Aktuelle Dermatologie 2013; 39(01/02): 7-8
DOI: 10.1055/s-0032-1309558
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

40. Tagung der ADF in Dessau und einige Gedanken

40th ADF Conference in Dessau and a Few Thoughts
C. Zouboulis
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christos C. Zouboulis
Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie/Immunologisches Zentrum
Städtisches Klinikum Dessau
Auenweg 38
06847 Dessau-Roßlau

Publication History

Publication Date:
25 February 2013 (online)

 

Liebe Leser der „Aktuellen Dermatologie“,

„die Universitätsmedizin ist durch den Aufgabenverbund von Forschung, Lehre und Krankenversorgung geprägt. Ohne diese Universitätsmedizin gäbe es das Deutsche Gesundheitswesen in seiner international beachteten Form und Leistungsfähigkeit nicht“, schreiben renommierte Autoren in einem der letzten Hefte des Deutschen Ärzteblattes [1]. Für die Autoren ist der Kern des Übels die Unterfinanzierung der Universitätsmedizin. Tatsächlich wird in Zeiten, in denen die Gesamtmedizin – durch Prioritätsentscheidungen der Politik – immer mehr unter Finanzierungszwängen leidet, das oben genannte Prinzip aus „Kostengründen“ in Frage gestellt.

Damit verschlechtert sich auch die Qualität der Ausbildung und der Weiterbildung der kommenden Arztgenerationen. Diese – inzwischen aktuelle – Entwicklung beeinflusst nicht nur die Universitätsmedizin und die Ärzte negativ, sondern das gesamte deutsche Gesundheitssystem. Über Ärztemangel und fehlende Motivation der jungen Ärzte in Deutschland wird immer häufiger berichtet.

Sind aber nur die Defizite der Krankenhausfinanzierung für das zunehmende Desinteresse der Ärzte an den akademischen Aufgaben und damit für die zunehmende Aufgabe des Humboldt-Prinzips an den deutschen Universitätsklinika verantwortlich? Als Ausbilder und Mentor hört man von den jungen Kollegen häufig, dass für Forschungsinteresse keine Zeit bleibt, weil sie ihre Produktivität für die Erledigung der klinischen Arbeit und der begleitenden Bürokratie einsetzen. Von den Fachärzten aus Klinik und Praxis hört man unisono, dass sie sich heutzutage „um Bürokratie und/oder Drittmittelfinanzierung kümmern müssen“ und dass diese stets zunehmenden Aufgabengebiete das Interesse an Fortbildung und Forschung drosseln. Gleichzeitig sorgt die aktuelle – für die heutzutage hochbeachtete Lebensqualität der Krankenhausärzte positive – Gesetzgebung dafür, dass die Ärzte sich nach dem regulären Arbeitsschluss „erholen und mit anderen, ärztlich-fernen Betätigungen“ befassen. Fern erscheinen die Zeiten, in denen man nach regulärer Arbeitszeit und nachfolgender Dienstzeit sich zu den Forschungslaboratorien begab. Man darf vermuten, dass die Genexpression früherer Arztgenerationen sich von der der heute tätigen Ärzte unterscheidet, auf jeden Fall gab es früher mindestens eine höhere persönliche Motivation der Universitäts- und Krankenhausärzte. Daher die berechtigte Frage: Gibt es in Zeiten defizitärer Krankenhausfinanzierung und abnehmender persönlicher Motivation eine Hoffnung für die deutsche Medizin? War sie Schnee von gestern?

Für das Gebiet der Dermatologie und Venerologie waren und sind die deutschsprachigen Dermatologen stolz, da sie in den letzten Dekaden ein klinisch großes und wissenschaftlich immer aktiveres Fach aufgebaut haben. Zwar treffen die aktuellen Probleme der Medizin auch die Dermatologie – wie könnte es anders sein –, aber das Fach glänzt im europäischen und im kontinentalen Wettbewerb durch Qualität und wissenschaftliche Lebendigkeit. Immer mehr Ärzte aus dem inner- und außereuropäischen Ausland entscheiden sich hinsichtlich ihrer Weiterbildung für Deutschland, Österreich und die Schweiz und bevölkern die Forschungslabore. Man braucht nur das Programm der kommenden 40. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Forschung (ADF), die vom 14. bis zum 16. März 2013 in Dessau stattfindet, durchzusehen (www.adf.de), um zu entdecken, dass die Dermatologie nicht nur alte Teilgebiete weiter erforscht, sondern auch neue Gebiete entdeckt und belegt hat, wie zum Beispiel die inzwischen blühende Dermato-Endokrinologie.

Und trotzdem oder desto mehr sind viele Fragen aktueller denn je: Warum Forschung, was bringt die Forschung heutzutage dem Patienten bzw. dem Fach und dem forschenden Arzt? Ist es nicht legitim, lediglich gute Patientenversorgung oder gute Lehre bzw. gute Forschung in wissenschaftlichen Institutionen durchzuführen? Ist es nicht so, dass man universitäre Forschung und Lehre nur aus eigenen Karrieregründen durchführt? Man kann diese Fragen mit der klassischen Gegenfrage beantworten: War und ist nicht für jede Art von Forschung und Lehre eine persönliche Motivation vorausgesetzt? Sollten Forschung und Lehre statt als Pflicht, besser als Recht derjenigen Ärzte betrachtet werden, die sich aus persönlichem Interesse bzw. Fähigkeiten dazu berufen fühlen oder sind? Sollte daher vielleicht eine akademische Zusatzfinanzierung nicht pauschal den Universitätsklinika, sondern den Wissenschaftlern und Ärzten zugeteilt werden, die Forschungs- bzw. Lehraufgaben erfolgreich übernehmen – unabhängig davon, wo sie tätig sind?

Zunächst hilft uns ein kleiner Einblick in die Geschichte der Medizin und insbesondere das Fach, das, vor nicht allzu langer Zeit, in Praxen und Krankenanstalten geboren wurde, die später in universitäre Einrichtungen übergegangen sind. Ziel der aktiven Forschung war und ist, wissenschaftliche Erkenntnisse zu entwickeln, die sowohl dem grundlegenden Verständnis von Krankheitsprozessen dienen als auch direkt den Patienten zugute kommen. Darüber hinaus dient die medizinische Forschung dazu, die Medizinstudenten nach dem neuesten Wissenstand auf ihre spätere Tätigkeit vorzubereiten. Daher kommen Forschung und Lehre letztendlich dem Patienten zugute. Die Verbesserung der medizinischen Versorgung soll sowieso die einzige Anforderung der Politik und der Gesellschaft an die Ärzte sein, sodass man erwarten sollte, dass Politik und Gesellschaft Forschung und Lehre an allen Krankenanstalten (Praxen, Krankenhäuser und Universitäten) fördern werden.

Aus allen diesen Gründen ist es sehr erfreulich, dass die älteste dermatologische Zeitung, die „Aktuelle Dermatologie“, die eigentlich eher der klinischen Dermatologie gewidmet ist, sich ein Editorial über die 40. Tagung der ADF, den wissenschaftlicheren der deutschen dermatologischen Kongresse, erwünscht hat. Wiederum ist es nicht nur symbolisch, dass die ADF ihre 40. Jubiläumstagung durch die forschungs- und lehreaktive, nichtuniversitäre Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie/Immunologisches Zentrum des Städtischen Klinikums Dessau organisieren lässt. Eine Entscheidung, die zeigen möchte, dass das Prinzip Alexander von Humboldts heute mehr als je zuvor aktuell ist: Um gute Medizin zu leisten, muss man Ideen haben und Kenntnisse, die einerseits aus klinischer und experimenteller Forschung und andererseits aus der Lehre stammen können. Darüber hinaus benötigt die Kontinuität einer hochqualitativen Medizin Studierende, die aktuelle Kenntnisse erhalten und sich auf die Zukunftsmedizin vorbereiten. Es darf nicht eine Berufsmedizin geben, sondern eine Berufungsmedizin und dafür wird, wie in der Vergangenheit, eigene Motivation benötigt, die sich nicht nur im Rahmen honorierter Arbeit begrenzen kann. Akademische Ausbildung im deutschsprachigen Raum darf überall, nicht nur an den Universitäten und Forschungsinstitutionen, sondern auch in den städtischen Anstalten angeboten werden. Sie ist für die deutschsprachige Medizin und die deutschsprachige Dermatologie und Venerologie die Voraussetzung, um ihre aktuelle Spitzenposition auch in der Zukunft zu erhalten, sodass in Deutschland ausgebildete Ärzte die beste Medizin für die Gesellschaft anbieten können.

Mit diesen Gedanken lade ich Sie alle – Medizinstudenten, Ärzte in der Weiterbildung, Fachärzte in Klinik und Praxis, Oberärzte und Direktoren von städtischen Kliniken sowie von Universitätsanstalten – zur 40. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Forschung ein, die vom 14. bis 16. März 2013 in der Bauhausstadt Dessau stattfinden wird.


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Prof. Dr. Christos Zouboulis

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  • Literatur

  • 1 Albrecht M, Kroemer HK, Strehl R. Finanzierung der Universitätsmedizin. An der Grenze der Belastbarkeit. Dtsch Ärztbl 2013; 110: A65-A68

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christos C. Zouboulis
Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie/Immunologisches Zentrum
Städtisches Klinikum Dessau
Auenweg 38
06847 Dessau-Roßlau

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  • 1 Albrecht M, Kroemer HK, Strehl R. Finanzierung der Universitätsmedizin. An der Grenze der Belastbarkeit. Dtsch Ärztbl 2013; 110: A65-A68

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