das andere mit Typ 5 besiedelt war. Weiterhin stellte die Arbeitsgruppe bei nicht in Zusammenhang mit dem Ausbruch in der Neonatologie stehenden MRSA-Patienten eine im Krankenhaus erfolgte Transmission fest, die bei einem Patienten die Resistenzlage von MRSA veränderte. Die Kohortenisolation von Patienten mit MRSA ohne Kenntnis des Genoms der Isolate kann somit dazu führen, dass Erreger unterschied„licher Typen und Pathogenität („hospital associated MRSA“ und „community associated MRSA“) zwischen den Betroffenen ausgetauscht werden.

Die Analyse von Single-Nucleotid-Polymorphismen ermöglichte es, den für „einen Ausbruch auf der neonatologischen Station verantwortlichen MRSA-Stamm von anderen MRSA-Stämmen abzugrenzen.

Nosokomiale Infektionen gehören zu den häufigsten Todesursachen bei Frühgeborenen. Der Prophylaxe nosokomialer Infektionen sollen im klinischen Alltag eine Anzahl hygienischer Maßnahmen Rechnung tragen. Der Früherkennung dienen Parameter des mikrobiologischen und biochemischen Monitoring. Trotz des Wissenszuwachses zur Immunitätslage Früh- und Reifgeborener und der Erweiterung diagnostischer Möglichkeiten, werden in den Industrieländern regelmäßig Ausbrüche mit multiresistenten Erregern auf neonatologischen Intensivstationen (NICU) verzeichnet. Die Behandlungsführung auf „einer NICU wird durch komplexe Inter„aktionen beeinflusst. Die Störanfälligkeit des Systems in Bezug auf infektiologische Komplikationen liegt teilweise begründet in der individuellen Erkrankungsschwere der immunologisch unreifen Patienten, der Invasivität der Therapie einschließlich des Antibiotikaregimes, den technischen und räumlichen Umgebungsbedingungen sowie dem Hygieneverhalten und Schulungsgrad des Personals. Ein gehäuftes Auftreten von nosokomialen Infektionen kann meist einem oder mehreren der genannten Problemkreise zugeordnet werden.

Die Analyse von Single-Nucleotid-Polymorphismen ermöglichte der Arbeitsgruppe um Köser, den für einen Ausbruch auf der neonatologischen Station verantwortlichen MRSA-Stamm von anderen MRSA-Stämmen abzugrenzen. Die von den Autoren vorgestellte Technik der Genomanalyse ist derzeit noch kostenintensiv und nicht automatisiert. Ihre weitere Entwicklung könnte künftig das Repertoire des mikrobiologischen Monitoring nicht zuletzt für die Patientengruppe der vulnerablen und infektionsgefährdeten Früh- und Reifgeborenen effektiv erweitern.

E-Mail: axel.huebler@helios-kliniken.de


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